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Pfarrer Tim Lahr wurde in der Christuskirche ordiniert

„Was für ein Festtag“, begrüßte Christoph Rollbühler zu einem wunschgemäß feierlich wie fröhlich verlaufenen Gottesdienst in der Christuskirche. Ihm als Pfarrer vor Ort sei es eine reine Freude, dass der zauberhafte Mensch Tim Lahr endlich ordiniert werden könne. „Du repräsentierst ein Stück Zukunft der Kirche“, adressierte er an den Kollegen. Dafür stehe auch diese Christuskirche. Es werde Zeit, spielten Rollbühler und auch Pfarrer Mathias Bonhoeffer („endlich, lange genug hat es gedauert“) an auf den Corona-bedingt immer wieder verschobenen Termin der offiziellen Berufung zum Dienst der öffentlichen Verkündigung, der Sakramentsverwaltung und der Seelsorge: Denn bereits seit seinem im Frühjahr 2020 abgeschlossenen Vikariat an der Kartäuserkirche in der Südstadt arbeitet der gebürtige Bonner (Jahrgang 1989) als Pfarrer zur Anstellung. Und zwar im Bezirk Thomaskirche und Christuskirche der Evangelischen Gemeinde Köln.

Ordination durch Superintendentin Susanne Beuth

Nun war es also so weit. In der Kirche am Stadtgarten wurde unter Federführung von Superintendentin Susanne Beuth die Ordination vollzogen. Dabei blieb selbst bei den vielen Segenswünschen für Lahr der Humor nicht ausgespart. Vielfältig und eher modern gestalteten sich die musikalischen Beiträge. Eindrucksvoll-einfühlsam interpretierten Sopranistin Valerie Haunz und Pianist Georg Razumovaskij Lieder wie „Go the distance“ (1997), „Take, o take me as I am (1995, Nimm mich so an, wie ich bin) und „One of us“ (1995, Einer von uns) in der Version „God is queer“. Lahr, und sein Mann, beschäftigen sich intensiv mit einer Kirche, die offen für alle Menschen ist.

Wohl auch als ein Verweis auf Lahrs großes Interesse am Thema „Bewahrung der Schöpfung“ trug Bonhoeffer Dorothee Sölles Gedicht „Streetflower“ vor. In diesem blickt die Theologin achtsam, dankbar und staunend auf eine am Straßenrand zum Leben und Blühen kommende Malve. In den Fürbitten bat Rollbühler, dass uns Gott handeln lasse für in Afghanistan festsitzende, von Regierungen im Stich gelassene Menschen. „Gib Kraft zum Protest!“ Auch betete die Gemeinde, dass Gott Acht gebe auf Tim. „Er soll einen guten Platz für seine Begabungen und Talente erhalten. Er ist ein cooler Typ, bleibe bei ihm“, so Rollbühler.

Lahr arbeitete nach dem Abitur im Rahmen des „Freiwilligen Friedensdienstes“ an einer Förder-Grundschule im nicaraguanischen Matagalpa. Anschließend studierte er evangelische Theologie in Bonn und bei den Waldensern in Rom.

„Auch Sie werden berufen, als eine besondere, unverwechselbare Person mit Grenzen und Stärken“

Beuth verlas die Ordinationsurkunde und benannte den Lahr übermittelten Auftrag: „Gleich wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Dazu hatte Lahr zwei Lesungen ausgewählt. Die erste erzähle von der Berufung des Jeremia, so Beuth in ihrer Ansprache. Dieser habe den Auftrag Gottes mit den Worten „ich kann nicht gut reden, ich bin noch zu jung“ ablehnen wollen. Aber Gott lasse sich nicht beirren. Er habe gerade diesen Menschen mit seinen Stärken und Grenzen gebraucht. „Auch Sie werden berufen, als eine besondere, unverwechselbare Person mit Grenzen und Stärken“, betonte die Superintendentin gegenüber Lahr.

Für das Fortbestehen der Kirche, dafür, dass sie im konkreten Leben der Gemeinde und der Menschen lebendig werde, müssten Pfarrerinnen und Pfarrer auch mit ihrer Person einstehen. „Sicherlich nicht mit der Begeisterung für alle Aspekte, aber doch mit Leidenschaft bei dem, was ihnen jeweils besonders am Herzen liegt“, leitete sie zur zweiten Lesung über. Der Galaterbrief, der mit den Worten „Brüder und Schwestern, ihr seid zur Freiheit berufen“ beginnt, drücke genau das aus: „Kirche lebt davon, dass vielfältige Erfahrungen und Lebensentwürfe in ihr Platz haben. Dass es nicht nur normal, sondern in Ordnung ist, verschieden zu sein. Dass nur in der Verschiedenheit die ganze Fülle Gottes sich in den Menschen widerspiegelt.“

Person Tim Lahr

„Ich komme aus einer Handballerfamilie“, habe ihr Lahr das Besondere seiner Herkunft beschrieben. Gedanken an eine Profikarriere in diesem Sport, „bei dem man nicht nur schnell sein muss, sondern auch nicht zimperlich sein darf und etwas einstecken können muss“, habe er aufgrund einer Verletzung aufgeben müssen.

Beuth zeigte sich froh, dass Lahr sich letztlich doch für den Pfarrberuf entschieden habe. „Und das – obwohl dafür ja doch zumindest in unseren Bildern von einem Pfarrer andere Qualifikationen entscheidend sind. Empathie, Geduld, Verbindlichkeit – aber natürlich auch Kreativität, Ideenreichtum, und Humor.“

Qualifikationen, die Lahr in der Arbeit in der Gemeinde Köln schon reichlich gezeigt habe. „Sie sind also ein Mann mit sehr verschiedenen Begabungen und genauso beruft sie Gott.“ Und wie bringe Lahr nun die Qualitäten des Handballers in sein Pfarramt ein? „Es gibt Gemeinden, in denen es nichts schaden kann, Durchsetzungsfähigkeit, den Willen zum Erfolg und den sportlichen Umgang mit Niederlagen im inneren Handlungsrepertoire zu haben.“

„Sie wollen Projekte bis zum Ende durchziehen und sich dabei nicht verzetteln“, charakterisierte Beuth weiter. Lahr wisse um seine Stärken, beispielsweise in den sozialen Medien. Vor allem aber gehe es ihm darum, andere zu gewinnen für unser kirchliches Alleinstellungsmerkmal, „für Spiritualität – für die Begegnung mit Gott und den Menschen“, nannte sie etwa das von Lahr an der Kartause initiierte Gemeinschaftsgarten-Projekt „Lasset uns beeten“. Beuth attestierte ihm mit vergleichendem Blick auf den Mannschaftssport weiter, gut in der Zusammenarbeit zu sein. „Damit sind Sie gut gerüstet, für das, was eine kleiner werdende Kirche mehr braucht als je: Kooperation über Bezirks- und Gemeindegrenzen hinweg, fruchtbare Zusammenarbeit mit engagierten Ehrenamtlichen, Kollegialität mit anderen Hauptamtlichen in Gemeinde und Kirche.“

Predigt

In seiner Predigt ging Lahr auf einen seiner Lieblingstexte ein, die Rede von Paulus an die Athener (Apg 17). Paulus spreche mitten in der Stadt auf einem Felsen. „Ich bin durch die Stadt gegangen und habe mir eure heiligen Stätten angeschaut. Dabei habe ich auch einen Altar gefunden, auf dem stand ´Für einen unbekannten Gott´. Das was ihr da verehrt, ohne es zu kennen, das verkündige ich euch.“

Zunächst lud Lahr die zahlreichen Anwesenden zu einem Gedankenexperiment ein. Sie sollten gemäß dem Priestertum aller Gläubigen sich selbst im Amt des Pfarrers oder der Pfarrerin vorstellen. „Wo würden sie sich vor ihrem inneren Auge sehen?“ Vielleicht vorne an der Kanzel, bei einer Trauung, am Taufbecken, vielleicht an einem Krankenbett? „Wenn man Pfarrer:in werden will, und den langen Weg dazu antritt, dann ist man dieses Gedankenexperiment schon eintausend Mal durchgegangen“, bekannte Lahr. „Wie wird das sein, wenn ich Pfarrer:in bin? Bin ich überhaupt geeignet, bin ich würdig?“ Seit April 2020 sei er bereits Pfarrer. „Oft stimmt ganz vieles von dem, was man sich vorgestellt hat und mindestens über die Hälfte stimmt überhaupt nicht“, stellte er fest.

Er habe niemals erwartet, dass er in so viele Wohnungen kommen und einen so tiefen Einblick in das Leben von Menschen erhalten würde. Hineingelassen zu werden in ihre heiligen Stätten und das ihm geschenkte Vertrauen bedinge gleichzeitig eine hohe Verantwortung für ihn. „Deshalb mag ich die Rede von Paulus so gerne.“ Bevor er sie halte, gehe er in Athen umher, schaue sich um, rede mit den Menschen. „Auch ich bin sehr viel in Köln umhergegangen, habe mir die heiligen Stätten angesehen“, so der junge Geistliche. Er sei in der Wohnung einer verstorbenen Kunstjournalistin mit einer besonderen Liebe zur Keramik gewesen. Er habe Kneipen und Clubs besucht. Ebenso das Johannishaus in der Südstadt, ein Schlafplatz für wohnungslose Menschen, „wo alles was heilig ist, vielleicht in einen Rucksack passt“.

Lahr war dabei, als Menschen Abschied genommen haben und die letzten heiligen Dinge in eine Kiste packten. Er war auf den Friedhöfen in der Stadt, in Parks, wo gekickt, gegrillt wurde und Kinder gespielt haben. „Ich habe mit Menschen Ideen verwirklicht, und im wahrsten Sinn des Wortes Samen eingesetzt“, erinnerte er an seine Initiative zur Gründung des Kartäusergartens als Gemeinschaftsgarten. „Sie merken, ich kenne Köln mittlerweile echt gut. Und ich habe mir die heiligen Stätten von Köln angeschaut. Genau an diesen heiligen Stätten ist eben auch ein Pfarrer zu finden und nicht nur in der Kirche.“

„Für mich“, sagte Lahr in Verbindung zu Paulus, „ist das Pfarramt eine große Entdeckungsreise, auf der ich Gott immer wieder neu begegnen kann. Eine Entdeckungsreise, die ich nur antreten kann, weil ihr mich in eure heiligen Stätten gelassen habt, weil ihr mir Vertrauen schenkt.“ Lahr glaubt ganz fest daran, dass Gott nahe und vielfältig ist, „so vielfältig wie die Menschen und das Leben, denn wir sind von seiner Art“. Lahr will niemand Gott aufzwängen, denn er glaubt, „Gott ist längst da. Ich möchte davon erzählen, wo ich Gott gesehen und gespürt habe.“

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich