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Protestversammlung zum Schutz des Bürgerfunks: Neben vielen anderen sprach auch Alt-Präses Manfred Kock. Appelle und Hintergründe.

„Diese Protestversammlung zum Schutz des Bürgerfunks ist dringend nötig. Denn die Pläne zur Änderung der Rahmenbedingungen des Bürgerfunks drohen, die seit 16 Jahren bewährte Arbeit zu zerstören“, sagte Manfred Kock, Präses im Ruhestand, im März 2007 auf der zentralen Protestveranstaltung zum Erhalt des Bürgerfunks auf dem Kölner Roncalliplatz, wo er neben zahlreichen anderen Befürwortern – etwa Hannelore Bartscherer, der Vorsitzenden des Katholikenausschusses Köln – dieser in Nordrhein-Westfalen einzigartigen Form des Rundfunks sprach.


Unbedingt erhaltenswert: Die „Teilhabe an Demokratie im lokalen Umfeld“
Hintergrund: Die „Arbeitsgemeinschaft Bürgerfunk in Köln“, der Landesverband Bürgerfunk in NRW e.V. und der Interessenverein gemeinnütziger Rundfunk in NRW e.V. mit den in ihnen organisierten Radiowerkstätten hatten zum Protest gegen die Novelle des Landesmediengesetzes NRW aufgerufen. Die Veranstaltung richtete sich gegen den geplanten Abbau von in 16 Jahren gewachsenen Strukturen des Bürgerfunks im Lokalfunk. „Damit verschwindet für den Bürger die einzige und letzte Teilhabe an Demokratie im lokalen Umfeld“, formulierten die Veranstalter im Vorfeld der Protestveranstaltung. Die Planung: Sendezeiten für den Bürgerfunk sollen reduziert werden. Bisher beträgt sie 15 Prozent des Sendevolumens der Privatsender, die Regierung erwägt eine Halbierung. Während die Bürgerfunksendungen bisher um 19 Uhr beginnen, sollen sie nach der Novellierung in die späten Abendstunden nach 22 Uhr verlegt werden. Darüber hinaus befürchten die „Bürgerfunker“ Formatvorgaben für ihre Sendungen, damit diese besser in das Sendeschema der Privatradios passen.

Bundesweit einzigartig
Eine wichtige Information ist natürlich auch, dass dieses „Modell Bürgerfunk“ in Nordrhein-Westfalen bundesweit einzigartig ist. Die Initiatoren wollten örtliches Radio nicht nur von Journalisten anbieten, sondern 15 Prozent der lokalen Sendezeit denen zur Verfügung zu stellen, die sonst nur zuhören dürfen. Die Erfinder des Bürgerfunks haben vor gut fünfzehn Jahren dieses Konzept beschlossen, „um Vielfalt nicht wie andernorts durch viele Kommerzsender, sondern binnenplural auf einer Welle zu ermöglichen“, so Leonore Kampe, Studienleiterin für Kommunikation und Medien der evangelischen Melanchthon-Akademie. Gerade in Köln nutzten zahlreiche Radiowerkstätten die Chance, wöchentlich viele Stunden mit einem Programm von Bürgern für Bürger zu erstellen. Von Anfang an gehört die Evangelische Radiowerkstatt des StudioECK e.V. (= Evangelische Christen in Köln) mit dazu.

Evangelische Kirche hat das Projekt von Anfang an unterstützt
Manfred Kock war von Anfang an mit dabei, darum war sein Redebeitrag auf dem Roncalliplatz auch ein Zeitzeugnis: „Ich spreche hier, weil ich bei den Anfängen an der Diskussion beteiligt war. Wir von der Evangelischen Kirche haben das Projekt unterstützt und an seiner Ausgestaltung mitgewirkt. Bei der Zulassung des privaten Rundfunks galt es als ein Hauptanreiz, Menschen, vor allem jungen Menschen, die Kompetenzen zu vermitteln, mit Medien verantwortlich umzugehen. Der Bürgerfunk wurde von allen damals beteiligten Parteien in Regierung und Opposition als ein wichtiges Mittel der Teilhabe an Demokratie angesehen. Denn: Vor allem junge Menschen lassen sich am besten für die Demokratie interessieren, wenn sie in nahe liegenden, überschaubaren Bereichen kritisch und aufmerksam beobachten und mitarbeiten lernen.“

