In der Feier des Herrenmahls danken Christen für das in Jesus Christus geschehene und geschenkte Heil, so der evangelische Pfarrer Wilhelm Buhren, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Brühl (ACK). Angesichts der in vielen Glaubens- und Lebensbereichen praktizierten Ökumene empfänden viele Christinnen und Christen die Trennung bei der Mahlfeier als schmerzlich. Mit dem Ökumenischen Forum „Eucharistie und Abendmahl“ lud die ACK im evangelischen Gemeindezentrum Johanneskirche in Brühl zu einer Auseinandersetzung mit dem zentralen Thema. „Das eigentliche Ziel der Veranstaltung ist, dass wir uns darüber selbst vergewissern und miteinander ins Gespräch kommen. Dass wir unsere Meinungen austauschen, und fragen, wo denn eigentlich die Unterschiede, wo die Gemeinsamkeiten liegen“, erklärte Buhren.
Der Austausch darüber, was man unter Eucharistie und Abendmahl versteht, welche Bedeutung das eine oder andere für den einzelnen hat, fand zunächst in kleinen Gruppen statt. „Dabei wurde auch die entscheidende Frage nach dem Unterschied gestellt“, so der katholische Religionslehrer und stellvertretende ACK-Vorsitzende Paul Berger. „In meiner Gruppe äußerten viele ein großes Befremden darüber, dass man öffentliche Vereinbarungen zwischen den Kirchen abwarten soll, wo in der Praxis die Ökumene doch längst mit Leben gefüllt wird.“ Viele Menschen, die den Blick in die Gesellschaft hätten, würden sagen, es gehe jetzt nicht mehr um katholisch oder evangelisch, sondern um Christ oder nicht Christ. „Es wurde die Ansicht vertreten, dass wir als Christen zusammen finden müssen, weil die Herausforderungen ganz woanders liegen“, sagte Berger. „Gleichwohl, so der Tenor, könne und solle man seine religiöse Prägung im Sinne der Kirchenzugehörigkeit nicht aufgeben, sondern müsse den eigenen Standpunkt deutlich machen und vertreten.“
Dies taten im Anschlusss auch Vertreter der evangelischen, römisch-katholischen und griechisch-othodoxen Kirche. Als Ausgangspunkt für sein Statement wählte Dr. Martin Bock, evangelischer Pfarrer in Pulheim, den Beschluss der Rheinischen Synode im Januar 2004: „Eingeladen sind alle.“ Dessen theologische Kernthese laute: „Keiner ist ausgeschlossen, jeder ist bedingungslos eingeladen – aber jeder wird auch durch die Tischgemeinschaft mit Christus ´verändert´.“ Man könne es auch so formulieren: „Christus nimmt die Menschen in seine Tischgemeinschaft auf, so wie sie sind, aber er lässt sie nicht, wie sie sind.“ Im evangelischen Abendmahl-Verständnis gebe es kein Dogma der Elemente. „Denn es geht um das Brot und den Wein, zu denen Jesus als Jude – bis heute – sagt: Gelobt seist du, Herr, unser Gott, König der Welt, der du das Brot aus der Erde hervorkommen lässt. Gelobt seist du, Herr, unser Gott, König der Welt, der du die Frucht des Weinstocks geschaffen hast.“ Bei Brot und Wein gehe es um Elemente der Schöpfung, die vom Gott Isreals zeugen und für die er gelobt und gepriesen werde“, sagte Bock, der ein Studienjahr in Jerusalem verbrachte. An einer ökumenischen Fakultät auf dem Zionsberg nahe dem Raum, der heute als Abendmahlssaal gilt. „Zwischen dem Gott Israels und diesen Elementen der Schöpfung gibt es kein ´Jenseits´. Die Schöpfung lobt den Schöpfer – und den Befreier. Ein Jenseits dieser Schöpfungselemente, wie es vielleicht in der Transsubstantiationslehre von der Veränderung der Substanz der Elemente Brot und Wein noch gedacht wird, kann es für mich eigentlich nicht geben“, stellte der Pfarrer fest. Mit den Elementen Brot und Wein würden wir in diese biblische Welt eintreten. Eigentlich aber führe Jesus uns in diese biblische Welt ein, „in diesen Lobpreis des Gottes Israel, der so auch zu unserem Gott wird. Es geht also nicht nur um die heraus gehobenen Elemente Brot und Wein, sondern um die ganze Welt, die ganzen biblischen Elementarteilchen, die uns durch Jesus und durch seine Tischgemeinschaft erschlossen werden.