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Rainer Maria Kardinal Woelki mit Präses Manfred Rekowski in der Basilika St. Aposteln

Ökumenische Vesper in Köln: „Und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“

Hier trifft Ökumene auf Tradition. Am Samstagabend vor dem ersten Advent haben der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Erzbischof von Köln gemeinsam eine Vesper in der Basilika St. Aposteln am Kölner Neumarkt gefeiert. Das Thema Frieden stellte Rainer Maria Kardinal Woelki in den Mittelpunkt seiner Worte zur Begrüßung der Gäste in der voll besetzten Kirche. Er erinnerte an den illuminierten Dom zum Gedenken des Endes des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren. Die Illumination habe unter dem Motto „Dona nobis pacem“ gestanden und in den Himmel, aber auch in das Herz eines jeden Einzelnen gestrahlt. „Lasst nichts unversucht, aufeinander zuzugehen, um Gewalt und Krieg zu verhindern und einzudämmen.“

Für Christinnen und Christen sei der Umgang mit Macht und Gewalt immer eine Gewissensentscheidung. „Immer Frieden zu halten, ist privat nicht einfach, zwischen Staaten, Völkern und Religion schon gar nicht“, fuhr der Erzbischof fort. Aber: „Mitten in alle Konflikte schenkt Gott uns seine unbedingte Liebe, ein Licht, das strahlt auch in das tiefe Dunkel von Gewalt und Ungerechtigkeiten. Im Advent erwarten wir die Ankunft dieses Lichts.“ Es seine große Freude, schloss Woelki, „dass Präses Rekowski gleich für uns das Wort Gottes auslegt“.

Der Präses sprach im Anschluss über das Bibelwort aus dem Lukas-Evangelium, 1,79: „…und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.“  „Heute möchte ich mit Ihnen jedoch darüber nachdenken, was die Adventszeit so unverzichtbar für uns macht. Ich denke dabei an das, was von Zacharias, dem Vater des Johannes, überliefert wird. Er lebt nicht in einer heilen Welt, sondern erlebt eine Besatzungsmacht und Unfrieden. Seine Hoffnung und Bitte ist kurz und knapp formuliert und trifft den Kern: „… und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“, begann er seine Ausführungen. Zacharias sehe viel mehr als die Dunkelheit seiner Gegenwart. „Er sieht den kommenden Gott. Er sieht Gott eingreifen. Zacharias sieht Gottes neue Welt kommen – eine Welt des Friedens.“ Noch herrsche Unfrieden in vielen Bereichen.

Manchmal werde gar die Familie „zum Schlachtfeld, zum Trümmerhaufen von Beziehungen – und bisweilen auch zu einem Ort der Gewalt; verbal und viel zu oft auch ganz handgreiflich, so Rekowski weiter. „In manchen Familien vermissen Kinder Nähe, Zuwendung und Aufmerksamkeit. Sie wachsen auf ohne ausreichende Unterstützung. Sie werden irgendwie groß, obwohl man sie klein macht, demütigt. Manches in ihnen verkümmert. Worte – ermutigende, aufbauende – hören sie kaum. Sie suchen Nischen und kommen irgendwie durch.“ Die Familie solle ein Ort sein, wo Konflikte und Versöhnung eingeübt werden können. Wenn schutzbedürftige Kinder ohne Begleitung aufwüchsen, sei kein Frieden in der Gesellschaft. Das gelte auch, solang die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklaffe, die Lebensbedingungen zwischen Stadt und Land sehr unterschiedlich seien, wo Menschen sich abgehängt fühlten und sich Hass auf Migranten Bahn breche.

Den Unfrieden in der Welt machte Rekowski an der humanitären Katastrophe im Jemen fest. Die sei menschengemacht. „Weit über 10.000 Menschen in Jemen sind bereits im Krieg gestorben. Millionen befinden sich innerhalb des Landes auf der Flucht. Vor einem Jahr waren über acht Millionen Menschen von Hunger bedroht. Heute sind es 14 Millionen. Wie viele sollen es 2019 noch werden? Es sind die tödlichen Folgen von politischem Machtpoker und mangelndem internationalen Druck auf die Kriegsparteien, sich endlich an die Friedenstische zu setzen. An Orten wie diesen…verliert man den Glauben an die Menschlichkeit“, zitierte der Präses einen Reisebericht des Afrika-Wissenschaftlers Karl-Otto Zentel. Zurück zum Bibelwort aus Lukas: „Zacharias bittet Gott, dass er uns zeige, wo wir hingehören, auf welcher Seite wir zu stehen haben, wo und wie wir dem Frieden dienen. Ja, er bittet Gott, dass er unsere Schritte lenke…“ Das klinge ungewohnt in einer Zeit, in der angeblich nur erfolgreich sei, wer sicher Entscheidungen treffe, in einer Zeit, in der man sich autonom und souverän in einer flexiblen und mobilen Welt bewegen solle. Aber: „Uns allen ist das Gebet vertraut: Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens, dass ich Liebe übe, wo man sich hasst.“

Die Kirchen, fuhr Rekowski fort, verfolgten keinen Selbstzweck. Sie dürften nicht nur fortwährend mit sich selbst beschäftigt und um den eigenen Fortbestand bemüht sein, mit inneren Prozessen und auch nicht nur der Förderungen eines innerlichen und privaten Glaubens. „Als Gemeinschaft der Gläubigen, als Christinnen und Christen lassen wir uns von Gott in diese Welt und zu den Menschen führen. Wir suchen und lassen uns führen auf den Weg des Friedens. Wir werden in der Welt zu Botschaftern der Versöhnung, wie Paulus es nennt.“ Der Präses erinnerte an den Friedensweg, den evangelische und katholische Christinnen und Christen bereits gegangen seien. Etwa in der Caritas und der Diakonie, aber auch bei der gemeinsamen Hilfe für Geflüchtete. „Unsere Kirchen sind konfessionsübergreifende Hoffnungsgemeinschaften. Zu Beginn dieser Adventszeit hoffen und bitten wir mit Zacharias: „Und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann