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NS-Dokumentionszentrum im Kölner El-De-Haus: Neue Gedenkstätte Gestapogefängnis und Ergänzungen der Dauerausstellung, zum Beispiel mit Zeugnissen von Hans Encke

Die Wände der Zellen des ehemaligen Gefängnisses der Geheimen Staatspolizei im Kölner EL-DE-Haus sind angefüllt mit Inschriften: mehrsprachige Zeugnisse von inhaftierten Regimegegnern, Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen. Entstanden in tiefster Not. Wandritzungen als letzte Grüße an die Familie, als Hinweise für Mitgefangene, zur Beschreibung ihrer Situation. Sie geben Stimmungen wieder, drücken die Sehnsucht nach geliebten Menschen aus oder den Hass auf die Peiniger. Bisweilen dokumentieren sie die geistige Flucht in eine schöne Welt. Etwa die liebevolle Zeichnung eines Pferdes mit Reiter. Sie befindet sich in der früheren, unfassbar schmalen Dunkelzelle, einem der schrecklichsten Abschnitte innerhalb des ohnehin bedrückenden Kellertraktes. Seit Ende 1981 ist das Gestapogefängnis Gedenkstätte.

„Denkmal von nationalem und europäischem Rang“ – leider noch nicht bekannt genug
„Das ist ein ganz besonderer Ort“, sagt urteilt Werner Jung, Direktor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln am Appellhofplatz. „Es gibt in Deutschland und in den ehemals von Nazideutschland besetzten Gebieten in Europa keine Haftstätten und Inschriften im Originalzustand in einer solch kompakten und eindrucksvollen Überlieferung“, so der nicht zur Übertreibung neigende Historiker. „Die Gedenkstätte im EL-DE-Haus ist ein Denkmal von nationalem und europäischem Rang.“ Nur sei das in Köln noch immer nicht so bekannt. Beispielsweise hätten es die Kölner Verkehrsbetriebe in fast dreißig Jahren nicht geschafft, in der nahen U-Bahn-Station einen Hinweis auf die Einrichtung anzubringen. „Noch immer drücken Menschen ihren Ärger aus, dass wir schwer zu finden seien.“ Gleichwohl zählte das NS-Dokumentationszentrum, das neben seinem „Herzstück“ Gedenkstätte Gestapogefängnis seit zwölf Jahren auf der ersten und zweiten Etage die Dauerausstellung „Köln im Nationalsozialismus“ beherbergt, 2008 über 52.000 Besuchende – doppelt so viele wie 2002.

Erstmals öffentlich zugänglich
Mitte Mai wurde die Gedenkstätte erneuert und erweitert. Steigt man nun die Treppe in den Zellentrakt hinab, stößt man anstelle eines früheren Wachraums auf einen kleinen Ort der Einkehr. Auffällig ist bereits die Lichtgestaltung. Der Zellentrakt, der Ort der Opfer, ist in warmes Licht getaucht. Atmosphärisch kalt wirkt dagegen der frühere Bereich der Gestapobeamten und Wachleute. Dieser ist nun, wie die genannte Dunkelzelle, erstmals öffentlich zugänglich, respektive einsehbar. Ebenso der Hausbunker im Tiefkeller. Während die Wach- und Gestapo-Leute dort Schutz vor den alliierten Bomben suchen konnten, mussten die Gefangenen in ihren überbelegten Zellen ausharren.

Neuer Gedenkort
In der früheren Aufenthaltsstube des Wächtertrakts ist neu eingerichtet ein Raum im Raum: Gedenkort für die Opfer von Gestapo, Kriminalpolizei und NS-Gewaltherrschaft . Dessen Wände sind grau gestrichen, Licht fällt allein vom Gang und durch das Hoffenster ein. In dieser abgedunkelten Atmosphäre werden unablässig die Namen von ausgewählten hundert NS-Opfern und, soweit bekannt, ihr Geburts- und Todesjahr auf die Wand projiziert. Gleichzeitig werden ihre Namen, Daten und der Grund für ihre Inhaftierung oder Deportation und Ermordung akustisch, in deutscher und englischer Sprache, vorgetragen: als Jude, als Sinti und Roma, als Kommunist, als Zwangsarbeiter… Ein bedrückender Raum, in dem nicht an die Täter, sondern die Verfolgten und Getöteten erinnert wird. Dabei wird deutlich, dass ganze Familien ausgelöscht wurden, vom Kleinkind bis zur Greisin.

