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Pfarrer Gebhard Müller ist Jungfrau im Bedburger Dreigestirn

Ein ungewöhnliches Ehrenamt hat der Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Bedburg-Niederaußem-Glessen in der diesjährigen Karnevalssession übernommen. Gebhard Müller ließ sich als Ihre Lieblichkeit Jungfrau Gebhardine im Bedburger Dreigestirn proklamieren. Dafür erntete der Pfarrer im Tollitätengewand breite Zustimmung. Für kirche-koeln.de führte Ulrike Weinert das Interview mit Gebhard Müller.

Wie kam es dazu, dass aus dem Pfarrer die Jungfrau Gebhardine wurde?

Pfarrer Gebhard Müller: Im Sommer fragte mich der designierte Prinz, ob ich im Dreigestirn mitmachen wolle. Eine Rolle war noch frei, und das war die Jungfrau. Norbert Walter ist Gemeindemitglied, hat die Konfirmanden-Fahrt begleitet. Wir sind also jetzt evangelisch gut besetzt im Dreigestirn. Die Anfrage war für mich eine große Ehre. Vor der endgültigen Entscheidung sprach ich aber mit Superintendent Markus Zimmermann. Und er reagierte überhaupt nicht überrascht, sondern sah darin eine gute Möglichkeit, die Evangelische Kirche in der Öffentlichkeit stärker sichtbar zu machen.

Was verbindet die Evangelische Kirche mit dem Karneval?

Pfarrer Gebhard Müller: Als wir die Bedburger Friedenskirche 2009 zur Kulturkirche erklärten, stand dahinter die Überzeugung, dass Kirche ein Ort ist, an dem Menschen Gott begegnen. Somit gehört alles in die Kirche, was Menschen bewegt, also auch der Karneval. Ich wünsche mir, dass Menschen die Schwellenangst vor der Kirche verlieren, indem ihnen bewusst wird, dass sie hier einen Lebensraum entdecken, wo sie alle Anliegen, einschließlich der Freude am Feiern und Fröhlichsein, hineintragen können.

Wo verläuft die Trennlinie zwischen kölschem Gottesdienst und Karneval?

Pfarrer Gebhard Müller: Meine Karnevalsgesellschaft Bedburger Narrenzunft von 1886 wird mit einer Abordnung anwesend sein und unser Fanfarenkorps wird spielen. Weil Dreigestirne aber nie im „Joddesdeens op Kölsch“ auftreten, komme ich auch nicht in einen Rollenkonflikt. Dass ein kölscher Gottesdienst keine Karnevalssitzung ist, muss klar sein. Um das sichtbar zu machen, werde ich am Altar den Talar tragen, allenfalls dazu die roten Schuhe der Jungfrau.

Welche Bedeutung hat die besonders im Karneval gepflegte Mundart?

Pfarrer Gebhard Müller: Man merkt bei Gebeten und Lesungen, wie nahe einem die Texte kommen, wenn sie im Dialekt gesprochen werden. In der Sprache der Menschen beginnt der Glaube lebendig zu werden. Die Mundart weckt Emotionen, die meines Erachtens oft fehlen. Martin Luther übersetzte ja die Bibel, damit die Menschen sie verstehen.

Wer brachte Ihnen Kölsch bei?
Pfarrer Gebhard Müller: Zuhause wurde Hochdeutsch mit rheinischem Singsang gesprochen. Aber meine Musik sind immer die kölschen Lieder gewesen. Mit den Bläck Fööss bin ich aufgewachsen. Für die beliebten Schulkarneval-Sitzungen am Deutzer Gymnasium Schaurtestraße textete meine Band Fööss-Lieder auf die Lehrer um, natürlich auf Kölsch. Wer hinhört, wie die Menschen sprechen, nimmt automatisch Mundart-Redewendungen in den eigenen Wortschatz auf, auch wenn man sonst Hochdeutsch spricht.

Trägt der Karneval dazu bei, dass Menschen den Weg in die Kirche finden?

Pfarrer Gebhard Müller: Ja, der Joddesdeens op Kölsch hat großen Zulauf von Besuchern, die sonst nicht regelmäßig in die Kirche kommen. Offenbar suchen die Menschen Gemeinschaft. In diesen schwierigen Zeiten scheinen sie besonders dankbar zu sein, wenn offen über die gegenwärtigen Krisen gesprochen wird. Die Menschen hören zu, dem Pfarrer am Altar genauso wie dem Redner auf der Karnevalsbühne, wenn sie dazu aufrufen, jetzt erst recht zusammenzustehen.

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Pfarrer Gebhard Müller wurde am 4. Juli 1961 in Köln-Lindenthal geboren. Seit seiner Jugend war er mittendrin im Karneval. Er zog bei den Schull- un Veedelszöch mit und trat mit seiner Gitarre bei den Schulsitzungen am Städtischen Neusprachlichen Gymnasium Schaurtestraße in Deutz auf. Nach dem Abitur studierte er evangelische Theologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Nach dem Vikariat in Köln nahm er 1996 seine erste Pfarrerstelle in Herren-Sulzbach/Pfalz an. Seit 2001 ist Gebhard Müller Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Bedburg-Niederaußem-Glessen. Mitglied bei der Bedburger Narrenzunft von 1886 wurde der verheiratete Vater von drei Kindern vor fünf Jahren. Mit seinem „Joddesdeens op Kölsch“ am Karnevalssonntag erwarb sich Gebhard Müller den Ruf eines Vertreters des kölschen Frohsinns in der Evangelischen Kirche.

In diesem Jahr wird der „Joddesdeens op Kölsch“ Sonntag, am 26. Februar, 10.11 Uhr, in der Friedenskirche an Langemarckstraße 20 in Bedburg gefeiert. Eine herzliche Einladung dazu.

Text: Ulrike Weinert
Foto(s): Bedburger Narrenzunft von 1886