StudioECK in Köln
Was das anging, war der Evangelische Kirchenverband Köln und Region in der Tat immer mit an erster Stelle: In Köln produzieren Radiowerkstätten von Anfang an Sendungen, die täglich am frühen Abend bei Radio Köln zu hören sind. Joachim Ziefle von der Melanchthon-Akademie ist verantwortlich für den evangelischen Beitrag zum Bürgerfunk. Er leitet das Studio ECK der Akademie und betont: „Wir arbeiten vor allem mit evangelischen Jugendgruppen und Schulklassen.“

„Wirtschaft bedarf auch ethischer Verantwortung“
Doch Kock betonte noch einen weiteren Aspekt: „Freilich der Privatfunk ist ein Wirtschaftsfaktor. Erdient den Betreibern zum Gelderwerb. Aber Wirtschaft bedarf auch ethischer Verantwortung für die Gesellschaft. Wer die Sendezeiten des Bürgerfunks völlig an den Rand drängt, wer die Sendezeiten weiter beschneidet, handelt unverantwortlich. Denn ein bewährtes Mittel der demokratischen Mitwirkung würde bedeutungslos und vielleicht verloren gehen. Die Sendezeiten in den Mondschein zu verdrängen, kann ja nicht mit wirtschaftlicher Notwendigkeit erklärt werden. Die Sendungen sind nicht schlechter als vieles, was professionell alltäglich produziert und gesendet wird. Ich fürchte, die vielleicht die Senderorganisation erleichternde Verdrängung des besonderen Genres Bürgerfunk wird sich letztlich auch wirtschaftlich zum Nachteil der Veranstalter auswirken. „

Kompetenz fördern helfen
Und dann stellte Kock den neuen Gesetzesentwurf prinzipiell in Frage: „Der neue Gesetzentwurf gibt vor, die Medienkompetenz solle gefördert werden. Ich vermag diese gute Absicht nicht zu erkennen. Denn das bewährte Lernfeld Bürgerfunk wird zur gleichen Zeit geschwächt und zerstört. Es soll bei der Vermittlung der Medienkompetenz keine Rolle mehr spielen. Dabei haben doch gerade die Initiatoren und Träger des Bürgerfunks mit eigener, professioneller Hilfe dem Instrument Bürgerfunk zu solcher Kompetenz verholfen: Zahlreiche Seminare und Kurse haben in Sprecherziehung, Interviewkultur und anderen Bereichen Gutes geleistet. Der vor 16 Jahren proklamierte Ansatz hat sich bewährt“, sagte Kock am Ende seiner Rede – sicher auch mit Blick auf die evangelische Melanchthon-Akademie, die zahlreiche Kurse in den erwähnten Bereichen anbietet.

Appell
Kock schloss mit einem Appell an die Verantwortlichen: „Lassen Sie dem Bürgerfunk seine bisherigen Rahmenbedingungen! Erkennen Sie die Demokratie fördernde Arbeit des Bürgerfunks an! Erhalten Sie den Bürgerfunk als ein Mittel gesellschaftlicher Teilhabe!“

Promis
Der Bürgerfunk hat außerdem zahlreiche prominente „Fans“, die ebenfalls bei der Protestversammlung auf dem Roncalliplatz auftraten:
– Wilfried Schmickler / Kabarettist
– Gerd Köster & Frank Hocker / Kölsche Krätzchen
– Rolly Brings / Kölner Liedermacher
– Klaus der Geiger / Kölner Straßenmusiker
– Heinrich Pachl / Kabarettist (u. A. inaktives Bürgerfunkmitglied beim FloK)
– Magic Street Voices / Kölner Singer/Songwriter (u. A. aktive Bürgerfunker)
– Andrea Eberl / Deutsch Pop (u. A. aktive Bürgerfunkerin)
– SIMPLE NERGY – Musiker/Sänger/DJ’s und Produzenten
– Thomas & Speedy /Bürgerfunklied, (u. A. aktive Bürgerfunker)
„Inzwischen haben rund 18.000 Bürger/innen den Protestaufruf der NRW-Bürgerfunkwerkstätten unterschrieben, darunter auch weitere Prominente wie zum Beispiel Richard Rogler, Kabarettist (Scheibenwischer), Sakir Bilgin (Autor), aber auch die „6 Richtije“ ( Kölsche Mundartgruppe )“, meldet die Gewerkschaft für Bürgermedien im nordrheinwestfälischen DGB.

Text: Pressestelle
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