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Ökumenischen Friedensgebet im Antonius Saal an der AntoniterCityKirche

Mit dem Zweitguss des „Schwebenden“ von Ernst Barlach und einem Exemplar des Nagelkreuzes von Coventry verfügt die Antoniterkirche an der Kölner Schildergasse über zwei sehr besondere Erinnerungs- und Friedenssymbole. An der Kirche wird derzeit renoviert. Deshalb fand das Ökumenische Friedensgebet der Evangelischen Gemeinde Köln auf Einladung der AntoniterCityKirche im Antoniter Saal des benachbarten Antoniterquartiers statt. Dort war in Gestalt einer Kerze ebenfalls ein Friedenszeichen präsent. Die Kerze zeigt eine Friedenstaube auf den ukrainischen Landesfarben Blau-Gelb. Beschriftet ist sie mit „Frieden für die Ukraine“. Im Verlauf des Gottesdienstes wurde diese Friedenskerze von Markus Herzberg, Pfarrer an der Antoniterkirche, entzündet. „Jesus Christus hat gesagt, ich bin das Licht der Welt, und wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“

Gemeinsames Gebet für Frieden in der Ukraine

Mit dem gemeinsamen Gebet für Frieden in der Ukraine und in der ganzen Welt drückten Herzberg, Superintendentin Susanne Beuth, der römisch-katholische Kölner Stadtdechant Monsignore Robert Kleine, Pfarrer Jürgen Wenge von der Alt-Katholischen Pfarrgemeinde Köln und Pfarrer Mathias Bonhoeffer, Presbyteriumsvorsitzender der Evangelischen Gemeinde Köln mit den über fünfzig Besuchenden ihre Geschwisterlichkeit in dieser Stadt aus. Sie appellierten miteinander, die Friedensbemühungen zu wahren. Und setzten ein Zeichen der Solidarität und Anteilnahme gegenüber allen Menschen in der betroffenen Kriegsregion. Der Abend war geprägt von Gebet, Gesang sowie Musik von Kantor Johannes Quack am Flügel. Geprägt vom Fragen nach der unmittelbaren Zukunft, vom Sprechen und Nachdenken über und Hoffen auf den Frieden.

Es seien Zeiten, „in denen wir Schulter an Schulter nebeneinanderstehen, in unserem Erschrecken, in unserer Traurigkeit, auch in unserer Angst, unserem nicht glauben können, was mitten in Europa passiert“, begrüßte Herzberg. Wie könne es weitergehen, könne Frieden werden in dieser Welt, wo könnten wir die Kraft dazu finden, fragte er. Wie den Menschen in der Ukraine Kraft spenden, „die in diesen Stunden in den U-Bahn-Stationen sitzen, in den Bunkern, um das Leben fürchten, um das eigene und das der Menschen, die sie lieben?“. Gott gebe Kraft und Stärke. Er ermutige uns, nicht aufzuhören, daran zu glauben, dass Frieden sein könne, sprach Herzberg von der Wirklichkeit, die Gott in seinem Schalom dieser Welt geschenkt habe. Hier solle ein Ort sein, wo wir unsere Sorge und Not lassen könnten. Hier wolle man Raum geben für Traurigkeit und Angst, aber auch für Trost und Hoffnung.

„Wie wird Friede?“

Mathias Bonhoeffer trug Auszüge eines Textes seines Großonkels, des Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer vor. Der damals 28-jährige Pfarrer sprach ihn 1934 auf der dänischen Insel Fanö auf einem Jugendkongress des Weltbundes der Kirchen in einer Morgenandacht zum Thema Frieden. Darin unterschied Dietrich Bonhoeffer zwischen Frieden und Sicherheit. Seine Aussage, das merkten die Menschen im Antonius Saal schnell, hat auch fast neunzig Jahre später nichts an Aktualität verloren. „Wie wird Friede?“, fragte damals Bonhoeffer: „Durch ein System von politischen Verträgen? Durch Investierung internationalen Kapitals in den verschiedenen Ländern, d. h. durch die Großbanken, durch das Geld? Oder gar durch eine allseitige friedliche Aufrüstung zum Zweck der Sicherstellung des Friedens?“ „Nein“, lautete seine Antwort, „Nein, durch dieses alles aus dem einen Grund nicht, weil hier überall Friede und Sicherheit verwechselt wird.“ Es gebe keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit, so Bonhoeffer. Denn Friede müsse gewagt werden, und lasse sich nie und nimmer sichern. „Friede ist das Gegenteil von Sicherung.“ Denn Sicherheiten fordern bedeute Misstrauen, welches wiederum Krieg gebäre. „Friede heißt sich gänzlich ausliefern dem Gebot Gottes, keine Sicherung wollen, sondern im Glauben und Gehorsam dem allmächtigen Gott die Geschichte der Völker in die Hand legen und nicht selbstsüchtig über sie verfügen wollen. Kämpfe werden nicht mit Waffen gewonnen, sondern mit Gott.“

Predigt

Die Predigt hielten Beuth, Kleine, Wenge und Herzberg gemeinsam zu dem Lied „Gib Frieden, Herr, gib Frieden“ (EG 430). Auf jede gesungene Strophe folgte nacheinander eine kurze Auslegung. „Die Worte des Liedes bleiben mir im Halse stecken. So darf es doch nicht sein. Macht, Lüge, Unrecht gewinnen?“, dachte Beuth über die erste Strophe nach. Dabei bräuchten Menschen doch die Werte Liebe, Wahrheit und Gerechtigkeit. Wo diese Werte gelten würden, fänden wir den Schalom Gottes, den gerechten Frieden. Dieser sei mehr als die Abwesenheit von Kampf. Schonungslos bringe dieses Lied unsere Situation vor Gott zur Sprache. „Wenn einer sich über die Regeln des gerechten Interessenausgleichs auch und gerade zwischen Staaten hinwegsetzt, wenn er die Regeln des Völkerrechts bricht und in sogenannte Verhandlungen mit Maximalforderungen der bedingungslosen Kapitulation geht, dann ist kein Ende der Gewalt absehbar und erst Recht kein Schalom möglich.“ Die Superintendentin fragte, wo es einen Ausweg gebe für die in Kellern und U-Bahn-Stationen Sitzenden, wo einen Ausweg vor immer neuen Eskalationsstufen. „Kann nur noch ein Wunder helfen?“, so Beuth: „Gib Frieden, Herr, gib Frieden.“

