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Rückblick auf die „Lange Nacht der Kirchen“ in der Kölner Innenstadt

Freitagmorgen, minus 4 Grad. Schnee ist angesagt. In Köln. Das Auto springt röchelnd an. Der CD-Spieler streikt. Mein Kind nörgelt auf dem Beifahrersitz. Im Suchlauf gräbt der Sender gerade noch das DOMRADIO aus. Diakon Jens Freiwald vom Erzbistum Köln verspricht „Großartige Räume im Kerzenlicht und mancherorts einzelne Impulse – die Kölner Innenstadtkirchen laden dazu ein, Nacht Raum und Stille auf einzigartige Weise zu erleben“. Vollmundig, denke ich bei mir.

Freitag, Wochenende, wen zieht es da in „Nacht-Raum-Stille“. Der Büro Tag nimmt seine gewohnte Geschwindigkeit auf. Und irgendwann holt mich die Woche ein. Etwas meditieren, Yoga, Kräutertee…Ruhe…ja. Da fällt mir das Radio wieder ein. Warum nicht den Rechner runterfahren und gleich mal neugierig in Deutz in „Alt St. Heribert“- „Entschlafen der Gottesgebärerin“ vorbeisehen. Der Sparziergang tut gut. Berührungsängste habe ich doch. Ist es doch ein orthodoxes Haus.

Vor mir tut sich eine Abteianlage auf. Schneeflöckchen. In Köln. Von außen lädt mich warmes Licht aus dem Gotteshaus ein. Neugierig trete ich ein. Der Anblick ist gewaltig. Auch die Begrüßung. Herzlich werde ich empfangen und gleich dem Geistlichem vorgestellt. Er erklärt mir die Reihenfolge der Gebete, die bis in die Nacht stattfinden. Dem Hymnos Akathistos um 18 Uhr folgt das Paraklisis (Bittgebet), das gesanglich begleitet wird. Das große Apodipnon um 22 Uhr schließt in den Klöstern den Tag ab. Um 23.30 wird mit dem Mitternachtsgebet Mesonyktikon abschließend Fürbitte für die Welt gehalten. Über ausliegende Texte erfahre ich, dass in den ersten fünf Tagen der vorösterlichen Fastenzeit in der orthodoxen Kirche der Hymnos Akathistos gesungen wird, ein aus Byzanz stammender stark poetischer Text, der hymnisch das Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes beschreibt.

In der Kirche darf ich fotografieren, andere küssen Heiligenbilder, wieder andere entzünden Kerzen oder schnuppern einfach mal für wenige Minuten rein. Draußen schneit es wirklich. Die Kölner Kirchen sind in warme Farben getaucht. Welche der anderen 25 Kirchen rufen mich auf die andere Rheinseite? Wie soll ich das Angebot des „IMPULSE“-Flyers filtern? Nach Gebet, Orgelspiel oder Chorgesang? Vielleicht nach Illuminierung oder Kunst?

Ich entscheide mich für die Dominikanerkirche Heilig Kreuz. Auch hier empfängt mich warmes Licht auf den Eingangsstufen. Junge Sängerinnen des 17 köpfigen Chors Chorioso laden mich ein zum Mitsingen. „Meine Seele ist stille in dir…“, „Bless the Lord, my soul…“, „Bleibet hier und wachet mit mir!“, „Meine Hoffnung und meine Freude…“ oder „Cantemus“ sind mir Trost in der Nacht. Dazwischen Gedanken Impulse aus Texten von Uwe Seidel. Fragmente der Eingangsworte des Paters „Lobt Gott mit Festen, Taten, der Kraft eurer Hände, lobt Gott mit Klängen, mit allem, was ihr seid“ beschäftigen mich auf dem Weg zur Antoniterkirche. Nachdenklich gehe ich an den Obdachlosen vorüber, die in Schlafsäcken verhüllt der kalten Nacht trotzen.

Die AntoniterCityKirche höre ich schon aus der Ferne. Ein vertrautes Glockengeläut. Die Straßen sind leer. Schneeflocken bedecken das Kölner Grau. Ungewohntes blaues Licht entdecke ich aus den Fensterscheiben, der Eingang lädt mich auch hier mit warmem Lichtspiel ein. Die Kirche selbst ist in zarte Farben getaucht. Ich entdecke ihre Winkel neu, ja, sie riecht heute auch anders. Weihrauch steigt am Altar auf. Irgendwann stimmt der Pfarrer das Abendgebet, die Komplet an. Im Wechsel mit der Gemeinde. Die Gemeinde etwas holprig. Wie ich später erfahre, sei die Stamm-Gemeinde im Komplet-Gesang „ganz fit“, da dies regelmäßig angeboten würde. Unter den Besucherinnen und Besuchern treffe ich auch erste bekannte Gesichter meines abendlichen Ausflugs wieder. Einer rät mir wegen der Kälte vom Dom ab, denn „dort gefriert ja sogar das Weihwasser“. Eine andere junge Frau schwärmt von Kolumba. Ins Museum wollte ich eigentlich nicht. Aber dann folge ich doch der Empfehlung und rutsche durch die Tür von St. Kolumba „Madonna in den Trümmern“.

Die Ruhe und der in Kerzenlicht gehüllte Ort berühren mich tief. Ruhe, Stille, ohne Worte, ohne Klänge, ohne Nebengeräusche. Hier verweile ich, komme zu mir. Und doch zieht es mich noch ein Haus weiter, weil ich doch noch neugierig auf St. Aposteln bin: Ist dort wohl um 23.45 Uhr überhaupt noch jemand da? Ja. Auch hier. Trotz Kälte und Schnee, offene Türen, ein fröhlicher Küster. Und ein Chor … nur wo? Gregorianik, lateinische Messe…? Ich suche verstohlen nach den Sängern, die Tür zur Nebenhalle ist leicht geöffnet. Wie ich später erfahre, ist die dezente Hintergrundmusik tatsächlich „konserviert“ gewesen. Es ist dennoch sehr fein. St. Apotsteln im Kerzenlicht mit wechselndem Lichtspiel bezaubert mich erneut.

Wie sagte eine andere Wanderin in dieser Nacht „Heute Nacht sehe ich meine Stadt mit anderen Augen, sie hat ein anderes Gesicht.“ Ich bedaure, dass ich es vor Mitternacht nicht mehr geschafft habe, noch zu St. Johann Baptist und zur Trinitatiskirche zu gelangen. Im nächsten Jahr. Egal wie kalt, wieviel Schnee oder Glätte auch sein mag. Die Reise ist zu wertvoll, um zu zögern! Die „Lange Nacht der Kirchen“ war ein besonderer Freitag, der Lebensgeister weckt.

Text: Antje Rabe
Foto(s): Antje Rabe