Hans Leyendecker, einer der bekanntesten Investigativ-Journalisten des Landes, war zu Gast beim Neujahrsempfang der Evangelischen Kirchengemeinden Bergisch Gladbach und Altenberg/Schildgen in der Heilig-Geist-Kirche in Bergisch Gladbach-Hand. Der ehemalige Katholik ist Kirchentagspräsident. Der Kirchentag findet vom 19. bis 23. Juni in Dortmund statt. Und so hielt er denn auch die Festpredigt über die Kirchentagslosung „Was für ein Vertrauen“ aus 2. Könige 18/19. Welche Chancen und Risiken das kommende Jahr in sich berge, wisse man nicht. Das neue Jahr sei ein unbeschriebenes Blatt. Aber mit dem Thema Brexit fange es politisch schon mal nicht besonders gut an, sagte Leyendecker zu Beginn seiner Predigt. Der Blick auf 2018 sei auch nur verhalten positiv: „Wir haben weltweit den Erfolg der Autokraten erlebt, und hier bei uns das Gesindel, das in aller Öffentlichkeit den Hitlergruß zeigt. Wir erleben Gewalt in einem gesellschaftlich aufgeheizten Klima.“ Das vergangene Jahr habe viele Menschen, die sich in der Zivilgesellschaft engagierten, müde gemacht. Dabei leisteten gerade die in der Kirche Engagierten viel. Für Kinder und alte Menschen, für Flüchtlinge und noch so viele mehr.
Es gebe tolle Musik in den Kirchen, „wie wir sie heute vom Chor Cantanova erleben“, der den Gottesdienst anlässlich des Neujahrsempfangs musikalisch begleitete. Und trotzdem würden immer noch Menschen „uns den Rücken kehren“, sagte Leyendecker weiter. Ohne ärgerlich oder wütend zu sein, ohne Ablehnung der Kirche seien sie „freundlich desinteressiert“. Viele aus der evangelischen Kirche würden gegen Rechtsextremismus eintreten. Und dennoch würde die Zahl der Wähler der „rechtsumsumpften AFD“ weiter steigen. Und trotzdem: Die Zahl derjenigen steige, die sich in der Nachbarschaft und weltweit ehrenamtlich engagierten. Man dürfe nicht immer nur auf das Dunkle schauen. Aber Vorsicht: „Irgendwann werden auch die mit dem längsten Atem müde. Es gebe eine große Verunsicherung, ob das, was man tue, wirklich richtig sei. Auch in seinem ureigenen Feld, dem investigativen Journalismus.
„Ich habe ihn investigativ betrieben. Manchem gefiel das, anderen nicht. Aber soviel Misstrauen wie im Moment habe ich noch nie erlebt“, sagte Leyendecker, der beim „Spiegel“ und bei der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) als Ressortleiter gearbeitet hat. Bei Letzterer war er als Leiter des „SZ-Investigativ-Ressorts“. In Bezug auf das Predigtthema und das Misstrauen in die sogenannte „Lügenpresse“ erklärte Leyendecker: „Es hat nach meiner Meinung noch nie soviel guten Journalismus gegeben wie im Moment. Bei der Aufdeckung der Panama-Papers-Affäre haben bei der Süddeutschen Zeitung 40 Journalisten mitgearbeitet. Weltweit waren es Journalisten aus 75 Ländern.“ In der Bibelstelle, die Leyendecker auslegte, geht es darum, dass Petrus und seine „Fischerkollegen“ eine Nacht lang vergeblich versucht haben, ihre Netze zu füllen. Jesus kommt und sagt, dass sie es nochmals versuchen sollen. Und obwohl die Fischer müde sind, fahren sie nochmal auf den See. Einzig und allein im Vertrauen auf Jesu Wort. Und die Netze füllen sich, bis sie zerreißen. Ein Erfolg für die Fischer, obwohl sie schon eine Nacht erfolglos gefischt haben und müde sind.
Leyendecker erzählte eine Geschichte aus einem Pfarrkonvent: „Da fiel einem Kollegen auf, dass ein Pfarrer immer blasser wurde, seine Haare immer mehr ergrauten. ,Du gefällst mir nicht. Was ist los mit Dir? ,Ich arbeite sieben Tage die Woche 14 Stunden am Tag‘ hat der Kollege geanwortet. ,Ja schläfst Du denn nie?‘ ,Der Teufel schläft auch nicht.‘ ,Du suchst Dir die falschen Vorbilder‘.“ Vertrauen sei immer ein Wagnis, gab Leyendecker der Gemeinde mit auf den Weg. Denn wer Vertrauen schenke, sei sich oft selbst nicht sicher. Aber Vertrauen sei wichtig, eben weil man sich selbst nicht sicher sei. „Auf Dein Wort“, so habe Simon Petrus auf Jesu Wort gesagt, „fahren wir noch einmal zum Fischen“. „Gottvertrauen ist die Grammatik des christlichen Lebens“, sagte Leyendecker. Denn: „Die Resignation wird mich nicht erschlagen oder lähmen. Der Gott, dem ich vertraue, will nicht, dass ich die Welt rette. Denn die Rolle des Erlösers ist bereits vergeben. Das gilt für uns alle.“ Nur im Vertrauen auf Gott könne man für andere da sein.
Zusammen mit Hilde Domin könne man „widerständig vertrauen“, aber dennoch vertrauen: „Weil Gott mitgeht, auch wenn wir falsch abbiegen. Er füllt unsere Netze und unser Herz. Wir stehen nicht rum mit unseren vollen Netzen. Wir fahren heraus, weil wir auf den Fang vertrauen. Das Gottvertrauen hilft uns, andere zu halten und auszuhalten. Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.“ Die Kirchentagslosung „Was für für ein Vertrauen“ sei als Einladung zu verstehen. „Erfolgsnachrichten und Tatendrang finden sich in der Bibel.“ Und: „Wer Gott vertraut, lässt seine Solidarität nicht an Landesgrenzen enden.“
Leyendecker erinnerte an die Bekenntnissynode 1934 in Wuppertal: „Ich halte, weil ich gehalten werde“ heiße das Wort aus dem Siegel der Bekennenden Kirche des Rheinlands. Und an die Barmer Erklärung mit der „freien Gnade Gottes“. Es gehe im Moment um die, die glaubten, moralisch im Recht zu sein, und um die, die der Meinung seien, dieses oder jenes „dürfe man schon mal sagen dürfen“. Es gehe um die, die andere Elite nennen würden, und andere die Verlierer genannt würden. Die Evangelischen hätten ein gutes Verhältnis zu guten Nachrichten, so Leyendecker. Die beste Nachricht von allen sei das Evangelium. „Das steht vor allem.“ Und die gute Botschaft zum Schluss: „Ein Jahr, an dessen Anfang das Vertrauen zu Gott steht, kann kein schlechtes Jahr sein.“
Aber es ist nicht nur Gott, dem Hans Leyendecker vertraut. Sein Vertrauen gilt ebenfalls – wenn auch auf eine komplett andere Weise – Trainer Lucien Favre und seinen Jungs von Borussia Dortmund. Leyendecker ist glühender Anhänger des BVB. Und so überreichte Pfarrer Carsten Biereis dem Festprediger einen schwarz-gelben Fan-Schal als Geschenk. Denen traut er in diesem Jahr eine Menge zu. Pfarrer Biereis wusste auch was: „Deutscher Meister, Pokalsieger und Champions-League-Sieger. Und dann fährt Hans Leyendecker als Triple-Sieger und Präsident zum Kirchentag nach Dortmund.“
Pfarrerin Andrea Vogel, Superintendentin des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch, sagte in ihrem Grußwort, dass für sie das Blatt 2019 alles andere als unbeschrieben sei. „Wir haben die Landessynode erlebt. Dort haben wir sehr intensiv diskutiert und uns auf einen Kompromiss geeinigt.“ Da ging es um die Verteilung der Kirchensteuern zwischen „reichen“ und „armen“ Kirchenkreisen. Vogel war die Losung für das Kirchenjahr 2019 wichtig. „Suchet den Frieden und jaget ihm nach.“ Gemeinsam unterwegs zu sein in einem friedvollen guten neuen Jahr, wünschte sie den Gästen in der Heilig-Geist-Kirche. Die Superintendentin weiter: „Wo finde ich in neuen Jahr Frieden für mich, aber auch für die anderen. Und wo kann ich mit vollem Herzen in Meinungsverschiedenheiten mit anderen unterwegs sein? Aber das ist völlig in Ordnung. Weil wir fair miteinander umgehen.“
Foto(s): Stefan Rahmann