Kleine erinnerte an viele Kriege, viel Terror und Leid in unzähligen Ländern, die er allein in seinem 55-jährigen Leben mitbekommen habe. Und immer sei es auch das Gebet der Kirchen, Gott zu bitten, Frieden zu schenken und die Gedanken der Verantwortlichen zum Frieden hinzulenken. „Die Erde wartet sehr“, zitierte er aus der zweiten Strophe. Die Bilder, die uns seit Kriegsbeginn in der letzten Woche begegneten, die Augenzeugenberichte verliehen dem Lied eine neue, grauenvolle Aktualität.

Fragen

Auch Kleine fragte. Danach, was sich der russische Präsident noch an Attacken überlege, die Leid, Tod, Verzweiflung und Trauer hervorriefen. Danach, was uns und den Menschen in der Ukraine noch bevorstehe. Was den Frauen und Männern, die in Russland mutig demonstrierten gegen ihren Präsidenten. „Wie geht es weiter in der ganzen Welt, wenn die nuklearen Waffen am Horizont stehen? Die Furcht wächst mehr und mehr.“ In den Texten hätten wir gehört, dass wir einen Auftrag hätten, für den Frieden einzustehen „und zwar nicht nur wir als Christinnen und Christen, sondern in der großen Gemeinschaft der Religionen“.

„Du hast für uns gelitten (…), damit wir leben könnten.“ An diesen zwei Zeilen der dritten Strophe sei er hängengeblieben, so Wenge. Viele Christinnen und Christen heute täten sich recht schwer mit dem Gedanken, dass Gott gelitten, sich für uns geopfert habe. „Dass Menschen Opfer bringen für andere Menschen, dass sie sich für andere opfern, das ist, so unangenehm uns diese Vokabel auch sein mag, alltägliche Realität“, dachte Wenge etwa an die vielen in der Pflege tätigen Frauen und Männer. „Da werden tatsächlich Opfer gebracht, damit andere Menschen leben können.“ Dieses Bild lasse sich auch in Zusammenhang bringen mit so vielen Menschen, die sich jetzt mit Blick auf den Krieg in der Ukraine für andere engagierten. „Menschen in der Ukraine sind bereit, sich ihrem Land zu opfern, für ihr Land zu leiden, damit ihre Landsleute weiterhin in einem demokratischen und freiheitlichen Staat leben können.“ Gleichzeitig dachte Wenge an die vielen Unterstützenden in angrenzenden Ländern, „die sich jetzt um humanitäre Hilfe bemühen“. Sie opferten Zeit, Geld und eigene Sicherheit, um den in Not Geratenen mit Hilfsgütern jeder Art beizustehen. Das alles verdeutliche ihm, „dass wir im Sinn der Nachfolge Jesu tatsächlich zu großen Taten in der Lage sind. Taten, die helfen, dass Menschen leben können, und die helfen, dass Freiheit und Gerechtigkeit und Frieden nicht untergehen.“

Vertrauen

Die Nachricht vom Kriegsbeginn habe ihn in Mark und Bein erschüttert, gestand Herzberg. Er habe gemerkt, wie ihn das treffe in seinem Urvertrauen am Menschsein. „In meinem Vertrauen, wie wir als Menschen leben und wie wir Verantwortung füreinander tragen.“ In der vierten Strophe heiße es: „Mut zu bekommen zum Händereichen. Und zur Rede, die nicht lügt.“ Beim Nachdenken darüber nahm er Bezug auf Bonhoeffers Worte von 1934. Deren Quintessenz und Kern sei das Vertrauen. Laut Bonhoeffer seien wir Menschen so auf Sicherheit und Sicherung bedacht, dass wir darüber vergessen würden, „dass wir durch Sicherung eigentlich unterstreichen, wie sehr wir uns misstrauen als Menschen, als Völker und als die, die Verantwortung tragen“.

Warum breche dieser Krieg denn aus, fragte Herzberg. „Weil Vertrauen eines Machthabers nicht vorhanden ist, sondern reines Misstrauen in andere.“ Nur wenn ich meinem Gegenüber vertraute, hätte ich auch die Kraft offen auszusprechen und alles auf den Tisch zu legen. „Bonhoeffer ringt in seinen Worten genau darüber, dass es so schwer ist, in der Menschheit zu vertrauen.“ Herzberg wünscht sich die Einstellung und das Vertrauen, wie es damals der Probst von Coventry gezeigt habe. Als die Deutschen Im Zweiten Weltkrieg alles in Schutt und Asche gelegt hätten, habe er nicht auf sie gezeigt und ihnen die Schuld gegeben. Vielmehr hätten wir als Menschen versagt. Herzberg wünscht sich dieses Vertrauen ins Menschsein, das Vertrauen in unsere Geschwister und Brüder, in all unseren Völkern zurück. „Wir sind nicht Deutsche, Russen oder Ukrainer, sondern wir sind Menschen. Und das wünsche ich mir, dieses Vertrauen ins Menschsein.“

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich