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Rede von Helga Blümel, Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Köln und Region, anlässlich der Demonstration gegen KiBiz

Kibiz ist ein Kuckucksei!

Liebe Eltern, liebe Erzieherinnen und Erzieher, liebe Kinder, liebe Verantwortliche in Köln für Kinder- und Jugendhilfe, liebe interessierte Besucherinnen und Besucher unserer Veranstaltung,

als aus dem GTK- dem Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder – das Kibiz – das Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern – werden sollte, hatten wir als Kirche und Diakonie sehr auf ein Küken gehofft, das in unser Nest passt.

Ist doch der Kiebitz ein Vogel, der uns lautstark den Frühling ankündigt. Er ist lebhaft und laut und verteidigt seine Brut vehement.
Er ist viel unterwegs in halb Europa und Afrika als Teilzieher und somit weltoffen.
Ganz untypisch ist allerdings, dass Kiebitze Kuckuckseier legen – es kann ihnen eigentlich nicht mal eins untergeschoben werden – sie sind nämlich Bodenbrüter.
Versprochen wurde uns :

Ø Mehr frühe Bildung,
Ø mehr Sprachförderung,
Ø mehr Plätze für Unter-3-jährige,
Ø bessere Unterstützung von Familien,
Ø 7500 neue Stellen,
Ø 150 Millionen mehr und
Ø die Absenkung des Eigenanteils der Kirchen an der Finanzierung einer Kita von 20 % auf 12 %.

Darum haben wir uns als Wohlfahrtsverbände auf einen 1 ¼ jährigen Verhandlungsmarathon mit dem Ministerium eingelassen, um gemeinsam Eckpunkte für das neue Gesetz zu erarbeiten.
So wurde im Frühjahr 2007 ein Kompromiss erreicht – ein Konsens.
Alle hatten Federn gelassen – aber alle konnten damit leben.

Nun kennen wir den Regierungsentwurf, der am 24. Juni ins Parlament eingebracht wurde!

Hier ist von dem Kompromiss nichts mehr vorhanden – 1 ¼ Jahre waren überflüssig. Im Gesetzentwurf findet sich nur noch die Meinung des Ministeriums wieder.

Dieses will in den Kitas die Kinder einzeln fördern – wir wollen die Förderung der Gruppe. Kopf-Pauschale gegen Gruppen-Pauschale.

Der „Arbeitsentwurf für eine Verfahrensordnung“ – da werden die Details geregelt – sieht eine Kontingentierung von Öffnungszeiten pro Kita vor von 25, 35 und 45 Std. pro Woche.

So schlüpft aus dem Ei im Nest kein Kibiz-Küken,
sondern doch ein Kuckuck.

Durch Pro-Kopf-Pauschale und individuelle Buchungszeiten durch die Eltern gibt es für die Kitas keine kontinuierliche Finanzierung – sie steigt und sinkt im jährlichen Rhythmus, wenn Kinder ab- und angemeldet werden.
So hat der Träger keine finanzielle Sicherheit und kann – wenn er keine zusätzlichen Geldquellen hat – qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher nicht unbefristet einstellen in ausreichender Zahl.

Er muss sich den Rücken freihalten und befristet einstellen, auf Honorarbasis zusätzlich beschäftigen und in den Morgen- und Abendstunden (wenn weniger Kinder anwesend sind) mit geringer bezahltem Personal arbeiten.
Das wird sich schnell und deutlich auswirken auf die Qualität.

Der Kibiz verspricht „Mehr frühe Bildung“ –
der Kuckuck bringt schlechter ausgebildetes Personal und wechselnde Bezugspersonen für die Kinder.

Der Kibiz verspricht 1500 neue Stellen.
Der Kuckuck bringt Unsicherheit beim
Erhalt von Stellen in die Kitas.

Der Regierungsentwurf sieht Elternbeiträge von 19% vor, die nicht durch die Kommunen reduziert werden dürfen.

Da kann Kinderbetreuung für Eltern teuer werden.
Je nachdem, wie die Stadt Köln die Elternbeiträge staffeln wird – erst recht, wenn mehrere Kinder die Kita besuchen.

Der Kibiz verspricht
bessere Unterstützung von Familien –
der Kuckuck bringt höhere Elternbeiträge.

Die höheren Elternbeiträge können zum einen dazu führen, dass die, die aufs Geld achten müssen, nur noch die Mindestzeit von 25 Std. buchen.

Zum anderen muss man damit rechnen, dass Eltern, die gestaltungsfähig sind, neben der Kita andere, billigere Modelle der Kinderbetreuung entwickeln.

Da beschert der Kuckuck dann
die 2-Klassen-Früherziehung gleich hinterher.

Der Kibiz verspricht 150 Millionen mehr
für „frühe Bildung“.
Der Kuckuck verrät, dass in den vergangenen Jahren 156 Millionen abgebaut wurden
und aus dem nun zugesetzten Geld noch Tagespflege,
zusätzliche Sprachförderung und
der Ausbau der Familienzentren
finanziert werden soll.

Im Oktober soll das Kibiz im Landtag NRW verabschiedet werden.
Zum 01.01.2008 soll es in Kraft treten und Wirkung haben zum neuen Kindergartenjahr.
Wir fordern heute, den Regierungsentwurf noch zu verändern:

Ø Wir brauchen Gruppenpauschalen und keine Pro-Kopf-Pauschalen,
Ø Eltern brauchen gruppenbezogene und bedarfsgerechte Öffnungszeiten
Ø Keine kindbezogenen und kontingentierten Öffnungszeiten
Ø Elternbeiträge dürfen nicht de facto erhöht werden.

Kinder sind unser größter Schatz!
Sie brauchen verlässliche Erwachsende, gute Förderbedingungen, altersgemäße Bildung ….
Ø und gute Gesetze.

Darum: So nicht – sonst machen wir die Kita dicht!

Text: Helga Blümel
Foto(s): Stefan Rahmann