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Reformationsfeier 2004: Die Ausstellung in der Trinitatiskirche ist noch bis 4.12. zu sehen

Das biblische Bilderverbot neu bedenken
Am 31. Oktober war bei der diesjährigen, zentralen Reformationsfeier des Verbandes in der Trinitatiskirche Kunst das Thema: „Du sollst dir kein Bildnis machen – warum eigentlich nicht?“ Neu und ungewöhnlich war, dass diese Reformationsfeier mitten in einer Ausstellung stattfand – die Arbeiten von Gerd Bonfert und Leiko Ikemura waren nicht nur anlässlich des evangelischen Gottesdienstes, zu den Öffnungszeiten der ArtCologne, zu sehen, sondern können noch bis zum 4. Dezember betrachtet werden.
„In einer Zeit, die zunehmend visuell bestimmt wird, ja in der wir von Bildern regelrecht überflutet werden, ist es wichtig das biblische Bilderverbot neu in den Blick zu nehmen und in seiner Bedeutung für die heutige Zeit zu bedenken“, sagte Stadtsuperintendent in seiner Begrüßeng. Und: „Es ist eine herausragende Eigenschaft der Kunst, dass sie sich jeder Eindeutigkeit verweigert. Daher wollen auch wir die Kunst nicht vereinnahmen, sondern ernst nehmen als eine Wirklichkeit, deren Gehalt sich uns erschließen kann, wenn wir mit ihr in sinnliche Berührung kommen – aufmerksam und reflektierend.“ Dies tat Professor Dr. Wilhelm Gräb aus Berlin in seiner Predigt über Hebr. 11, 1-3. Und dies tut unser Autor Engelbert Broich, von dem die folgende Beschreibung der Ausstellung stammt.

Eigene Fragen zulassen
Ein Zitat aus Gräbs Predigt, seine Schluss-Sätze: „Werke zeitgenössischer Künstler verstören. Sie fordern zu eigenem Fragen heraus, zu eigener, schöpferischer Kreativität, manchmal auch zu einem neuen Glauben. Die Bilder der Kunst lassen die Wirklichkeit im Vorhandenen, im Sichtbaren, gerade nicht aufgehen. Sie führen auf die Spuren der Engel. Manchmal lassen sie uns Ausschau halten, suchen und fragen nach dem Gott, den keiner je gesehen, der aber gerade so, als der schöpferische Geist in allem, der Grund unserer Daseinszuversicht und unserer Hoffnung ist.“ Die gesamte Predigt von Professor Dr. Wilhelm Gräb hier.



Die Ausstellung – Ikemura und Bonfert: Bewegung und Veränderung
Mädchenhafte Frauengestalten, dazu Enten und formlose Gebilde. In verhaltener Farbigkeit und flüchtiger Manier hat Leiko Ikemura sie auf dreilagiges Pergamentpapier gezeichnet. Die geheimnisvoll anmutenden Szenen auf diesem matt transparenten Grund zeichnen sich aus durch große perspektivische Tiefe. Sie verstärkt neben der skizzenhaften Handschrift der Künstlerin die unmittelbare Wirkung der Arbeiten. Die kleinformatigen Bilder erscheinen als Momentaufnahmen, sie suggerieren Bewegung und Veränderung.

Allgemein gültige Bilder
Ikemuras Zeichnungen, die gemeinsam mit einer ihrer Skulpturen sowie Photoarbeiten von Gerd Bonfert in der Trinitatiskirche präsentiert werden, stellen keine bestimmten Personen oder Orte dar. Ebenso wenig erzählen sie Geschichten. Dennoch erwecken sie beim Betrachter in der Regel eine seltsame Vertrautheit. Ikemura lässt ihre Mädchen- und Entenfiguren einzeln oder zu mehreren auftreten. Manchmal agieren diese mit- und untereinander. Beispielsweise, wenn eine junge Frau vor einer riesigen Ente kniet oder sich einer größeren Schar widmet, wenn sie vor einer Windböe zurück weicht oder gemeinsam mit anderen über Meereswellen dahin schwebt. Dann wieder dominiert der Eindruck von Beziehungslosigkeit, von einem zufälligen Nebeneinander. Die weiblichen Gestalten sind gesichtslos und stehen lediglich als konturierte, oft deformierte Wesen auf dem Papier. Gleichwohl meinen wir, in ihren Gesten Gefühlsäußerungen wahrnehmen zu können. Mehr noch – ihre Körperhaltungen und Bewegungsformen sprechen allgemein gültige Bilder, Urbilder, in uns an.
Auch wenn einige Szenen in eine natürliche Umgebung gerückt wirken – die Schilderung von Wellen oder der immer wieder zitierte Horizont lassen darauf schließen -, sind die Bildräume unbestimmt und offen.

Ortlosigkeit der menschlichen Existenz
Ikemura spricht damit auch die „Ortlosigkeit der menschlichen Existenz“ an. Ein Thema, das mit ihrer eigenen Biographie in Verbindung gebracht werden kann: 1951 im japanischen Tsu, hundert Kilometer östlich von Osaka geboren, siedelte Ikemura 1972 nach Europa über. Spanien und Schweiz hießen ihre ersten Stationen. Seit langem wohnt sie in Köln sowie in Berlin, wo sie an der Hochschule der Künste lehrt. In Ikemuras Zeichnungen fließen Unbewusstes und Bewusstes, Gedachtes und Gesehenes, Intuition und Gekanntes, Gefühl und Ratio zusammen – verbindend und vermittelnd zwischen Zeiten, Kulturen, Schöpfungselementen…



Der Blick von innen nach außen
Eine Beschäftigung mit dem Motiv des menschlichen Körpers, mit der eigenen und fremden Existenz, dem „Innen und Aussen“, begegnet uns auch in den Schwarz/Weiß-Photografien von Gerd Bonfert. Im Altarraum hängt zentral ein überformatiges Foto seines Atelierfensters. Es ermöglicht einen Blick von innen nach außen, durch die Scheiben auf im Gegenlicht verschwimmende oder im Schatten befindliche Pflanzenblätter. Diesseits der Natur, im Innenraum, ist schemenhaft ein Rücken zu identifizieren, eine Hand, die um den Fenstergriff gelegt ist. Neben zwei „Blätter“-Diptychen, Detailvergrößerungen des Fenster-Bildes, finden sich auf der Empore zwei weitere mit einem ungleich härteren Hell/Dunkel-Kontrast.

Der fotokinetische Prozess ist real, das Abgebildete nicht unbedingt
In diesen Arbeiten „sticht“ jeweils ein strahlend heller Balken diagonal in einen tiefschwarzen, unbestimmten Raum hinein, in dem jeweils Bonferts eigener nackter Körper bzw. Fragmente dessen erkennbar sind. „Es gibt bei ihm keine Retusche, noch eine digitale Bildbearbeitung. Körperpartien werden mit einer künstlichen Lichtquelle vor der Kamera in die abzulichtende Raumszene hinein modelliert“, erläuterte Kurator Erich Witschke. Der Kölner Künstler „misstraut der Fotografie, die nur Äußeres, real Vorhandenes ablichtet. Um wieviel weniger ist im digitalen Zeitalter der Fotografie zu trauen“, stellte Witschke fest. „Folglich hat Bonfert fotografische Bilder geschaffen, die vor der abzulichtenden, realen Welt bereits in der Welt der Idee da sind, und die er in dem fotokinetischen Prozess, den er ´plastische Photografie´ nennt, sichtbar werden lässt.“

Geöffnet ist die Ausstellung in der Trinitatiskirche, Filzengraben 4, bis 4. Dezember: dienstags bis freitags von 16 bis 18, samstags von 13 bis 15 Uhr.

Text: Engelbert Broich/AL
Foto(s): Engelbert Broich