2017 begeht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) den 500. Jahrestag der Reformation. In der Vorbereitung der Feiern habe die rheinische Landeskirche von Anfang an auch die Ökumene im Blick, stellte Manfred Rekowski nun in Köln-Rondorf fest.
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) sprach in der katholischen Kirche Heilige Drei Könige über „Ökumenische Annäherungen an das Reformationsjubiläum. Was wir gemeinsam feiern können“. Der höchste Repräsentant der zweitgrößten EKD-Gliedkirche folgte damit einer gemeinsamen Einladung der katholischen Kirchengemeinde Heilige Drei Könige Köln, der evangelischen Kirchengemeinden Rondorf und Brühl sowie deren ökumenischen Arbeitskreisen.
Sichtbar ökumenische Akzente setzen
„Wir wollen keine historisch gewachsene Spaltung vertiefen. Wir wollen sichtbar ökumenische Akzente setzen“, betonte der 56-Jährige vor über hundert Besuchenden. Das bedeute, die katholische und andere christliche Kirchen an Veranstaltungen in der Vorbereitung des Jubiläumsjahres und in 2017 selbst zu beteiligen. „Für mich gehört auch dazu der 21. November“, so Rekowski. Am 21. November 1964 verlas Papst Paul VI. das vom Zweiten Vatikanischen Konzil beschlossene Ökumenismusdekret.
Vorbereitung auf die Zukunft
Günther Stein, Pfarrvikar der Gemeinde Heilige Drei Könige, drückte in seiner Begrüßung seine Freude über den Besuch des Präses aus: „Wir kennen uns gut.“ Beide waren lange in Wuppertal tätig. Stein als Pfarrer in zwei katholischen Gemeinden und Dechant des Dekanates Barmen. Rekowski als Gemeindepfarrer und Superintendent. „Wir haben so manches ökumenische Fass aufgemacht“, resümierte Stein. Doch Rekowski sei heute nicht hier aus nostalgischen Gründen, „sondern um uns auf die Zukunft vorzubereiten. Auf das Reformationsjubiläum, das wir gemeinsam feiern wollen.“
Im ökumenischen Fußballteam gespielt
Zunächst aber brachte Ralf Rick auf Anregung von Dr. Thomas Hübner, Pfarrer an der evangelischen Emmanuelkirche in Rondorf, eine ökumenisch-musikalische Note in den Abend. Der Kirchenmusiker der Pfarrgemeinde interpretierte die von dem katholischen Komponisten Max Reger verfasste Bearbeitung des protestantischen Chorals „Ein feste Burg ist unser Gott“. In seiner Einleitung rief Rekowski unter anderem Begegnungen mit Günther Stein und sehr fruchtbare ökumenische Kooperationen in Wuppertal in Erinnerung. Man habe gemeinsame Gottesdienste gefeiert, eine ökumenisches Hospiz-Stiftung gegründet, auch in einem ökumenischen Fußballteam gespielt. Man sei gemeinsam für die Stadt da gewesen.
„Wie wir mit der Bibel umgehen.“
„Wir wollen missionarische Volkskirche sein“, wies der Theologe auf einen wichtigen von der EKiR formulierten Punkt hin. „Wir wollen unsere Kirche als gesellschaftsprägende Kraft in Politik, Wirtschaft und Kultur einbringen“ – unter bewusster Einbeziehung der ökumenischer Fragestellung. Für die Kirche des Wortes sei in besonderer Weise die ökumenisch verbindende Frage wichtig, „wie wir mit der Bibel umgehen“. Rekowski sprach davon, dass Luther die Welt des Berufs, des Alltags „wiederentdeckt“ habe. Die vom Reformator geforderte Wertschätzung Gottes im Alltag bekomme zunehmend auch einen aktuellen Bezug. „Christen sollten Gott im Alltag, in der Welt dienen in ihren jeweiligen Bezügen“, forderte der Präses. „Das ist ein weiterer wichtiger Punkt, den wir noch nicht ausgereizt haben.“
Luther betone existenzielle Kraft des Glaubens
Bei der Würdigung des Reformationsjubiläums gehe es keinesfalls um einen nostalgischen Blick zurück. „Sondern darum, zu schauen, was ist damals geschehen, was waren die Antworten. Die reformatorische Bewegung setzte auf die Vergewisserung und Vergegenwärtigung des eigenen Glaubensfundamentes“, betonte der Präses. „Das haben wir auch heute nötig. Das öffnet Zukunftsräume. Diesen Weg sollten wir gehen.“ Luther habe gesehen, dass es zu einer Verflachung der Religion, zu Institutionalismus und einer Aufweichung des Glaubens gekommen sei. Vor diesem Hintergrund habe der Reformator die existenzielle Kraft des Glaubens betont. „Eine Kraft, die Menschen bewegt und auch die Kirche.“
Jesus Christus wandelt und erneuert
Die EKiR lade alle christlichen Kirchen ein, also auch die orthodoxen und Freikirchen. Es gehe darum, „gemeinsam das zu feiern, was wir gemeinsam feiern können“, nannte Rekowski etwa das Ökumenismusdekret und das Reformationsjubiläum. „Es könne sein, dass wir Weggefährten finden, die wir Jahrhunderte lang bekämpft haben“, ist er gespannt auf Überraschungen. Die Gaben der anderen Kirchen zeigten, wo in der eigenen Kirche Dinge zurückgetreten seien. „Kirchen müssen damit rechnen, dass Jesus Christus Kirche wandelt und erneuert.“
„Umkehr meint die eigene Kirche.“
Rekowski redete einer „Ökumene der Umkehr“ das Wort. In ihr sieht er etwas Verheißungsvolles. Ihn fasziniert der Gedanke, dass die Umkehr ein wichtiger Weg in der Ökumene sein könne: „Wenn Konfessionen auf die gemeinsame Quelle schauen, setzt das die Möglichkeit zur Umkehr frei. Gottes Güte treibt mich zur Umkehr.“ Dabei ergehe der Ruf zur Umkehr nicht an die anderen, sondern an einen selbst: „Umkehr meint die eigene Kirche.“ Bereit werden zur Umkehr sei stets aktuell. Das Jubiläum biete Anlass, nach Schuld und Schuldgeschichte der eigenen Kirche zu fragen. Jede Umkehr beinhalte auch ein Eingeständnis. Dabei gehe es nicht darum, die eigene Tradition zu verleugnen.
Publikum äußerte Wünsche und Zweifel
In der anschließenden offenen Runde kommentierten zahlreiche Besuchende Rekowskis Ausführungen. Sie fragten nach, äußerten Wünsche, berichteten von eigenen (guten) ökumenischen Erfahrungen. Selten kamen Vorbehalte zur Sprache. So bezweifelte eine Besucherin, dass Ökumene etwas bewirken, sich das Verhältnis zwischen der katholischen und evangelischen Kirche wirklich verbessern könne. Ein Besucher wollte wissen, ob die Ökumene der Umkehr auf die eine Kirche ziele. „Das habe ich so nicht gemeint. Sondern dass wir in versöhnter Verschiedenheit eine ökumenische Bewegung bekommen“, erklärte Rekowski: „Ich will keinesfalls, dass wir uns überfordern.“
Andächtiges Vaterunser der Protestanten
„Was wären denn Gaben, die wir Evangelische bei unseren katholischen Schwestern und Brüdern finden können?“, wurde der Präses gebeten, konkret zu werden. Er nannte etwa die gelebte Frömmigkeit. „Wir erleben, dass es ein breites Spektrum von Ritualen gibt.“ Diese verliehen Halt, wirkten wie ein Geländer, mit dem man durchs Leben komme. „Das ist sehr beeindruckend.“ Bei den Protestanten seien Rituale großräumig weggeräumt, meinte Rekowski. „Da sind wir vielleicht etwas zu geschäftsmäßig.“ Aus katholischer Sicht schilderte Stein, dass ihn die Frömmigkeit einer älteren Protestantin beeindruckt habe, mit der sie jeden Abend die Bibel gelesen habe. Und: Tief eingeprägt habe sich bei seinen Besuchen evangelischer Gottesdienste, wie andächtig und betont Protestanten das Vaterunser beteten.
Schmerzvoll: Situation konfessionsverbindender Ehen
Erstaunt zeigte sich eine Besucherin darüber, „dass die katholische Kirche bereit ist, das Reformationsfest mit uns zu feiern“. Luther habe das Wort Jesu, die Gnade Gottes in den Mittelpunkt gesetzt, so Rekowski. „An vielen Stellen gibt es keine Lehrunterschiede. Wir haben einen gnädigen Gott, der sich uns zuwendet. Das verbindet uns miteinander. Das können wir auch gemeinsam feiern.“ Natürlich sei da der Schmerz der Trennung. Aber wenn man sich in der Weltkirche umschaue, entdecke man eine unglaubliche Vielfalt der Traditionen. Als schmerzvoll bezeichnete der Theologe die Situation der konfessionsverbindenden Ehen. Die Partner teilten Tisch und Bett, „können aber ihren Glauben nicht so leben, wie sie möchten“, sagte er im Hinblick auf das katholische Verbot des gemeinsamen Abendmahls. „Wir leben gemeinsam unseren Glauben. Es schwächt unser Zeugnis, wenn wir an dieser Stelle nicht weiter kommen“, meinte Rekowski. Es gehe immer um ökumenisch sensibles Verhalten, betonte der Präses. Man müsse im Kontakt miteinander ausloten, was gehe, um der Menschen willen.
Nachbarschaftsökumene hat sich bewährt
Freimütig gab Rekowski zu, dass es besser gelingen müsse, den Inhalt des Glaubens zu vermitteln. Auf die wachsende Zahl von ökumenischen Partnerschaftsvereinbarungen zwischen Kirchengemeinden angesprochen, erwiderte er: „Solche Vereinbarungen sind ein guter und hilfreicher Weg.“ Nachbarschaftsökumene habe sich bewährt. Es sei ein guter Gedanke, diese in den nächsten Jahren verstärkt aufzunehmen. Eine der ersten Vereinbarungen dieser Art im Rheinland, blickte der Präses zu Stein, sei 2001 in Wuppertal auch auf dessen Initiative zwischen der Katholischen Pfarrgemeinde St. Marien und der Evangelischen Kirchengemeinde Wichlinghausen getroffen wurden. Die Verständigung zwischen den beiden Gemeinden und deren Pfarrern sei aber schon vorher gut gewesen. So hätten er, Rekowski, und Stein sich wechselseitig auch zu Veranstaltungen besucht, etwa Konfirmations- und Kommunionsfeiern, um deutlich zu machen: „Der Glaube ist größer als die eigene Konfession.“
Werbung für mehr Achtsamkeit im Miteinander
Ein Besucher merkte an, dass man vielleicht noch zu sehr auf die Konfessionen schaue, auf eine Unterscheidung, die im Alltag gar nicht mehr gelte. „Ist die Not nicht ganz woanders?“, fragte er. Vor dem abschließenden Orgelspiel, in dem Rick Franz Liszts Bearbeitung des Chorals „Nun danket alle Gott“ interpretierte, stellte ein Besucher fest: Wenn man Christus ernst nehme, müsse man den Weg gemeinsam gehen. Überhaupt warb er für ein christliches Miteinander, für mehr Aufmerksamkeit und Achtsamkeit im täglichen Umgang.
Foto(s): Engelbert Broich