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Präses Schneider im epd-Interview: „Glaube und Weltverantwortung prägen den Kirchentag“

Globalisierung, Ökumene und Islam sind nach den Worten von Nikolaus Schneider zentrale Themen des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentages vom 6. bis 10. Juni in Köln. Die Verbindung von Glauben und Weltverantwortung werde das Protestantentreffen prägen, sagte der Präses der gastgebenden rheinischen Landeskirche im epd-Interview in Düsseldorf. Ingo Lehnick sprach mit dem 59-jährigen Theologen auch über Besonderheiten des Kölner Kirchentages und persönliche Erwartungen.

epd: Welche Botschaft wird vom Kirchentag ausgehen?
Schneider: Die Botschaften entstehen erst im Verlauf von Kirchentagen. Sicherlich wird aber der Zusammenhang von Wahrung der Menschenwürde und den Lebensbedingungen auf diesem Planeten eine wesentliche Rolle spielen – nicht zuletzt mit Blick auf den G-8-Gipfel, der nahezu zeitgleich in Heiligendamm stattfindet. Zum Kirchentag gibt es auch einen internationalen Vorkongress unter der Überschrift „Die Macht der Würde“.

epd: Von „Macht der Würde“ ist mit Blick auf den Kirchentag viel die Rede, lautet so das heimliche Kirchentags-Motto? Offizielles Leitwort ist ja „Lebendig und kräftig und schärfer“.
Schneider: Beides passt sehr gut zusammen. Die Würde wird zwar verletzt und geschunden, sie kann aber keinem Menschen genommen werden, weil sie ihm von Gott gegeben wird. Diese Erkenntnis geht unmittelbar aus dem Wort Gottes hervor, das „lebendig und kräftig und schärfer“ ist. Spannend wird sein, ob es gelingt, aus dem Kirchentag heraus eine Botschaft zu formulieren, die öffentlich gehört wird und sich durchsetzt. Wir haben die feste Absicht, eine solche Botschaft in Richtung Heiligendamm auf den Weg zu bringen. Die Themen des G-8-Gipfels werden auch auf dem Kirchentag eine Rolle spielen. Es geht um das Erreichen der Millenniumsziele, vor allem um die Verringerung der Armut und soziale Mindeststandards. Aber auch der Mensch als Einzelner wird in den Fokus kommen. Der Kirchentag verbindet geistliches Leben mit gesellschaftlicher und politischer Wirkung.

epd: Gibt es auf dem Kirchentag weitere politische Hauptthemen neben der Globalisierung?
Schneider: Die Bewahrung der Schöpfung, nicht zuletzt die Klima-Frage, werden uns beschäftigen. Gott hat nach der Sintflut versprochen: Ich zerstöre diese Welt nicht mehr. Aber wir Menschen sind zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte dazu in der Lage und im Augenblick auch auf dem Weg, unsere eigenen Lebensbedingungen zu zerstören. Dazu kann und wird der Kirchentag nicht schweigen.

epd: Wird Heiligendamm in der öffentlichen Wahrnehmung Köln den Rang ablaufen?
Schneider: Die Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf, über beides informiert zu werden, die Medien müssen also beides zu ihrem Recht bringen. Wir werden von Köln aus auch Botschaften in Richtung Heiligendamm verlesen und den G-8-Beratungen ein Abendgebet widmen. Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag versammeln sich zwar nicht die Mächtigen der Welt. Dafür bietet er aber ein reichhaltiges inhaltliches Programm – und vor allem jeden Tag die Beteiligung von mehr als 100.000 Menschen. Sie kaufen eine Karte und sind dabei, in Heiligendamm kommen Sie dagegen allenfalls bis zum Sperrzaun.

epd: Welche Rolle wird die Ökumene spielen?
Schneider: Es wird eine Ökumene sein, wie es sie noch nie gegeben hat: Wir werden ökumenischen Alltag der Kölner Gemeinden erleben. Katholische Gemeinden beteiligen sich ganz selbstverständlich am Evangelischen Kirchentag, öffnen ihre Gemeindehäuser und Kirchen. Der Kirchentag könnte in dieser Form gar nicht ohne unsere katholischen Geschwister stattfinden.

epd: Und inhaltlich?
Schneider: Es hat noch nie so viele ökumenische Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie Verantwortliche auf einem Evangelischen Kirchentag gegeben wie in Köln. Auch im Programm kommt viel Ökumene vor, angefangen beim ökumenischen Brückenweg bis hin zu einer gemeinsamen Bibelarbeit und einem ökumenischen Gottesdienst von Kardinal Meisner und mir im Dom.

epd: Wird das Abendmahl wieder ein Streitthema werden?
Schneider: Nein, weder theologisch noch im Hinblick auf die Mahlfeier selbst. Wir sind in der Diskussion mit Rom an einem interessanten Punkt im Zusammenhang mit der Tauferklärung: Wenn wir das Sakrament der Taufe gegenseitig so anerkennen, als wäre es das eigene, dann muss man fragen: Ist eine Übertragung auf die Abendmahlsdebatte möglich? Bei der Abendmahlsfeier im Schlussgottesdienst werden wir uns übrigens viel Mühe geben, dass es in einer würdigen Weise gefeiert wird. Es wird rund hundert von Ordinierten geleitete Teams geben, die das Abendmahl austeilen, um die Anonymität der Masse zu überwinden.

epd: Noch auf keinem Kirchentag waren so viele muslimische Vertreter. Wird das künftig immer so sein?
Schneider: Das ist eine Besonderheit von Köln, einem der Zentren der Muslime in Deutschland. Es ist gut, dass der Kirchentag das Thema Islam hier so breit aufgreift. Wenn der Anteil der Muslime an der Bevölkerung wächst, dann ist die Integration dieser Menschen entscheidend. Dies ist eine Frage des Alltags, der Ethik, des gegenseitigen Verständnisses und des Respektierens der Grundlagen unseres Landes.
Der christliche-islamische Dialog hat eine neue Qualität, auch weil wir theologisch vom Islam viel mehr wissen als vor zehn Jahren. Auf dem Kirchentag wird es auch Gespräche zwischen Geistlichen aus dem Judentum und dem Islam zur Frage des Zusammenlebens in Israel und Palästina geben.

epd: Die EKD-Haltung zum Islam wird derzeit eher als Abgrenzung wahrgenommen.
Schneider: Die EKD-Schrift „Klarheit und gute Nachbarschaft“ passt gut in eine Zeit, in der wir von einer Ökumene der Profile sprechen. Nur wer weiß, wer er selber ist, kann auch mit anderen fundiert reden. Nur wer seiner Identität gewiss ist, kann auch gelassen und tolerant sein. Es wäre ein Missverständnis, wenn die EKD-Schrift als Abgrenzung verstanden würde. Sie will ermutigen, die Realität nüchtern zu betrachten und aus der eigenen Bindung heraus auf andere zuzugehen.

epd: Die evangelische Kirche streitet über gerechte Sprache in der Bibel und im Gottesdienst. Welche Sprache wird auf dem Kirchentag verwendet?
Schneider: Die Lutherübersetzung wird für die Liturgien eine herausragende Rolle spielen. Aber ich bin sicher, dass auch die Bibel in gerechter Sprache in Gottesdiensten und Feiern zur Sprache gebracht wird – in der Auslegung, wo sie neue Horizonte öffnet. Die kontroverse Debatte wird natürlich auf dem Kirchentag intensiv geführt werden. Die Impulse zur Bibel in gerechter Sprache kamen ja aus dem Kirchentag. In dieser Tradition stehen auch die speziellen Übersetzungen für Köln, im Programm stehen sie neben dem Luther-Text.

epd: Was unterscheidet den Kirchentag in Köln von dem in Hannover?
Schneider: Der Kölner Kirchentag wird sehr kompakt sein, das ermöglicht ein großes Gemeinschaftserlebnis: Es gibt keine langen Wege, die meisten Veranstaltungsorte sind schnell zu Fuß erreichbar. Dann die Rolle der Ökumene – das Bild der Stadt ist ja stark vom Dom geprägt. Schließlich wird die Verbindung von Glauben und Weltverantwortung den Kirchentag intensiv prägen.

epd: Gibt es Kirchentags-Premieren?
Schneider: Das Zentrum Liebe – ein rheinisches Projekt – hat es dieser Form bisher noch nicht gegeben. Neu ist auch das internationale Jugendcamp, das schon einige Tage vor dem Kirchentag beginnt. Im Zentrum Kinder, das in Hannover Premiere hatte, setzen wir einen spirituellen Schwerpunkt. So gibt es einen Raum des Lichts und der Stille speziell für Kinder – übrigens in der katholischen Kirche Groß St. Martin.

epd: Was erhoffen Sie sich persönlich vom Kirchentag?
Schneider: Was sich mit der Kirchentagslosung verbindet: neue geistliche Kraft und Ermutigung.

epd: Was bringt der Kirchentag den rheinischen Gemeinden?
Schneider: Ich denke, dass die Impulse des Kirchentages das Leben in unseren knapp 800 Gemeinden nachhaltig stärken werden.

Text: epd-west
Foto(s): EKiR