Zehn bis 15 Menschen in einer Zelle
Das EL-DE-Haus, benannt nach den Initialen seines Erbauers Leopold Dahmen, wurde 1935 von der Zentrale der Gestapo für den Regierungsbezirk Köln bezogenen. Es gehört zu den wenigen Gebäuden in Köln, die im Krieg unbeschädigt geblieben sind. Wie viele Menschen dort inhaftiert waren, wie viele hier eingeschüchtert, verhört, gefoltert und ermordet wurden, ist nicht genau zu sagen. Zwar wurde das Gefangenenbuch kurz nach Kriegsende wieder gefunden, seither aber ist es verloren. Die zehn verschieden großen, aber insgesamt sehr begrenzten Zellen im Kellergefängnis waren für jeweils ein bis zwei Personen ausgelegt. Tatsächlich berichten Gefangene von einer zehnfachen Überbelegung. „In der Endphase des Krieges haben sich wohl zehn bis 15 Menschen jede dieser Zellen teilen müssen“, stellt Jung fest. „Als Höchstzahl wurden uns 33 Personen in einer Zelle genannt. Unvorstellbar. Dabei muss es wie im Taubenschlag zugegangen sein, Häftlinge kamen hinein, andere hinaus.“

Wandinschriften auf 26 Tafeln
Heute stehen die Türen der Zellen offen. Scheiben verhindern (aus konservatorischen Gründen) zwar ihr Betreten, jedoch nicht den Blick auf die in vielen Sprachen, vor allem in Russisch verfassten Wandinschriften. Damit zahlreiche dieser Mitteilungen aus der Nähe studiert werden können, wurden sie thematisch geordnet und auf Bildträger zusammengefasst. Auf ihnen finden sie sich in deutscher wie englischer Sprache übersetzt und kommentiert. Insgesamt sind es 26 Tafeln. Diese gliedern sich in Themen wie „Namen und Herkunft“, „Protest und Widerstandsgeist“, „Hoffnung und Sehnsucht“, „Haftbedingungen“, „Folter und Verhör“, „Kalender und Daten“. Dokumentiert sind weiter Abschiedsworte und deutliche Hinweise auf die Hinrichtungen im Innenhof. Schließlich die Notiz eines US-Soldaten, der sich als Befreier verewigte. „Die weitaus größte Zahl der Inschriften stammt von Menschen, die wir nicht kennen“, bedauert Jung. Gleichwohl seien fünf der Verfasser namentlich bekannt. So erhalten auf einigen Tafeln die Inschriften ein Gesicht. Eines gehört dem damaligen Zwangsarbeiter Askold Kurow, der allein 23 Nachrichten in die Wände ritzte. Kurow, der 2000 in Noginsk verstarb, war im Februar 1945 die Flucht aus dem Gestapogefängnis gelungen. Die eiserne Tür, die er damals auf dem Weg in die Freiheit aufstieß, ziert heute ein entsprechender Hinweis.

