You are currently viewing Osterspaziergang, eine Hasen-Fantasie und Friede beim 6-Uhr-Ostergottesdienst

Osterspaziergang, eine Hasen-Fantasie und Friede beim 6-Uhr-Ostergottesdienst

„Ostern hat meine Mutter früher immer gesungen: ,Ostern, Ostern, Auferstehen! Ostern, Ostern, Frühlingswehen‘“, erzählt Helmut Doberstein und zitiert gleich noch die restlichen Verse des Liedes, das für ihn mit dem Osterfest seiner Kindheit fest verknüpft ist. Jetzt ist er längst Rentner und gehört zu den Stammgästen der Evangelischen Begegnungsstätte in Bergisch Gladbach-Hand, wo er mit seiner Frau Edith einen Englischkurs absolviert. Das Osterfest der Kindheit? Da verklärt sich nicht nur bei diesem Ehepaar der Blick, denn für Kinder hat Ostern immer etwas Magisches. Bei den 69- bis 92-Jährigen sprudeln die Erinnerungen …

„Mein Vater und ich sind am Ostersonntag in den Wald gegangen“, berichtet Waltraud Ruckstuhl. „Und dann musste er immer zwischendurch hinter den Busch und komischerweise war da, wenn ich dann vorbei kam, ein Osternest.“ Auf die gleiche Weise, fährt die 76-Jährige fort, habe ihr Vater später auch seinen Enkel magisch fasziniert. Auch Helmut Weber erinnert sich an österliche Fußmärsche: „Die bei uns Kindern nicht immer beliebten Osterspaziergänge wurden dadurch versüßt, dass mein Vater vorausging und ganz heimlich so bunt verpackte Schokoladeneier fallen ließ.“ Die hätten sie als Kinder dann am Wegesrand hier und da entdeckt. Süßigkeiten waren meist etwas Rares.

Ein Osterhase mit Kiepe auf der Wiese
„Ostern – da gehören Ostereier, Blumen und Osterhase dazu“, sagt Edith Doberstein und setzt schmunzelnd hinzu, sie habe im Alter von sechs oder sieben Jahren mal „einen Osterhasen laufen sehen – mit Kiepe auf dem Rücken“. Eigentlich staunt die 71-Jährige immer noch über diesen wunderbaren Moment ihrer Kindheit: „Das sehe ich noch heute vor mir – als wenn das echt gewesen wäre!“ Ihrem Mann hat sie die Osterhasen-Wiese in München-Pasing sogar mal gezeigt.

Eierwettwerfen und Osterrad
Die Stammgäste der Evangelischen Begegnungsstätte wohnten überwiegend nicht immer in Bergisch Gladbach und erlebten daher als Kinder das Osterfest mitunter anderorts. So berichtet der inzwischen 90-jährige Helmut Weber, dass er Ostern öfters auf dem Bauernhof seiner Großeltern im Hessischen verlebt habe. Dort sei das „Hartgekochte-Eier-Wettwerfen“ ein großer Spaß gewesen. Auch ein anderer Brauch lässt seine Augen noch heute leuchten: „Es wurde ein großes Rad aus Holz und Stroh gebaut, angezündet und am Vorabend des Osterfestes den Hang hinunter rollen lassen. Das sah wunderschön aus. Da war die ganze Dorfgemeinschaft dann versammelt.“

Beim Nachbarn ein Ei bekommen
Der 92-jährige Hermann Schneider wuchs im deutschgeprägten Teil Rumäniens mit hierzulande unüblichen Osterbräuchen auf. „Bei uns in Siebenbürgen war es so, dass die kleinen Kinder zum Nachbarn gingen und ein Ei bekamen“, erzählt er. „Die größeren Kinder gingen mit einer Parfümflasche und durften die Mädchen bespritzen.“ Die hätten dann kolossal geduftet und sich mit etwas Trinkbarem revanchiert. „Und am Ostersonntag wurde der Pfarrer mit Musikkapelle nach Hause begleitet und bekam von jedem Kind ein Ei.“ Im Gegenzug hätten die Kinder einen Lebkuchen mit Bildchen erhalten. „Und die Musikkapelle kriegte hinterher Krapfen und einen Eimer Wein. Da war es immer fröhlich!“

Neue Schuhe und Nylons
Die Erinnerungen der Seniorinnen und Senioren in der Begegnungsstätte in Hand erzählen jedoch nicht nur von Bräuchen, Ostereiern, Hasen und Kirchenbesuch, sondern sie spiegeln auch die armen Zeiten, die 40er- und 50er Jahre, wider. So berichtet Waltraud Ruckstuhl (76): „Jedes Jahr Ostern bekam ich neue Schuhe, da war ich ganz stolz. Und wo ich etwas älter war, so 13, da bekam ich sogar Nylonstrümpfe dazu, die ich dann aber nur Ostern anzog – und dann wieder zur Konfirmation.“ Auch Brigitte Schlottmann (69) verbindet mit dem Osterfest ihrer Kindheit „schöne neue Sachen“ zum Anziehen: „Weiße Schuhe, Söckchen oder Kniestrümpfe.“

Friede beim 6-Uhr-Ostergottesdienst
„Und dann ging man auch in die Kirche“, spricht Brigitte Schlottmann aus, was die meisten anderen ebenfalls aus ihrer Kindheit kennen – und neben gemeinsamen Essen im Familienkreis und Spaziergängen weiterhin schätzen. Hermann Schneider mag jedoch nicht „das Gedränge, wo jeder zur Kirche kommt, den man sonst nie sieht“. Deshalb geht der 92-Jährige am Ostersonntag in den 6-Uhr-Frühgottesdienst der Heilig-Geist-Kirche, „wo es noch ganz dunkel ist in der Kirche.“ Das berühre ihn. „Es ist eine sehr festliche Stimmung, eine unheimliche Stille, man merkt eine Heiligkeit in der ganzen Handlung. Das ist ergreifend und wunderschön. Da ist Friede.“

… und ab und zu nochmal ein Ei!
Diesen Frieden möchten sich die Senioren der Evangelischen Begegnungsstätte in Bergisch Gladbach, August-Kierspel-Straße 96, bewahren, wenn sie sich nach Ostern wieder zu Kursen, Vorträgen oder einem Kaffee dort treffen. Neben dem Osterfrieden und der Osterfreude kann auch die Eiersuche bisweilen nochmal gegenwärtig werden – wie das Beispiel von Helmut Weber zeigt, der früher tagelang mit seinen drei Geschwistern Eier färbte und bemalte. „Manchmal fand man wochenlang später noch ein Ei irgendwo im Garten.“

Text: Ute Glaser
Foto(s): Ute Glaser