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Preiswert einkaufen oder Gebrauchtes zwei Sozialkaufhäusern spenden

Marianne W. braucht eine Winterjacke für ihren dreijährigen Sohn. Strapazierfähig soll sie sein und warm halten. Sie darf aber nicht viel kosten, denn die alleinerziehende Mutter bezieht Hartz IV und hat eigentlich kein Geld mehr für Winterkleidung übrig. Im Erdgeschoss des Kaufhauses findet sie eine Auswahl an Kinderbekleidung. Die erste Jacke passt, sowohl in der Größe als auch vom Preis: 6,99 Euro – und mit der Kundenkarte Faircard zahlt sie sogar noch 30 Prozent weniger.

Bereits seit 2008 existiert das Kaufhaus Kalk in Köln auf der Kalker Hauptstraße 177. Auf zwei Stockwerken werden dort gut erhaltene Kleidung, Spielzeug oder neuwertige Haushaltswaren zu einem fairen Preis verkauft. Und seit Mitte Dezember 2010 gibt es nach dem gleichen Konzept einen weiteren „fairstore“ der Diakonie Michaselshoven in Köln-Nippes
Dieses Kaufhaus in der Sechzigstraße 5-11 bietet ebenfalls Kleidung, Haushaltswaren und Elektroartikel zu fairen Preisen an: Auf 360 qm Verkaufsfläche werden neue und gebrauchte Damen-, Herren-, Kinderbekleidung, Schuhe, Haushaltswaren, Bücher, Spiele und Kinderspielzeug angeboten. Verkauft werden Markenartikel aus Firmen- und Privatspenden wie aus Restposten. „Der fairstore bietet hochwertige Produkte, die auch mit kleinem Geldbeutel bezahlbar sind. Jeder Kunde ist willkommen. Menschen mit geringem Einkommen können unsere „faircard 30“ beantragen und erhalten bis zu 30% Rabatt auf die schon günstigen Preise, sagt Frank Gottwald, Geschäftsführer in Nippes. In Nippes gibt es auch Elektrogeräte – die sind allerdings vom Preisnachlass mit der Faircard ausgeschlossen.

Für beide Kaufhäuser gilt: Jedes einzelne Produkt wird auf Qualität geprüft und
kommt in ordentlichem Zustand in den Verkauf. „Das Kaufhaus Kalk soll sich von
einem üblichen Kaufhaus möglichst nicht unterscheiden“, sagt Maja Stenger, Sozialarbeiterin.
In Kalk lassen sich bereits erste Erfolgszahlen nennen: Täglich kaufen an die 180 Kunden ein, in der Weihnachtssaison waren es deutlich mehr. Es gibt auch viele Stammkunden, die sich
hier einkleiden oder nach notwendigen Haushaltswaren Ausschau halten. Über 70 Prozent der Käufer kommen aus Kalk und den angrenzenden Stadtteilen.

Einw weiteres Plus ist die „Faircard“: Mit ihr gibt es für Geringverdiener und Hartz-IV-Empfänger 30 Prozent Rabatt auf den gesamten Einkauf. Fast 4.000 Kunden besaßen sie bereits Ende 2010, und jeden Monat beantragen durchschnittlich 100 neue Kunden die Karte. „Seit August 2010 gewähren zwölf Händler hier auf der Kalker Einkaufsstraße unseren Faircard-Kunden
weitere attraktive Rabatte“, ergänzt Maja Stenger. Ob es eine solche Entwicklung auch in Nippes geben wird, bleibt abzuwarten.

Doch jetzt zu denken, diese „fairstores“ seien nur etwas für gut verdienende Kundinnen und Kunden, wäre falsch: Es kommen in beide Geschäfte auch regelmäßig gut verdienende Kunden, die nach einem Schnäppchen suchen.
Auch Menschen, die gar nichts kaufen wollen, sondern im Gegenteil etwas loswerden möchten, sind in beiden Geschäften gern gesehen: Spenden von gut erhaltenen Waren werden gern entgegen genommen, immer wieder besonders benötigte Waren sind: Kinder- und Teenagerkleidung, Spielzeug und Herrenbekleidung. In Kalk können sich Firmen, die spenden möchten oder eine Mitarbeitersammelaktion planen, an Maja Stenger, Telefon 0221/16 88 99 99 oder Mail m.stenger@diakoniemichaelshoven wenden. Einzelspenden können Montag bis Freitag zwischen 9 und 16 Uhr im Lager an der Dillenburger Straße 65 abgeben wetrden.

Doch es geht in einem Sozialkaufhaus um mehr als nur um das Kaufen oder Verkaufen: Einige der Kunden haben dringenden Gesprächsbedarf. „Da ist zum Beispiel eine ältere Dame, die die Kleider ihres verstorbenen Mannes spendet. Da muss man sich die Zeit nehmen und zuhören“, sagt Karin Dammbrück, die im Kalker Kaufhaus arbneitet. „Es geht dabei weniger um eine Verkaufsberatung, sondern um die Aufmerksamkeit, die wir den Kunden schenken“, fügt sie hinzu. Und das können auch unterstützende Hilfen sein, wie das Ausfüllen des Antrags für die „Faircard“. Bei den Gesprächen geht es oft um familiäre Auseinandersetzungen oder auch um finanzielle Probleme, wenn die Kunden erzählen, dass sie demnächst mit weniger Geld auskommen müssen. Wie die Kundinnen und Kunden, haben auch einige Mitarbeitende einen Migrationshintergrund. Sie sprechen Türkisch, Russisch, Italienisch und Französisch.
Die meisten Menschen, die in en Sozialkaufhäusern arbeiten, waren selber lange Zeit arbeitslos oder aufgrund körperlicher oder psychischer Beeinträchtigungen schwer vermittelbar.
So fungieren die Sozialkaufhäuser auch als Beschäftigungsprojekte mit geförderten Arbeitsplätzen. „Es ist interessant, die Entwicklungen zu sehen“, sagt Maja Stenger mit Blick auf das Kalker Kaufhaus. „Es ist ein starkes Team, das hier zusammenarbeitet. Das liegt zum einen daran, dass die Mitarbeiter hier eine sinnvolle Tätigkeit ausüben und eine Tagesstruktur
erhalten“, berichtet sie, „zum anderen lernen sie aber auch schnell, Verantwortung zu übernehmen.“

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