Der Streit gehört nun mal zum Leben, er ist zuweilen sogar notwendig, um strittige Fragen zu klären, da waren sich der katholische und der evangelische Theologe einig. Auf der Veranstaltung „Ökumenische Interventionen“ diskutierten Johannes Brosseder, Professor für Systematische Theologie an der Uni Köln, und Gunther Wenz, Professor für Systematische Theologie an der Universität München und Direktor des Instituts für Fundamentaltheologie und Ökumene, deshalb über ein Thema, das in gewissen Kreisen heftig umstritten ist: die Abendmahlsgemeinschaft von Katholiken und Protestanten.
Keine Gegenveranstaltung
Dr. Bernd Wacker und Dr. Martin Bock, die Leiter der katholischen Karl-Rahner-Akademie beziehungsweise der evangelischen Melanchthon-Akademie, hatten gemeinsam zu „Interventionen“ in die Karl-Rahner-Akademie eingeladen. Schon der Untertitel „Studientag anlässlich des Nationalen Eucharistischen Kongresses“ wies darauf hin, dass sie nicht als Gegenveranstaltung zum Großevent der Deutschen Bischofskonferenz gedacht war. Auch die beiden Professoren sowie Moderator Dr. Hans-Georg Link, Präsident der deutschen Region der Internationalen Ökumenischen Gemeinschaft, sprachen vor rund 160 Zuhörenden lieber von einer „Ergänzungsveranstaltung“.
Körperlich real in Brot und Wein?
Wer Streit auf dem Podium erwartet hatte, wurde allerdings enttäuscht. Denn der Katholik Brosseder konnte dem Vortrag des protestantischen Kollegen „voll und ganz zustimmen“: Wenz hatte herausgearbeitet, dass die Theologen beider Konfessionen in den wesentlichen Streitpunkten, die das gemeinsame Abendmahl seit dem 16. Jahrhundert verhindern, längst zu einer Verständigung gefunden haben. Beispiel Transsubstanziationslehre: Weder vertrete die Mehrheit der Katholiken allen Ernstes die Ansicht, Christus sei während der Eucharistie real körperlich in Brot und Wein zugegen, noch hielten die Protestanten das Abendmahl für einen rein symbolischen, zeichenhaften Vorgang.
Asymmetrien in der Praxis
Eine differenzierte theologische Sicht der wesenhaften Gegenwart Christi in der Eucharistie lag im Saal aus, und zwar in Form von Wenz’ Formulierungsvorschlag für eine „Gemeinsame evangelisch-katholische Erklärung zum Abendmahl“, die auch Lösungen für die anderen Knackpunkte anbot. "Wenn aber in der Theologie im Wesentlichen Übereinstimmung hergestellt ist, weshalb bestehen dann die Asymmetrien in der Praxis fort?", fragte Wenz. Weshalb also würden Katholiken höchstens in extremen Einzelfällen vom protestantischen Abendmahl ausgeschlossen, während Protestanten umgekehrt höchstens ausnahmsweise zur katholischen Eucharistie zugelassen würden, etwa wenn eine schwerwiegende Notwendigkeit vorliege? Wobei die Ehe von Partnern unterschiedlicher Konfession häufig nicht als solche akzeptiert werde – was in der Realität nicht selten zu Problemen führe.
Handauflegung von Bischöfen
Gunther Wenz sieht den Grund für die Asymmetrie darin, dass ordinierten protestantischen Geistlichen aus der Sicht maßgeblicher katholischer Geistlicher und Theologen immer noch der „Defekt“ anhaftet, nicht in der apostolischen Sukzession zu stehen. Womit letztendlich behauptet werde, dass sie nicht über die Kompetenz verfügten, die christliche Wahrheit zu verkünden und die Sakramente zu spenden, weil ihnen das Amt nicht durch Handauflegung von Bischöfen übertragen wurde, die diese Linie theoretisch bis zu den Aposteln zurückverfolgen können.
"Historischen Ballast" ersetzen
„Die äußerste Zuspitzung dieses Wahrheitsmonopols ist das Infallibilitätsdogma“, benannte Wenz die für Protestanten nicht akzeptable katholische Vorstellung von der Unfehlbarkeit des Papstes. Das Dogma sollte die unumstößliche Autorität des Bischofs von Rom in Glaubensfragen zementieren, sei aber nicht konstitutiv für die Religion und werde von der katholischen „Basis“ im Alltag auch nicht als bedeutsam für ihren Glauben angesehen, meinte Wenz. Die Katholiken seien gut beraten, solchen historischen Ballast geordnet, unter Führung kirchlicher und theologischer Autoritäten durch demokratische, synodale Strukturen zu ersetzen, die von den Bischöfen bis zu den Laien alle Mitglieder der Glaubensgemeinschaft in angemessener Weise in Entscheidungsprozesse einbinden. Dann werde sich eine für die religiöse Praxis der Gläubigen relativ untergeordnete Frage wie die nach dem gemeinsamen Abendmahl ganz von selbst erledigen und die Kirchen könnten sich den eigentlichen Problemen zuwenden. Der Vermittlung der elementaren christlichen Glaubenssätze etwa, da sei wahrlich einiges zu tun.
"In 500 Jahren sind wir soweit"
Johannes Brosseder irritierte der Gedanke an eine derart radikale Änderung der römisch-katholischen Kirchenverfassung keineswegs: „Sie ist möglich“, meinte er und sah sie in Übereinstimmung mit dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils: Von den Reformen, die in den sechziger Jahren diskutiert wurden, seien bislang allenfalls „20 Prozent“ umgesetzt worden. So müsse endlich auch in der katholischen Kirche stärker akzentuiert werden, dass das zentrale Sakrament des Abendmahls ausdrücklich der Herstellung von Gemeinschaft dienen soll, nicht der Trennung von Menschen. Allerdings empfahl er einen langen Atem, rief auch in Erinnerung, dass selbst Lutheraner und Reformierte erst 1973 zum gemeinsamen Abendmahl fanden. Und die Frage eines Protestanten, ob die Frauenordination in der evangelischen Kirche ökumenische Prozesse zusätzlich beeinträchtige, verneinte er mit sarkastischem Unterton: „Warten Sie, in spätestens 500 Jahren sind wir auch soweit.“
INTERVIEW
mit Dr. Martin Bock, dem Leiter der evangelischen Melanchthon-Akademie und Mit-Initiator der "Ökumenischen Interventionen":
Wie ist es zu dieser Veranstaltung gekommen?
Bock: Im vergangenen Sommer sprachen mich einige Protestanten und Katholiken an, die in der Ökumene hier in Köln engagiert sind. Es zeichnete sich damals ab, dass im Programm des Eucharistischen Kongresses kaum ökumenische Akzente gesetzt werden sollten. Uns war aber klar, dass man das Thema Eucharistie nicht ohne ein Nachdenken über das gemeinsame Abendmahl behandeln kann. Diese Frage gehört zu den Schwerpunkten der ökumenischen Arbeit, und wir wollten den Stand der Diskussion öffentlich machen. Wir waren uns auch schnell einig, dass die Karl-Rahner-Akademie dabei sein sollte. Dort war man sofort einverstanden.
Wollte sich die Leitung der evangelischen Kirche in Köln nicht in irgendeiner Form beteiligen?
Bock: Ich habe den Eindruck, man hat dort sehr schnell gemerkt, dass es beim Eucharistischen Kongress nicht so zugehen sollte wie bei den Kirchentagen zum Beispiel, dass sich also andere Konfessionen nicht einfach einklinken konnten. Das andere Modell einer ökumenischen Einbindung steht der rheinischen Kirche ja aus dem vergangenen Jahr im Bistum Trier vor Augen: Die dortige Heiligrock-Wallfahrt wurde als „Christus-Wallfahrt“ so geplant, dass andere Konfessionen von vorneherein zum Mitdenken und -Planen einbezogen waren. Die Kirchen haben eine konfessionelle Tradition zum Anlass genommen, einen gemeinsamen missionarischen Akzent zu setzen, über das „letzte Hemd“ Jesu zu meditieren. Dies war hier in Köln eindeutig anders. Auf der anderen Seite ist der Eucharistische Kongress auch eine Veranstaltung der Deutschen Bischofskonferenz und befindet sich damit noch einmal auf einer komplexeren Ebene. Aber wie auch immer: Mir war das Thema der Abendmahlsgemeinschaft aber aus theologischer Sicht und vor dem Hintergrund der Stimmen der Menschen, mit denen ich in der Ökumene zusammenarbeite, zu wichtig, um den Kongress einfach so vorbeilaufen zu lassen.
Warum haben Sie nicht beim Bistum angefragt, ob die „Ökumenischen Interventionen“ ganz offiziell im Rahmen des Kongresses stattfinden können?
Bock. Ganz einfach: Wir wollten ganz frei sein bei der Wahl unserer Referenten.
Und weshalb haben Sie Herrn Wenz oder Herrn Brosseder nicht mit einem erklärten Gegner des gemeinsamen Abendmahls konfrontiert? Das wäre für die Diskussion vielleicht fruchtbarer gewesen?
Bock: Da wäre man sehr schnell in eine grundsätzliche Diskussion geraten, das hätte sehr viel mehr Zeit in Anspruch genommen. Unsere Absicht war es auch eher, zu zeigen, dass es Entwicklungsmöglichkeiten gibt, dass Katholiken und Protestanten gemeinsame Grundlagen haben. Das haben die gemeinsamen Erklärungen zur Rechtfertigungslehre und zur Taufe gezeigt, grundsätzlich ist so etwas auch beim Thema Abendmahl möglich. Professor Wenz hatte ja schon eine entsprechende Formulierung mitgebracht und als Tischvorlage verteilt. Was fehlt, ist eine gewisse Offenheit von offizieller katholischer Seite. Die Ergebnisse der ökumenischen Kommissionen müssen aufgenommen, rezipiert werden. Darum geht es. Da dürfen wir nicht aufhören, zu „intervenieren“.
Zeigt nicht gerade die Tatsache, dass das Thema der Abendmahlsgemeinschaft bei der Planung des Eucharistischen Kongresses unter den Teppich gekehrt wurde, dass sich da in nächster Zeit nichts bewegen wird, dass man von katholischer Seite Fortschritte in dieser Frage bewusst verhindern möchte? Oder handelt es sich schlicht um Desinteresse?
Bock: Da kann ich nur spekulieren. Man kann sicher sagen, dass schon Papst Johannes Paul II. eine stärkere Abgrenzung gegenüber den reformatorischen Kirchen betrieben hat, das hat Benedikt XVI. fortgesetzt. Auf der anderen Seite sind sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche derzeit sehr mit sich selbst beschäftigt, mit Umstrukturierungen, mit der Zusammenlegung von Gemeinden zum Beispiel. Uns bleibt derzeit nichts anderes übrig, als an pastoralen Fragen zu arbeiten. Etwa, wenn es um das gemeinsame Abendmahl von Eheleuten geht, die verschiedenen Konfessionen angehören. Da haben auch die Katholiken Spielräume, einzelne Diözesen öffnen sich dafür, und sogar auf der Ebene der nationalen Bischofskonferenzen sind liberale Regelungen möglich.
Foto(s): Hans-Willi Hermans