“ Jesus sei in seinem ganzen Wirken, Tun, Sprechen und in seinem Handeln die „Wiederholung der Geschichte Israels“. In Jesus werde Gott und seine ganze Geschichte präsent – „und wir werden da hineingezogen“. Elementar sind laut Bock die zwei Einsetzungsworte „ist“ und „Gedächtnis“. Das „Gedenken“ meine eben diesen biblischen Sinn des Hineingezogenwerdens in die Geschichte Jesu. „Wenn ich im biblischen Sinn ´gedenke´, dann tue ich das nicht nur persönlich oder mit eigener Denkanstrengung, sondern kraft der Taten, die Gott geschaffen hat.“ Die evangelische Tradition sowohl lutherischer wie reformierter Herkunft habe versucht, „das im Blick zu behalten, wenn sie die Elemente von Brot und Wein immer mit dem konkreten Wort der Bibel in Verbindung gesetzt hat: Jesus Christus sagt seine Gegenwart zu, das ´ist´ so – an diesem Realismus wollte Martin Luther nicht rütteln. Aber das ´ist´ bezieht sich eben auf das Wort der Schrift, das Jesus auslegt und an das er sich bindet. Insofern ist Christus für uns der ´gültige´ Ausleger und Vermittler des göttlichen Wortes.“
Der reformierten Tradition sei dies ebenso wichtig, nur würden Zwingli und vor allem Calvin noch stärker betonen, dass der auferstandene Christus nicht einfach hier ´anwesend ist´. „Calvin sagt, er ist im Himmel, aber die Zeichen von Brot und Wein weisen mit göttlicher Autorität auf das Versöhnungswerk Jesu hin.“
Beide evangelischen Abendmahl-Lehren hätten einen seelsorgerischen Charakter. „Calvins Abendmahl-Lehre ist mehr an der Trauer der Jünger orientiert, dass er ja nicht mehr ´da´ ist, nicht mehr zu greifen und zu fassen, aber er hat verbindliche Zeichen eingesetzt, damit wir seiner gewiss sind. Luthers Abendmahllehre betont: Im Brotbrechen und Trinken begegnet der ganze Mensch mit allen Sinnen Christus und seiner Botschaft.“
Christus lade zum Mahl ein, im Raum der Befreiungstaten Gottes, so Bock. In diesem Raum werde neue Gemeinschaft gestiftet. „Das ist die Gemeinschaft, die Jesus schon in Tischgemeinschaften vollzogen hat – und es ist die neue Gemeinschaft, die nach Ostern auf unterschiedliche Weise entsteht und die Menschen im Namen Jesu zusammenführt.“ Beim Abendmahl würden wir Gemeinschaft mit Jesus in ganz tiefem Sinn erfahren.
„Ich erlebe in der Gemeinde und anderswo, dass Menschen davon geprägt sind, dass das Abendmahl vor allem auf die Sündenvergabe reduziert wird“, bedauerte Bock. „Aber es ist viel mehr.“ Als problematisch bezeichnete Bock den „Opferbegriff“, der für viele auch im evangelischen Abendmahl enthalten sei. Er stellte die Frage, ob das Abendmahl noch als „Feier“ wahrgenommen werde, „die uns sinnlich, ganz feierlich und zugleich sehr alltäglich mit Gottes ´neuer Welt´ in Verbindung bringt“. Warum werde das unterschiedliche Feiern des Abendmahls unbedingt als Trennung empfunden, fragte Bock. Im ökumenischen Kontext plädierte er für die Schaffung eines „Bedingungsfeldes, in dem unterschiedliche Rituale ´nebeneineinander´ gefeiert werden können und sie sich dennoch auf eine ´Sache´ beziehen“. Das Gefühl der Trennung könne überwunden werden nicht allein durch Gastfreundschaft, sondern durch eine andere Konzentration auf die „Sache“ selbst.
