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Thomas Frings (rechts) und Klaus Eberhard verlesen die Sünden.

Ökumenische „Sündenverbrennung“ in Raderthal – Zwei Pfarrer erbarmten sich der Karnevalisten

Thomas Frings, Großneffe des früheren Kardinals in Köln, jetzt Pfarrvikar in der Herz-Jesu-Gemeinde in der City und Klaus Eberhard, Pfarrer der evangelischen Philippus-Gemeinde in Raderthal, steckten die Köpfe zusammen und lachten Tränen. Mehr als 40 „Sündenkarten“ waren am letzten Abend in der Karnevalszeit 2020 zusammengekommen, und die wollten alle bewertet werden. Die witzigsten „Sünden“ wurden öffentlich vergeben, die anderen schon vorher in das große Feuer vor dem Brauhaus geworfen und von den Flammen getilgt, so ihr Ritual. Zu jeder öffentlich, natürlich anonym verlesenen „Sünde“, hatten die beiden Geistlichen einen Vergebungsspruch auf den Lippen – und das zur Belustigung der umstehenden Karnevalisten.

Ursprungsidee vom Bürgerverein
Wie kommen zwei Pfarrer darauf, öffentlich und ökumenisch „Sünden zu vergeben“? „Uli Kievernagel vom Bürgerverein hat bei uns angefragt, ob wir so etwas machen wollen“, erinnert sich Klaus Eberhard. „Wir waren gleich dabei, für uns ist ein Glücksfall, dass Thomas Frings eingestiegen ist – der ist Karnevalist durch und durch.“ So ist er seit dieser Session Sitzungspräsident der Gesellschaft „Die Grosse von 1823“ und überhaupt macht er sich Gedanken, die Kirche den Menschen näher zu bringen. Als beide zusagten, wurde die Idee der „ökumenischen Sündenverbrennung“ in Raderthal Realität.

Am Feuer kommt die Vergebung
Ganz „pastoral“ schreiten die beiden, nachdem sie die „Sündenkarten“ sortiert haben, durch das Brauhaus am Kloster, winken dem einen oder anderen zu, nach draußen, wo der Wirt Antonio dos Santos ein großes Feuer entfacht hat. Der erste Vorsitzende des Bürgervereins Uli Kievernagel stellt sich mit Prinzenkappe in die Mitte und begrüßt die Gäste mit heiserer Stimme. „Das hier ist unser Veedel, Raderthal lebt!“ ruft er unter dem Beifall der anwesenden Karnevalisten aus. Kurz zuvor hat er bei der Auskleidung gerade den Ornat des Prinzen von Kierdorf abgelegt. „Die Kappe darf ich aber noch tragen.“ Dann übergibt er das Wort an die beiden Geistlichen, um die Jecken endlich zu „erlösen“. Raderthal bekennt: Jungfrauen, Düsseldorf und erotische Gedanken
In der ersten Reihe steht Schwester Franziska von den Benediktinerinnen nebenan. Sie muss schon jetzt lachen, denn sie hat schonmal vorab auf die „Sünden-Pinnwand“ geschaut. Die beiden Geistlichen tauschen die Insignien: Der evangelische Pfarrer setzt das Birett auf den Kopf, der katholische Vikar heftet sich das Beffchen um den Hals. Dann kann es losgehen.

Bekenntnisse
„Wer hat denn hier alles gesündigt?“ ist die Eingangsfrage. Die Abstimmung scheint einstimmig, auch die beiden Geistlichen heben die Hand. Die Gegenprobe war eindeutig – kollektives Schweigen. Mit einer ganz schweren „Sünde“ geht es los: „Ich habe in Düsseldorf Karneval gefeiert“ – da fällt die Vergebung schwer, zumal der „Sünder“ auch noch den Konsum des dortigen Altbieres gesteht. Mit einem Seufzer landet die „Sündenkarte“ im Feuer. Der Refrain von „Nimm mich so wie ich bin“ schallt aus den Boxen, die Gemeinde schunkelt dazu. Dann geht es Schlag auf Schlag: „Ich habe Kohlenhydrate gegessen.“ – Antwort: „Du trägst ja auch 20 Kilo mehr, das ist Strafe genug“.   „Ich habe gedacht, die Jungfrau ist eine Frau.“ – Antwort: „Das ist in der Tat eine Sünde. Wenn du aber glaubst, die Jungfrau ist eine Jungfrau, das ist Dummheit.“ „Ich habe meinen Mann mit einem Clown verwechselt und mir erotische Gedanken gemacht.“ – Antwort: „Vielleicht war dein Mann ja als Clown verkleidet.“

… und 2021?
So ging es weiter, bis zu guter Letzt alle „Vergehen“ der Raderthaler getilgt waren. Dass es in Strömen geregnet hat, haben die Karnevalisten kaum mitbekommen, schließlich hatte Antonio dos Santos eine ganze Palette Schirme aufgestellt. So konnte Uli Kievernagel seine Gäste gut gelaunt verabschieden und im Anschluss wurde noch ein bisschen im Brauhaus weiter gefeiert. Ob es im nächsten Jahr weitergeht? Na klar – „Haben wir immer so gemacht, das muss unser Motto sein,“ lächelte Thomas Frings verschmitzt.

Text: Dr. Klemens Surmann
Foto(s): Dr. Klemens Surmann