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Ökumenischer Pfingstfeuer-Gottesdienst in der Reformationskirche

Mit einem ökumenischen Gottesdienst stimmten sich die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Bayenthal und ihre katholische Nachbargemeinde auf Pfingsten ein. Gehalten wurde er am Donnerstag vor dem Fest in der evangelischen Reformationskirche im Stadtteil Marienburg. Für die Fürbitten, das Vaterunser, den Segen und das Schlusslied zog die Gemeinde aus der Kirche auf den Vorplatz, wo sie sich um ein kleines Pfingstfeuer versammelte. Anschließend begab man sich ins Gemeindehaus zu Begegnung und Gespräch bei Gegrilltem und Kölsch.

Geist, der ungewohntes Denken lehre
„Liebe ökumenische Gemeinde“, begrüßte Superintendent Dr. Bernhard Seiger, Pfarrer an der Reformationskirche, knapp 100 Besuchende. Sein besonderer Dank galt dem vorbereitenden Ökumenischen Arbeitskreis der beiden Gemeinden. Auf katholischer Seite wirkte unter anderem Hans Stieler, Pfarrer an St. Matthias und St. Maria Königin, mit, der den Antwortpsalm „Sende aus deinen Geist, und das Antlitz der Erde wird neu“ leitete. „Pfingsten ist die Begegnung mit dem Geist Gottes“, so Seiger. Der Geist, der ungewohntes Denken lehre, der ein Stück Neuanfang und neues Lernen bedeute.

Paralympics-Sieger predigte
Seiger verlieh seiner Freude Ausdruck, dass man für die Predigt den evangelischen Pfarrer Rainer Schmidt habe gewinnen können. Der Superintendent stellte seinen Kollegen als Paralympics-Sieger im Tischtennis, Dozent, Autor und Referent vor. „Er kommt frisch vom Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hamburg“, so Seiger. Dort hatte Schmidt unter anderem an einem „Kirchentagstalk“ mit Bundespräsident Joachim Gauck, Moderator Markus Lanz und Samuel Koch über die Integration behinderter Menschen teilgenommen. Schmidt, der ohne Unterarme und mit einem verkürzten rechten Oberschenkel geboren wurde, absolvierte sein Vikariat in Köln-Stammheim. Anschließend war er Pfarrer zur Anstellung in der Evangelischen Kirchengemeinde Altenberg/Schildgen. Heute ist der 48-jährige Dozent am Pädagogisch-Theologischen Institut (PTI) der Evangelischen Kirche im Rheinland in Bonn, zuständig für integrative Gemeindearbeit.

Pfingsten ganz existenziell
In bedachter, lebendiger Rede, mit treffenden Formulierungen und Bezügen auch zur eigenen Biographie, legte Schmidt anschaulich das Bibelwort 2. Mose 3-4 aus. Es handelt von Moses Berufung durch Gott. Gott will ihn nach Ägypten senden, damit er die Kinder Israels aus der Knechtschaft des Pharaos führt und ihnen von der Erscheinung des Herrn erzählt, damit sie diesem ein Opfer bringen. Mose aber versucht mit mehreren Einwänden, sich den Aufträgen zu entziehen. In dieser Berufungsgeschichte komme ein Feuer vor, so Schmidt. Aber nicht nur deshalb sei sie durchaus auch auf Pfingsten zu münzen. „Pfingsten ist etwas ganz Existenzielles.“

Die ganz persönliche Frage
Die Berufungsgeschichte, in der zunächst der Schafe hütende Mose von dem Phänomen eines brennenden, aber nicht verbrennenden Busches neugierig angezogen wird, erzähle das Gespräch von Mose mit einer Stimme, mit Gottes Stimme. „Woran erkenne ich, dass Gott bei mir ist?“, stieg Schmidt ein. „Gott ist gegenwärtig“ – das sei eine akademische wie lebenspraktische Frage. „Es ist meine Frage“, so Schmidt, und meinte damit, es sei die ganz persönliche Frage eines jeden Menschen. Interessant sei, dass für Mose die Frage, ob er Gott sehen, ihn anfassen könne, überhaupt keine Rolle spiele. „Ach, das könnte die Stimme Gottes sein“, formulierte der Prediger Moses mögliche Gedanken. Ausgesprochen, betonte Schmidt, werde die Botschaft Gottes durch einen Engel, der zum Mund Gottes werde.

Hilfe, die nicht klein macht
„Was machen Sie, wenn Gott heute Nacht an Ihr Bett tritt?“, fragte Schmidt. Losgehen, wenn er einen losschicke – „ist das Glaube?“. Ganz anders Mose: Er verfahre, ganz in jüdischer Tradition, nach dem Prinzip: „Wenn der liebe Gott dir was ins Ohr flüstert, könnte man erst mal drüber diskutieren.“ Damit werde ausgedrückt: „Mit Gott kann man reden.“ Gott sage Mose, was er tun solle. Aber der habe fünf Einwände. Der erste laute: „Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehen soll? Ein Hirte geht doch nicht zum mächtigsten Mann der Welt“, so Schmidt. Mose offenbare, dass er sich für den großen Auftrag als zu klein erachte. Gegen ein solches Gefühl der Unzulänglichkeit halte die Pädagogik beispielsweise das Mittel des Großredens bereit. Das heiße, dem Betroffenen Zutrauen vermitteln, ihm erzählen, dass er doch stärker sei. Damit sage man ihm: „Du hast nicht recht“, nicht recht mit deinem Zweifel. Aber es gehe auch anders, schilderte der Pfarrer eine Szene im Kindergarten in Schildgen. Ein Vierjähriger habe vor einem kleinen Baum mit ungefährlicher Höhe gestanden, im Gegensatz zu anderen Jungen sich aber nicht getraut, hochzuklettern. „Möchtest Du auf den Baum?“, habe ihn eine Erzieherin angesprochen. „Ja, aber ich kann nicht.“ Nun, so habe Schmidt gedacht, werde die Erzieherin den Unglücklichen anfeuern oder ihn direkt auf einen Ast setzen. Stattdessen habe sie vorgeschlagen: „Fang an zu klettern und ich helfe Dir. Du kannst nicht runterfallen, ich fange Dich auf!“ So könne man auch helfen, ermunterte Schmidt mit dem Hinweis auf die Parallele im Bibeltext: „Auf den Einwand Mose sagte Gott, ich bin mit dir. Du musst losgehen, ich bin dein Begleiter!“

Glauben muss man ausprobieren
Mose habe gewusst, wer Gott sei, habe ihn aber noch nicht selber erfahren, ging Schmidt zum zweiten Einwand von Mose über: Was solle er den Kindern Israels denn sagen, wie ihr Gott heiße. „Ich werde sein, der ich sein werde“ oder „Ich bin der, ich bin da (ich bin der, der für dich da ist)“, habe ihm Gott geantwortet. Schmidt las daraus den für ihn wichtigsten Aspekt: „Ich bin der, den du erlebst, wenn du es ausprobierst.“ Es gehe darum, sich bewusst auf diesen Gott zu verlassen. „Glauben muss man ausprobieren. Glauben muss man leben, anders geht’s nicht.“

Mose soll gestottert haben
Erst mit seinem vierten Einwand, so Schmidt, werde klar, weshalb Mose den Auftrag tatsächlich ablehne: „Ich bin seit jeher nicht wohl beredt gewesen.“ Mose soll gestottert, eine schwere Sprache, schwere Zunge gehabt haben. „Wenn ich nicht in einer Kirche wäre, würde ich sagen: Mose kotzt Gott seine Not vor die Füße“, formulierte Schmidt. Schon sein erster Einwand habe eigentlich gemeint: „Ich stottere.“ Er könne Mose gut verstehen, erzählte Schmidt eine Episode aus seiner frühen Kindheit. Obwohl alle im Dorf von seiner Behinderung gewusst hätten, habe ihm seine Mutter Kleidung mit „normal“ langen Ärmeln angezogen. Später nach dem Warum befragt, habe sie ihrem Sohn geantwortet, dass sie die Behinderung manchmal habe verstecken wollen, um Gespräche mal auf andere Themen zu bringen, die junge Mütter so beschäftigen. Er selbst habe lange, auch beim Tischtennis-Sport, seine Unterschenkelprothese mit einer langen Hose verdeckt. „Ganz einfach, weil es mir peinlich war.“

„Gott ist wie ein Therapeut“
Gott habe selbstverständlich von Moses Stottern gewusst, aber gewartet, bis er es selbst anspreche: „Gott weiß es, aber drängt ihn nicht, er lässt ihm Zeit. Gott ist wie ein Therapeut.“ Gott lasse Mose Zeit, aber nicht in Ruhe. Und – sehr wichtig – er nehme ihm nicht das Stottern. Aber wie könne das gehen, müsse Mose gedacht haben, er rede mit Gott und habe seine Sprachbehinderung noch. „Es ist Gott, der Grenzen setzt“, betonte Schmidt. Er habe den Menschen begrenzt gemacht. Ob mit oder ohne Behinderung oder Gebrechen, Menschen könnten nicht alleine. „Wir sind immer auf andere angewiesen, das hat Gott so gewollt.“ Gleichwohl wolle er nicht, dass Menschen an ihren Begrenzungen zugrunde gehen. So sei nach Moses fünftem Einwand, „Herr, sende, wen du willst“, der Zorn Gottes entbrannt. Auf das Jammern von Mose, dass man ihm in Ägypten nicht glauben werde, da ihm ja früher schon niemand zugehört habe, führe Gott den (Stammes-) Bruder Aaron an, der sich von Herzen freue, wenn er Mose sehe. Gott gibt Mose zu verstehen: „Aaron wird für dich der Mund sein und du wirst für ihn Gott sein.“ Wie Aaron und Mose sich gegenseitig unterstützten, so Schmidt, bräuchten sich die Menschen gegenseitig. Menschen müssten alles was sie haben, anderen zur Verfügung stellen, als Werkzeuge Gottes. „Es geht um unser tägliches Brot, nicht um mein oder dein tägliches Brot“, verdeutlichte Schmidt und betonte die christliche Brüderschaft, beispielsweise von Protestanten und Katholiken.

Das Feuer am Anfang
„Warum am Anfang das Feuer?“ fragte Schmidt schließlich, und glaubte, der Dornbusch könne ein Symbol für Mose selbst sein. Dieser fühle sich wie ein mit Stacheln besetzter Strauch. „Aber für mich kommt noch etwas hinzu“, so Schmidt. Mose werde zwar nicht von seinem Stottern geheilt, trotzdem werde alles neu. „Es bleibt alles beim Alten, aber alles wird neu“, bilanzierte der Pfarrer. „Mose ist stark geworden, und das ist der Heilige Geist.“ Er mache auch uns stark mit unseren Schwächen. Er mache uns Mut. Und Ermutigung erführen Menschen insbesondere durch drei Dinge, fasste Schmidt zusammen: „Menschen, die sich einsetzen für Dich. Menschen, die dich mögen, sogar lieben. Und die Gewissheit: Gott lässt mich nicht allein.“

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich