In enger Nachbarschaft zur Friedenskirche in Köln-Ehrenfeld, getrennt nur durch die Vogelsanger Straße, steht der Rohbau des Ernst-Flatow-Hauses. Bauherr des Objekts am Fröbelplatz ist die Evangelische Kirchengemeinde Ehrenfeld. Das Ernst-Flatow-Haus ist im Erdgeschoss als Zentrum des Gemeindebezirks Alt-Ehrenfeld konzipiert. Die fünf Geschosse darüber nehmen insgesamt 25 Mietwohnungen von unterschiedlicher Größe auf. Während die Fläche des Gemeindezentrums 245 qm umfasst, beträgt die Wohnfläche total 2201 Quadratmeter. Im Juli letzten Jahres wurde mit dem Bau begonnen, im Dezember 2009 der Grundstein gelegt. Fertigstellung und Bezug sollen im Frühjahr 2011 erfolgen.
Projekt aus eigener Kraft gestemmt
Zuletzt beging man dort das Richtfest. Siegfried Kuttner, Pfarrer an der Friedenskirche, Vorsitzender des Presbyteriums der Kirchengemeinde sowie des Neubau- und Planungsausschusses, begrüßte zum traditionellen Fest der Handwerker neben den Bauleuten und weiteren Projektbeteiligten zahlreiche Gemeindeglieder. „Bauherr sind wir, die Evangelische Kirchengemeinde Ehrenfeld“, betonte Kuttner. Man habe das Projekt finanziell aus eigener Kraft gestemmt. Dafür wurde ein Seniorenheim der Kirchengemeinde in Ehrenfeld an die Arbeiterwohlfahrt veräußert. Neben dem Erlös brachte die Gemeinde ihr Grundstück am Fröbelplatz in das 4,4 Millionen Euro teure Projekt ein, das zudem eine „kleine Beteiligung“ seitens des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region erfuhr.
ASG hat den Neubau begleitet
Kuttners Dank galt unter anderem dem Kölner Architektenbüro Lepel & Lepel sowie der Antoniter Siedlungsgesellschaft (ASG), eine Wohnungsbaugesellschaft des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Die ASG hat das Neubau-Projekt von Anfang an mit begleitet, beginnend mit einem Kolloquium 2006. ASG-Mitarbeitende sind seit der Ausschreibung fachlich beratend und unterstützend eingebunden. Sie kontrollierten den Entwurf, die baulichen Planungen. Zudem überprüften sie, in Zusammenarbeit mit Gemeindevertretern, die Finanzierung und Kalkulation. Und die Kooperation setzt sich fort. Denn die ASG ist im Auftrag der Gemeinde auch für die professionelle Vermarktung und Verwaltung der Wohnanlage zuständig.
Aufwertung des Viertels
„Diese sehr anspruchsvolle, schöne Immobilie trägt zur Aufwertung des Viertels bei“, sagte Michael Manthey, kaufmännischer Abteilungsleiter der ASG. „Wir haben schon jetzt mehr Anfragen, darunter etliche feste Interessenten, als Wohnungen.“ Laut Manthey, der zugleich Presbyter der Kirchengemeinde in Ehrenfeld ist, handelt es sich um „attraktiv ausgestattete, moderne, barrierefreie Wohnungen von 43 bis 150 Quadratmeter“. Die vielfältig begrünte Anlage, unter deren Innenhof sich eine Tiefgarage mit 32 Stellplätzen befindet, biete Wohnraum für Familien mit Kindern, für Alleinstehende, Menschen mit Behinderung und Senioren. Der Innenhof sei auch über einen offenen Zugang von der Vogelsanger Straße aus zu betreten. Diese Öffnung zum Hof ermögliche ebenso wie die gläserne Front des Gemeindetraktes den Blick auf die Friedenskirche. So sollen über die Architektur „funktionale und inhaltliche Beziehungen zwischen der Friedenskirche und Gemeindeeinrichtungen“ verdeutlicht und „nach außen erkennbar“ werden.
Aufgeschlossene, mitdenkende Gemeinde
„Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, dass der Bauherr zum Richtfest einlädt“, dankte der Architekt Reinhard Lepel der Gemeinde. Dank zollte er auch den Handwerkern, Bauleuten und der Bauleitung für ihre qualitativ hochwertige Arbeit. „Die Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde war und ist hervorragend und sehr konstruktiv“, berichtete Lepel von einer „sehr aufgeschlossen, mitdenkenden Gemeinde“. Man sei nicht immer einer Meinung gewesen, aber habe gemeinsam und sachlich zu sehr guten Lösungen gefunden. Zu diesen Lösungen zählt auch die Renovierung und Neukonzeption des Nachbargebäudes. Bislang diente es der Gemeinde gleichermaßen für eigene Veranstaltungen und als Adresse des Gemeinde-Kindergartens. Nach Abschluss der Arbeiten steht es dem Kindergarten, dem Familienzentrum der Gemeinde, komplett zur Verfügung.
Name eines jüdischen Berliners
Beim Richtfest, das von musikalischen Beiträgen der Kindergarten-Besuchenden begleitet wurde, begründete Kuttner auch die Wahl des Namens für das Ernst-Flatow-Haus. Der gebürtige jüdische Berliner Ernst Flatow (1887-1942) ließ sich 1913 taufen, studierte später evangelische Theologie und kam 1927 nach Köln, wo er bis 1928 in der Kirchengemeinde Ehrenfeld als Hilfsprediger fungierte. 1931 wechselte er in die Krankenseelsorge, wurde städtischer Beamter und im Juni 1933 aufgrund seiner jüdischen Herkunft entlassen. Im April 1942 wurde er ins Warschauer Ghetto verschleppt, wo er im selben Jahr beim Bau der Ghettomauer vor Entkräftung starb. An Flatow erinnern im Eingang der Friedenskirche eine Gedenktafel sowie in Ehrenfeld eine nach ihm benannte kleine Straße. Laut Kuttner unterstreiche die Evangelische Kirchengemeinde Ehrenfeld mit der Namengebung für ihr neues Gemeindezentrum, dass sie sich einsetze für ein friedliches Miteinander im Stadtteil. „Keine Ausgrenzung, nie wieder Krieg, Rassismus und Fanatismus“, formulierte der Pfarrer. „Und möge der Name uns Kraft geben, hier evangelisches Leben weiter wachsen zu lassen.“
Foto(s): Engelbert Broich