In seiner Stellungnahme ging der katholische Theologe Dr. Georg Hintzen zunächst auf die eucharistische Realpräsenz ein. „In der Eucharistie ist unter der Gestalt von Brot und Wein der ganze, volle Christus gegenwärtig. Da sehe ich keinen, gravierenden Unterschied zu den anderen beiden Konfessionen“, sagte der ehemals Leiter des Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik in Paderborn. „Den sehe ich allerdings weitergehend. Wie kommt diese Gegenwart, diese Realpräsenz, zustande?“ Der Streit darüber liege nicht in Fragen des Glaubens begründet, sondern in der unterschiedlichen Auslegung der Begriffe wie etwa Transsubstantiation. Verschiedene Auffassungen gebe es beispielsweise über die Dauer der eucharistischen Realpräsenz. So kenne die katholische Kirche die Aufbewahrung der Kommunion für Kranke. Außerdem die Anbetungsfrömmigkeit, die Aussetzung des Allerheiligsten, die stille Anbetung. Anbetungsfrömmigkeit werde von den Orthodoxen strikt abgelehnt. Fronleichnamsprozessionen und Tabernakel kenne die evangelische Kirche nicht. „Vergegenwärtigung des Kreuzesopfer Jesu heißt nicht, dass wir uns daran erinnern“, kam Hintzen auf den Opfercharakter der Eucharistie zu sprechen. „Gemeint ist, dass Gott im Erlösungsopfer Jesu real gegenwärtig ist. Wie ist das möglich, was vergangen, ist doch vergangen.? Und was ist mit Opfer gemeint?“ Diese Fragen hätten zu einer neuen Ordnung geführt. „Kern des Opfers ist nicht das Leid als solches, sondern die Gesinnung der totalen, personalen Hingabe an Gott, die alles auf sich nimmt.“ Mit der Gegenwart der Person Christi sei auch die Vergegenwärtigung der bleibenden Hingabe an den Vater präsent. Das Mitopfer der Kirche bedeute, dass die Gläubigen in der totalen Hingabe an den Vater und in seiner Gesinnung die Nachfolge antreten würden. Die evangelische Theologie sei da noch zurückhaltend. „Der katholischen Glaube denkt die Eucharistie als das Zentrale der Kirche. Nie ist Kirche mehr präsent, als in der Feier der Eucharistie. Dies ist in der evangelischen Kirche anders“, sprach Hintzen drittens über den „Zusammenhang von Eucharistie und Kirche“. Bei den Katholiken stelle die Eucharistiegemeinschaft volle Kirchengemeinschaft dar. Deshalb könne eine generelle Zulassung der protestantischen Christen bedeuten, dass die Spaltung überwunden sei. „Aber das ist sie leider nicht. Denn das setzt Übereinstimmung in allen wesentlichem Punkten der Lehre voraus. So lange dies nicht erreicht ist, kann eine generelle Zulassung, eine generelle Eucharistiefeier noch nicht erfolgen.“ Sie könne erst am Ende des Weges stehen, urteilte Hintzen, sie sei kein Mittel, um Übereinstimmung zu erreichen. Zur vollen Eucharistie- bzw. Abendmahlgemeinschaft gebe es keinen anderen Weg, als die Aufarbeitung der noch bestehenden Differenzen und Fragen in einem gemeinsamen Dialog.
Erzpriester Peter Sonntag von der griechisch-orthodoxen Johannes-Gemeinde in Brühl wies darauf hin, dass in der orthodoxen Kirche ein gewisser Maximalismus gelte. „Die Kirche und Eucharistie kann man nicht voneinander trennen. Die Eucharistie ist kein Sakrament wie andere, sie ist das eigentliche Sakrament. Die anderen werden in der und durch die Eucharistie gespendet.“ Alles christliche Handeln entspringe und gipfele in der Eucharistie. Sie sei nicht nur ein christologisches Handeln, sondern auch ein pfingstliches. „Es wendet sich an den Vater, macht den ganzen Christus deutlich.“ Deshalb nenne die orthodoxe Kirche Eucharistie auch göttliche Liturgie. „Sie ist eine symbolische Handlung und zeigt, das göttliches und menschliches Handeln zusammen kommen.“ Sie sei der göttliche Ausdruck dessen, was in Zeit und Raum geschehe. „Die Liturgie ist eine vorweggenommene Wiederkunft Christi unter dem Zeichen Gottes“, formulierte Sonntag, der zudem auf die ungeheure Bedeutung des zwischen Himmel und Erde vermittelnden Heiligen Geistes für die Griechisch-Orthodoxen einging.
Ob es an den unterschiedlichen Zugängen der Referenten zum Thema oder der Ausführlichkeit der Vorträge lag, jedenfalls animierten sie die rund dreißig Teilnehmenden nur zu wenigen Anmerkungen und Nachfragen. Gleichwohl waren die Verantwortlichen der ACK Brühl mit dem Verlauf der nachmittäglichen Begegnung zufrieden. „Die gute Resonanz ermutigt uns, nun regelmäßig, ein bis zwei mal jährlich, Veranstaltungen zu ökumenischen Themen anzubieten“, so Berger.
Foto(s): Engelbert Broich