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Pfarrer Eberhard Matthieß geht nach 35 Jahren in den Ruhestand

719 Taufen, 535 Konfirmationen, 257 Trauungen, 868 Beerdigungen: Diese üppigen Zahlen, gesammelt in 35 Arbeitsjahren als Gemeindepfarrer, präsentierten Gemeindeglieder und Weggefährten ihrem Pfarrer Eberhard Matthieß zu seiner Verabschiedung in den Ruhestand am 22. Januar in der Andreas-Kirche Niehl.

Fast auf den Tag genau – ebenfalls am dritten Sonntag nach Epiphanias – am 24. Januar 1982, wurde Matthieß vom damaligen Superintendenten des Kirchenkreises Köln-Nord, Manfred Kock, in sein Amt als Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Niehl eingeführt. Vorher hatte er dort bereits ein halbes Jahr die damals vakante Pfarrstelle als Hilfsprediger inne.

Nach dem Vikariat lockte die weite Welt
„Damals war ich noch ziemlich unerfahren im Pfarrdienst“, erinnert sich Matthieß, der im Anschluss an sein Theologiestudium in Wuppertal und Tübingen und an eine sechsmonatigen Aufenthalt in Hamburg als Pflegehelfer in einem Heim für Schwerkörperbehinderte, sein Vikariat von 1976 bis 1978 in der Gemeinde Pulheim absolvierte. Dort blieb er nach seinem zweiten Staatsexamen bis 1979 als Pastor im Hilfsdienst. 1981 zog es ihn nach Nordirland, wo er im Rahmen der „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“ in einem Heim für ehemals obdachlose Männer arbeitete.

„Konfiarbeit war kein Beiprogramm“
Gleich vier Konfirmandengruppen übernahm er in seiner neuen Kirchengemeinde in Niehl, dazu kam die Betreuung von Schulen in der räumlich ungünstig geschnittenen Gemeinde mit den Rheindörfern Langel, Fühlingen, Rheinkassel und Merkenich. „Die Arbeit mit den Konfis habe ich immer gerne gemacht, das war für mich neben den vielen anderen Aufgaben in der Gemeinde nie bloß Beiprogramm“, erzählt der Pfarrer. Viele seiner Konfirmanden und deren Eltern hätten den Kontakt zur Gemeinde gehalten. Überhaupt sei einer seiner Schwerpunkte die Kinder- und Jugendarbeit gewesen. Der Vater eines 24-jährigen Sohnes erinnert sich an viele Jugendfreizeiten, Kinderbibelwochen und Konfiwochenenden. „Wir hatten während der Kinderbibelwochen manchmal bis zu 65 Kinder plus Ehrenamtliche in der Kirche! Alle Räume waren belegt. Ich glaube, viele haben damals so in unsere Gemeinde gefunden und zum Aufbau beigetragen“.

Als Friedensbewegter immer mit dabei
Die 80er Jahre waren die Jahre der Friedensbewegung. Bei vielen Projekten engagierte sich Matthieß, etwa im Rahmen des Friedenskonzils, bei dem christliche Kirchen zu Gerechtigkeit und Frieden aufriefen. Er wirkte mit bei Friedenswochen, Kreiskirchentagen, bei Friedensgebeten oder Friedensmärschen – ebenso wie bei den abendlichen Friedensgebeten, die in vielen Kölner Gemeinden stattfanden, als zu Beginn der 90er Jahre der Golfkrieg ausbrach.

Ökumenische Kontakte bis nach Asien
„Mein Lebensthema ist die Ökumene und Eine Welt“, erklärt Matthieß. 1983 übernahm er die Leitung des damaligen kreiskirchlichen Ausschusses „Ökumene und Weltmission“, der sich später zusammen mit dem Arbeitskreis „Frieden“ zum Arbeitskreis „Ökumene und Weltverantwortung“ zusammenschloss. 2002 ging der Kirchenkreis Köln-Nord als Nachfolge seiner Partnerschaft zu Rangapur (einem Dorfentwicklungsprojekt in Indien) eine Partnerschaft mit der Christlichen Kirche in Ost-Java in Indonesien ein, für die Matthieß die Federführung übernahm.

Gelebte Ökumene vor Ort
Matthieß freut sich, dass sich nicht nur die Ökumene in Übersee, sondern auch vor Ort, während seiner Zeit als Pfarrer gut entwickelte. Man habe intensive Beziehungen zwischen der katholischen und evangelischen Gemeinde; das zeigten regelmäßige ökumenische Dienstbesprechungen, Weltgebetstage, und Schulgottesdienste sowie gemeinsame Veranstaltungen im Reformationsjahr. Bereichert wird die ökumenische Zusammenarbeit durch die Armenisch Apostolische Gemeinde in Niehl und eine philippinische Gastgemeinde, die sich in der Merkenicher Kirche trifft.

Politische Haltung in Gottesdiensten
In seinen Gottesdiensten vertrat Matthieß auch eine politische Haltung. „Ich bin nicht nur der Mensch für normale Sonntagsgottesdienste“, meint er und erzählt, dass er gerne vieles ausprobiert hat – von politischen Nachtgebeten über Gesprächsgottesdienste, Familiengottesdienste oder Karnevalsgottesdienste. „Ich glaube, ich habe mit meinen offenen Gottesdiensten viele Menschen erreicht – und sicher auch einige verschreckt“, sagt er selbstkritisch. Dabei seien einige jedoch nach ersten Zweifeln Jahre später wieder in der Kirche anzutreffen gewesen.

Radfahren und Bergwandern als Ausgleich
Einen guten Ausgleich zum Arbeitsalltag fand und findet der Pfarrer beim Radfahren und Bergwandern. Das Fahrrad sei sein Hauptfortbewegungsmittel gewesen – natürlich aus ökologischen Gründen, aber auch um sich fit zu halten, erklärt der ambitionierte Radler. 1000 bis 1200 Kilometer pro Jahr sei er für die Gemeinde geradelt – das habe er einmal zum Spaß ausgerechnet.
Matthieß freut sich darauf, bald mehr Zeit für seine Hobbys zu haben: Mindestens eine Woche im Jahr ist der passionierte Wanderer in den Alpen unterwegs. Wenn er im Sommer mit seiner Frau in ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt umzieht, wird er auch wieder Zeit für vernachlässigte Hobbies wie Fotografieren und Klavierspielen haben.

Text: Susanne Hermanns
Foto(s): Susanne Hermanns