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Neues Straßenschild für wegweisende Theologin

2005 stimmte die Bezirksvertretung der Kölner Innenstadt für die Benennung eines Fußwegs zwischen Café Stanton und Renzo Pianos Kaufhausgebäude als „Ina-Gschlössl-Weg. Der Straßenname erinnert an Kölns erste Vikarin und eine couragierte Frau, die für ihre Überzeugung in der NS-Zeit berufliche und persönliche Nachteile in Kauf nahm.
„Schilder sind Wegweiser“ bemerkte Hans Mörtter, Pfarrer an der Lutherkirche. „Und Ina Gschlössl war für mich immer ein Begriff als Vorkämpferin für die Gleichberechtigung im Pfarramt.“ Mörtters Vorschlag im Presbyterium der Evangelischen Gemeinde Köln, eine Straße nach Ina Gschlössl zu benennen, wurde von dort an die Bezirksvertretung weitergeleitet, die ihn 2005 befürwortete. Das Straßenschild, das Mörtter jetzt gemeinsam mit dem Bezirksbürgermeister Andreas Hupke enthüllte, soll sie jetzt endgültig dem Vergessen entreißen. Zeitgleich hat Dr. Anselm Weyer im Auftrag der Gemeinde eine Broschüre verfasst, die einen Überblick über ihren Lebensweg gibt.

Der Weg an die Universität
Ina Gschlössl wurde 1898 als Nikolaine Maria Elisabeth Gschlössl in Köln geboren und wuchs in Nippes auf. Ihr Abitur machte sie 1918 an der Königin-Luisen-Schule. Ein Jahr später erhielt sie nach dem Besuch der Seminarklasse des Oberlyzeums das Zeugnis der Lehrbefähigung für Französisch und Religion. Einem beruflich unabhängigen Leben hätte ihr als Lehrerin nichts mehr im Wege gestanden, aber sie wollte mehr: Nach einem kurzen Gastspiel an der Sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln begann sie 1920 in Bonn erst Philologie, später Theologie zu studieren. 1924 setzte sie ihr Studium in Marburg fort.

Gehilfinnenrolle unerwünscht
In Marburg war sie 1925 Mitbegründerin des „Verbands evangelischer Theologinnen“, dessen Kurs ihr jedoch bald zu angepasst wurde. „Der Wunsch, als Theologin innerhalb der Gemeinde tätig zu sein, entspringt nicht frauenrechtlerischen Bestrebungen.“ zitiert Dr. Anselm Weyer eine Meldung über die Gründung des Verbandes in „Die christliche Welt“, 1925. Dieser Verband gab sich mit dem zufrieden, was die Evangelische Kirche Frauen in den zwanziger Jahren zugestand: Theologiestudium und Arbeit in der Gemeinde waren geduldet, aber bitte nicht als Pfarrerin. Offiziell durften Frauen zwar Vikarin werden, waren aber dennoch von den Aufgaben des Pfarramts wie Gemeindegottesdienst und Sakramenten ausgeschlossen. „Vom Amt der Vikarin (…) bleibt bei näherer Betrachtung nichts übrig als gelegentliche Vertretung und Gehilfinnentätigkeit unter Leitung des verantwortlichen Theologen“ konstatierte Ina Gschlössl in einem eigenen Artikel, gemeinsam mit Annemarie Rübens, ebenfalls in „Die christliche Welt. „Um zu dieser Arbeit zu gelangen, haben wir nicht Theologie studiert“.

Vikariat beim „roten Pfarrer“ und Arbeitslosigkeit
Ihr Vikariat tritt sie dennoch 1927 an, allerdings nicht bei einem Durchschnittspfarrer: Georg Fritze, (1874-1939), im Volksmund bekannt als „roter Pfarrer“, hat Kontakte zu regliösen Sozialisten und befürwortet die Ordination von Frauen. Eine Pfarrstelle bleibt für Ina Gschlössl ein Traum. Vermutlich wegen ihrer unbequemen Ansichten muss sie ihr Lehrvikariat abbrechen und wird als Lehrerin an die berufsbildenden Schulen abkommandiert, eine Stelle, die nicht von der Kirche, sondern von der Stadt finanziert wird. Im September 1933 muss sie auch dieses Amt aufgeben. Sie habe am 5. Juli 1933 “ in einer Religionsstunde ungeziemende Bemerkungen über den Herrn Reichskanzler und andere Staatsmänner gemacht und sich über die Judenfrage in einer Weise ausgelassen (…) die jedes Verständnis für den nationalen Standpunkt vermissen lassen“ begründet Kölns Oberbürgermeister Dr. Günter Riesen die Maßnahme. Ihre SPD-Mitgliedschaft und kritische Äußerungen über die Rassenideologie der Nationsozialisten, die sie bereits 1932 veröffentlichte, werden den NS-Machthaben ein weiterer Dorn im Auge gewesen sein. Eine neue Stelle im kirchlichen Bereich wurde ihr von ihrer Gemeinde nicht besorgt. Nach vier Jahren ohne festes Einkommen, in denen sie sich als Privatlehrerin durchschlug, wurde sie 1938 als Fürsorgerin für die Innere Mission angestellt. Hier hatte sie neben Vormundschaften und Schutzaufsichten auch die traurige Aufgabe, Gefangene, auch Todeskandidatinnen, im Gefängnis Klingelpütz zu betreuen. Auch die Betreuung „halb-arischer und nicht-arischer evangelischer Christen“ zählte zu ihren Aufgaben.

Späte Würdigung
Während der NS-Zeit erfuhr Ina Gschlössl wegen ihrer Haltung von ihrer Kirche wenig Unterstützung. „Wenn sie nicht von ihrem beharrlich eigensinnige politischen Urteil zurecht findet“ könne man ihr im Bereich der Kirche keine neue Stelle bieten, hieß es 1933 nach ihrer Entlassung aus dem Berufsschuldienst in Gemeindekreisen. Dies ändert sich nach 1945: „Nach dem Weltkrieg war die Evangelische Kirche plötzlich überaus froh, mit Ina Gschlössl eine Mitarbeiterin mit einer derart tadellosen Reputation in den eigenen Reihen zu haben“ stellt Dr. Anselm Weyer in seiner Publikation fest. Auch die Stadtverwaltung wünschte ihre Arbeitskraft: Ihr Nachlassverwalter und Vertrauter Joachim Schmidt erinnert sich, dass ihr die Leitung des Jugend- und Sozialamtes angeboten wurde. „Sie wollte aber nicht in die Verwaltung, sondern mit Menschen arbeiten“, so Schmidt. Obwohl der Superintendent Hans Encke 1946 ihre klare Haltung während der NS-Zeit lobte, bot man ihr auch diesmal keine Pfarrstelle an, sondern schickte sie wieder an die Kölner Berufsschulen, wo sie den Wiederaufbau des Religionsunterrichtes übernahm. Auch wenn dies nicht ihr Wunschberuf und im zerbombten Nachkriegsköln keine dankbare Aufgabe war, ließ sie, so Schmidt, niemanden spüren, „dass diese Arbeit eigentlich ihre zweite Wahl war“. Zu ihrer Haltung und ihrem Schicksal in der NS-Zeit verlor sie wenig Worte: „Das hat sie als Eitelkeit empfunden“ erinnert sich Joachim Schmidt. 1966 wurde sie pensioniert, seit 1976 lebte sie bei einer Nichte in Neusäß bei Augsburg, wo sie 1989 starb. Die Gleichstellung der deutschen Theologinnen in der evangelischen Kirche 1975 durfte sie noch miterleben.

Führung der AntoniterCityTours
An den Lebensweg von Ina Gschlössl, aber auch weiterer Kölner Protestanten im Nationalsozialismus erinnert eine Führung, die bei bei Antoniter CityTours, Telefon 0221/ 92 58 46 14, gebucht werden kann. Behandelt werden unter anderem Stationen aus dem Leben von Moritz Weisenstein (Diakon und Missionar), Georg Fritze (Pfarrer an der Trinitatiskirche), Julio Goslar (Kirchenmusiker in Nippes) und Ernst Flatow (Pfarrer jüdischer Herkunft, 1942 deportiert).

Die Broschüre „Ina Gschlössl. Der Traum vom Pfarramt“ von Dr. Anselm Weyer ist zum Preis von 5 Euro im Foyer der Antoniterkirche (Schildergasse 57) erhältlich. ISBN 978-3-942186-02-5.

Text: Annette von Czarnowski
Foto(s): Annette von Czarnowski