Geschichte der Gedenkstätte: nur bürgerschaftlichem Engagement zu verdanken
Zwei Zellen, deren Trennwand entfernt wurde, dienen als kleine Ausstellungsfläche. Erläutert werden unter anderem die Haft- und Lebensbedingungen der Gefangenen. Zusammengefasst finden sich ebenso der staunenswerte, weil ignorante Umgang mit dem Ort noch lange nach Kriegsende und das bürgerschaftliche Engagement für seine Nutzung als Gedenkstätte. Zudem sind dort Gegenstände zu sehen, die bei der Restaurierung 1980/81 in den Zellen gefunden wurden: Messerklingen, in- und ausländische Münzen, ein Kartei-Leitblech, eine zerrissene Strafverfolgung. Von einem Exemplar des Stoffkennzeichens „OST“, das die Ostarbeiter tragen mussten, ist leider
nur noch ein Foto zu sehen. Das Original wurde 2000 gestohlen.

Das Gebäude ist „das erste Exponat“
Unverändert sei das Gebäude selbst das erste Exponat, betont Jung. Zur Vertiefung des Themas ist auf zwei Etagen eine Dauerausstellung eingefügt. Auf wohltuend zurückhaltende, dennoch unüberhörbare Weise zeichnet sie seit 1997 die lokale Entwicklung von der Weimarer Republik bis Kriegsende nach. Nun hat auch dieser Bereich einige Eingriffe erfahren. So wurden aufgrund neuer Forschungserkenntnisse und pädagogischer Erfahrungen die Einheiten „Jugend, „Unangepasste Jugendliche“ und „Widerstand“ inhaltlich wie optisch überarbeitet. „Gänzlich neu aufgenommen haben wir die Themen ´Gestapo´ und ´Polizei´“, stellt Historiker Martin Rüther fest.

Informationen via Medienstation: zum Beispiel zu Hans Encke
Statt der zuvor früheren Monitore verfügt die ständige Präsentation jetzt über 31 moderne Medienstationen. Sie ermöglichen es Besuchenden, sich anhand von historischen Filmsequenzen und Interviews mit Zeitzeugen gezielt in selbst gewählte Inhalte und Schwerpunkte zu vertiefen. Interviews mit überlebenden jüdischen KZ-Insassen sind darunter. Ebenso ein 1975 aufgezeichnetes Gespräch mit Hans Encke (1896-1976): Seit 1925 evangelischer Pfarrer in Köln-Riehl, war er ab 1934 als Vertrauensmann der Kölner Synode der Bekennenden Kirche tätig. Nicht unumstritten ist seine Tätigkeit als Leiter der kirchlichen Hilfsstelle für evangelische Nichtarier. Seit 1945 amtierte er als Superintendent des Kirchenkreises Köln.
Auf den jüngsten Neugestaltungen werden sich die Historiker nicht ausruhen. In der Dauerausstellung sollen sich weiterhin, nach und nach, neue Forschungsergebnisse niederschlagen. „Am besten so selbstverständlich integriert, dass es auch guten Kennern des Hauses nicht direkt auffällt“, meint Rüther.

Zwei evangelische Pfarrer: Oben ein Foto des von den Nationalsozialisten verfolgtren „roten Pfarrers“ aus Köln, Georg Fritze, drunter ein Foto des jungen hans Encke, rechts Encke nach Kriegsende im Gespräch.


Zukunftsperspektiven

Die lange angestrebte räumliche Komplettierung des NS-Dokumentationszentrums erwartet Jung ab 2012. „Dann verlässt die Galerie die Räume im Nachbarhaus, das wir insbesondere für Sonderausstellungen nutzen möchten.“ Zeitgleich soll der Innenhof des immer noch der Erbauerfamilie Dahmen gehörenden und an die Stadt vermieteten Immobilientraktes in die Gedenkstättenarbeit einbezogen werden. In diesem Hof, respektive auf dem benachbarten Trümmergrundstück hatte die Gestapo einen transportablen Galgen errichtet. An ihm, weniger durch Erschießen, wurden insbesondere in der Endphase des Krieges hunderte von Zwangsarbeitende und Kriegsgefangene aus Kölner Haftstätten, Lagern und dem Hausgefängnis selbst ermordet. Pläne für ein angemessenes Erinnern an die Opfer und den Hinrichtungsort sind bereits fortgeschritten.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich