Jede Krise bietet ja ihre Chancen – das entdeckt auch ein junger Pfarrer aus dem Evangelischen Kirchenkreis Köln-Mitte. In diesem Fall die Chance, sich selbst neu zu entdecken. So wird er, wie so mancher, der ansonsten um das Thema „Frühjahrsputz“ einen ziemlich großen Bogen macht, über Nacht zum „Meister Propper“. Diese erstaunliche Entwicklung macht auch vor dem jungen Geistlichen nicht Halt. Bestes Beispiel ist Tim Lahr, derzeit beschäftigt als Pfarrer zur Anstellung an der Christuskirche mitten in Köln.
Was macht ein Pfarrer in der Kirche, der sich ohne Gemeinde auch ein Stück weit langweilt? – Richtig: Putzen. Wie so viele andere auch. Es gibt allerdings einen Unterschied. Tim Lahr und sein Mann haben das in einem Video festgehalten – ein ziemlich lustiges dazu. „Wir haben überlegt, was wir machen können, solange in der Christuskirche keine Gottesdienste stattfinden dürfen“, beschreibt Lahr die Entstehungsgeschichte seines Videos. Da gebe es ja sehr viele traurige Aspekte. Die Gemeinde vermisse das Zusammensein. Trauungen werden verschoben. „Dem wollten wir was Lustiges entgegensetzen“, sagt Lahr. Und so haben die beiden nach und nach die Sequenzen des Videos „Tag 30 der Quarantäne – Der Pfarrer allein in der Kirche“ gedreht.
Putzen und Tanzen nach getaner Arbeit – die Playlist des Films trägt den bezeichnenden Titel „Pure Party“. Das gemeinsame Singen in Video erledigt ein Chor aus Lego-, Duplo- und Playmobil-Figuren. Man singt gregorianische Choräle. Ein bisschen Alltag möchte der junge Pfarrer beibehalten. Also „traut“ er, um in der Übung zu bleiben, Bärta und Bärnd. Und so manch anderer Teddybär aus der Hochzeitsgesellschaft muss die eine oder andere Träne verdrücken. Natürlich läuft die anschließende Video-Konferenz mit einer Gemeindegruppe wegen technischer Unzulänglichkeiten aus dem Ruder.
Und während Lahr im Anschluss versucht, seine tägliche Todo-Liste abzuarbeiten, muss er sich ständig gegen die Versuchungen und Ablenkungen am „Tag 30 der Quarantäne“ wehren. Da locken die Netflix-Serien oder die „Versuchung“ rät ihm, wie alle anderen, Nudeln und Toilettenpapier zu kaufen. Und letztendlich kann das Gebot „Du sollst Dir kein Bildnis machen“ in Corona-Zeiten auch für Pfarrer zu einer Herausforderung werden …
Aber bei allem Spaß hat das Ganze auch einen ernsten Hintergrund. Tim Lahr arbeitet erst seit kurzem in der Gemeinde der Christuskirche. Vorher war er Vikar an der Kartäuserkirche in der Kölner Südstadt. „Wenn man irgendwo anfängt, möchte man die Menschen an ihren jeweiligen Plätzen kennenlernen. Dort sind sie aber im Moment nicht“, beschreibt er die aktuelle Situation. Mit den Videos könne man aber mit den Menschen in Kontakt treten. Allerdings, so Lahr, möchte er keine Gottesdienste „abfilmen“. „Das funktioniert nur in wenigen Fällen. Das ist wie Theater filmen. Da gucken die Leute lieber einen Spielfilm. Das ist das bessere Format für den Bildschirm“, ist er überzeugt.
Außerdem ist es aus seiner Sicht schwierig, in einem großen leeren Raum nah bei den Menschen zu sein. Lahr kann sich trotzdem Gottesdienste vorstellen, die auf Monitoren zu sehen sind. „Dann aber an anderen Orten und nicht in der Kirche“, ist sein Vorschlag. Und irgendwann, in nicht allzu ferner Zeit, werde es ja auch wieder Gottesdienste mit der Gemeinde geben. Davon ist er überzeugt. Jetzt sei wichtig, für diese Zeit zu planen. „Wie geht es weiter, etwa mit den Konfirmandengruppen?“ fragt er sich. Solange, bis richtige Treffen wieder möglich sind, hält Tim Lahr über Videos Kontakt mit seiner neuen Gemeinde, und die zeigen, dass er Humor hat.
Foto(s): Stefan Rahmann