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Professor Josef Wohlmuth, ehemaliger Student des heutigen Papstes, wagte Prognosen zur Ökumene

Es gibt keinen Anlass für allzu große Hoffnungen. Für übertriebenen Pessimismus aber auch nicht. „Joseph Ratzinger als Theologe und die Ökumene“ lautete der Titel des Vortrags von Professor Dr. Josef Wohlmuth in der Melanchthon-Akademie. Wohlmuth, katholischer Pfarrer und Leiter des Cusanuswerks, war bis 2003 Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Universität Bonn. Er hat Ende der sechziger Jahre bei Ratzinger in Tübingen studiert und stellt dem jetzigen Papst Benedikt XVI. ein gutes Zeugnis aus, was seine Bemühungen um die Ökumene angeht. Er unterstellte dem Pontifex gar, dass der „die innerkirchliche Ökumene mit Leidenschaft weiterverfolgen und sich dabei von der Überzeugung tragen lassen werde, dass die Einheit der Kirche trotz aller Spaltungen nie völlig verloren ging und Spaltungen nicht nur negativ gesehen werden müssten“.


Klare Absage Ratzingers an „Rückkehrökumene“
Der so genannten „Rückkehrökumene“ habe Benedikt XVI. beim Weltjugendtag eine klare Absage erteilt. Es könne also nicht darum gehen, dass man von den Protestanten beispielsweise verlange, den Papst anzuerkennen. Ebenso wenig sei daran gedacht, von den Orthodoxen zu fordern, das Unfehlbarkeitsdogma zu akzeptieren. Ratzinger habe, so Wohlmuth, in all seinen Schriften klar gemacht, dass es in ökumenischen Gesprächen niemals darum gehen dürfe,  Maximalforderungen zu erheben. „Einheit durch Vielfalt“ habe sich Benedikt XVI. in all seinen Schriften als Theologe zum Thema Ökumene auf die Fahnen geschrieben. Dies komme klar zum Ausdruck in einem 2002 neu veröffentlichten Aufsatz von 1995 „Zur Lage der Ökumene“. Dort heißt es: „Glaube muss eine ständige Erziehung zur Liebe, zur Ehrfurcht vor dem Glauben des anderen, zur Toleranz, zur Zusammenarbeit in der Verschiedenheit, zum Verzicht, zur aktiven Friedensbereitschaft sein.“ Im Übrigen stelle sich Gemeinsamkeit her über die Bibel – jenseits aller institutionellen Fragen.


Orthodoxe hatten sich enttäuscht von Rom abgewandt
In der Beziehung zur orthodoxen Ostkirche habe Ratzinger als Theologe über die Jahrzehnte geraten, sich an das erste Jahrtausend nach Christus zu erinnern, als man sich noch einig gewesen sei, so Wohlmuth. Von oben verordnet werden kann die Ökumene nach Ratzingers Meinung sowieso nicht. „Da ziehen die Gläubigen vor Ort nicht mit“, erklärt Wohmuth und zieht als Beispiel den Versuch im 15. Jahrhundert heran. Damals sei die Ostkirche auf Rom zugegangen und habe die Vereinigung mit großer Intensität angestrebt. 1439 habe man die Einheit auf einem Konzil in Florenz tatsächlich beschlossen, aber kurze Zeit später hätten sich die Orthodoxen tief enttäuscht wieder von Rom abgewandt, weil der Westen beim Fall von Konstantinopel 1453 nicht eingegriffen hätte. Auch solche „uralten“ Befindlichkeiten stünden der Ökumene entgegen.


Papst wird großzügig in Einzelfällen entscheiden
Wohlmuth hat in der jüngsten Zeit viele Texte Ratzingers zur Ökumene aus den vergangenen Jahrzehnten noch einmal gelesen und wagt eine Prognose: „Papst Benedikt XVI. wird voraussichtlich skeptisch gegenüber einer Ökumene der pragmatisch-schnellen Lösungen bleiben und für eine Ökumene gemeinsamer Glaubensvertiefung und somit für eine Ökumene der Entschleunigung eintreten.“ Wohlmuth vermutet aber auch, dass der Papst großzügig in Einzelfällen entscheiden wird, auf der Ebene der Großkirchen aber eher zurückhaltend. Als Beispiel für die Großzügigkeit nannte Wohlmuth die Messe, in der Ratzinger als Kardinal Frere Roger, dem Prior von Taize, in aller Öffentlichkeit die Eucharistie gereicht habe, obwohl der Prior nicht der katholischen Kirche angehörte.

            

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann