Ein „neues Gesicht“ in der Antoniterkirche in der Schildergasse: Dabei handelt es sich nicht um eine hauptamtlich Mitarbeitende oder einen ehrenamtlich Tätigen, nicht um ein jüngst getauftes oder zugezogenes Gemeindeglied. Die Rede ist von einer Holzskulptur. Sie stellt den heiligen Antonius dar. „Dank einer privaten Schenkung gelangte sie vor gut einem Jahr in den Besitz unserer Kirche“, erklärt Markus Herzberg, Pfarrer an der Antoniterkirche. Im Dezember wurde das vermutlich um 1450 in Köln geschaffene Kunstwerk im Gotteshaus platziert. Mitte Januar dankte die Evangelische Gemeinde Köln in einer Evangelischen Messe für die Stiftung des Bildwerkes.
Ausdrucksstarkes Gesicht
Die künstlerisch hochwertige Figur steht gesichert auf einer kleinen Konsole. Das Tragelement ist angebracht am nordwestlichen der vier Pfeiler – auf halber Höhe zum Gewölbeansatz, etwa entsprechend dem Niveau der Fensterbrüstung. Der Kopf des Heiligen ist nach rechts, der Blick leicht abwärts gewandt. Realitätsnah und ausdrucksstark hat der unbekannte Urheber das langbärtige Gesicht des Heiligen geschnitzt. „Über seinem langen Untergewand trägt er einen weiten Chormantel mit Kapuze, mit der rechten Hand rafft er den Mantel“, beschreibt Herzberg. „In der linken Hand hält er ein großes Buch und zu seiner Rechten befindet sich ein Schwein, das sogenannte Antoniusschwein, als Attribut.“
Weshalb ein Schwein als Attribut?
Das Schwein steht für die vielen Versuchungen, denen Antonius widerstanden habe; Versuchungen des Teufels in Gestalt auch eines Schweines, lautet eine Erklärung. Historisch belegt ist die große Bedeutung, die Schweine, beziehungsweise deren Verkauf, für den nach dem Wüstenvater benannten Orden hatten. Dieser besaß im Mittelalter das Privileg, „seine Schweine frei laufen zu lassen“. Der namhafte Antoniterforscher Adalbert Mischlewski bezeichnete Antoniusschweine als Markenzeichen der Antoniter. Er zitierte den Satiriker Guiot de Provins, der um 1207 festhielt, dass es „von Schottland bis nach Antiochien … weder Stadt noch Schloß gibt, wo man nicht diese Schweine sieht“. Um regelmäßig an Mittel für ihre wachsende Hospitaltätigkeit zu gelangen, schickte laut Mischlewski der Orden Almosensammler aus, „die das Bild der Antoniter bis in die Reformationszeit entscheidend mitgeprägt haben“.
Das Fleisch der Schweine an Arme verteilt
Die mit päpstlichen Privilegien versehenen „Antoniusboten“ hätten versucht, „möglichst viele Gläubige zu einer alljährlichen Spende anzuhalten, für welche sie Anteil an allen guten Werken der Antoniter erhielten“, so der Historiker und Theologe. Der Tatsache, dass nicht jedermann habe Geld spenden können, verdanke die Einrichtung der oft zitieren Antoniusschweine ihre Existenz. „Wer kein Bargeld zur Verfügung hatte, gab ein Ferkel. In einigen Gegenden war ein Ferkel von jedem Wurf üblich“, so Mischlewski. „Diese Ferkel durften auch in der Stadt frei herumlaufen und wurden von Haushaltsabfällen ernährt.“ Nach der Schlachtung, häufig am Antoniustag, dem 17. Januar, wurde das Fleisch an Arme verteilt, verkauft oder diente in den Niederlassungen und Hospitälern selbst als Speise. Der „Ferkestünn“, wie aufgrund dieser Praxis im Rheinland der hl. Antonius auch genannt wird, fungiert übrigens nicht nur als Schutzheiliger der Armen und Kranken, sondern auch der Haus- und Nutztiere.
Antonius gilt als der Begründer des christlichen Mönchtums
Der heilige Antonius (um 251–356), auch bezeichnet als Antonius der Einsiedler und Antonius der Große, stammt aus einem Dorf im heutigen Ägypten. Den geerbten Besitz gab der etwa Zwanzigjährige auf und zog sich in die Einsamkeit zurück. Beeinflusst habe ihn ein Bibelwort aus dem Matthäusevangelium, so Herzberg: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib ihn den Armen; und du wirst einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach!“ Antonius gelte als der Begründer des christlichen Mönchtums, informiert der Pfarrer.
Auf den Namen und das Wirken des Wüstenvaters zurück geht der 1095 in Frankreich als Laienbruderschaft gegründete und seit 1232 als Hospitalorden organisierte Antoniterorden. Verschrieben hatte sich der Orden insbesondere der Behandlung von Erkrankten, die an einer Mutterkornvergiftung litten. Im Mittelalter trat diese „Antoniusfeuer“ genannte Krankheit vor allem in Westeuropa epidemisch auf.
Antoniterkirche seit 1802 evangelisch
Ende des 13. Jahrhundert ließen sich auf Einladung des Erzbischofs Antoniter auch in Köln nieder. In ihrer circa 1380 eingeweihten Kirche wird laut Herzberg mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Figur ihres Patrons Aufstellung gefunden haben. Unter der französischen Besatzung Kölns gingen 1802 die Ordensgebäude der Antoniter mitsamt dem Sakralbau in den Besitz der Evangelischen über. Diese hielten am Namen Antonius für ihre Kirche fest.
„Jetzt findet eine Figur des Heiligen bei uns wieder einen festen Ort“, freut sich Herzberg. Damit erfülle man auch den Wunsch der schenkenden Person, dass das Werk dauerhaft in der Kirche in der Schildergasse der Gemeinde und Öffentlichkeit zugänglich sein möge.
Der hl. Antonius als ein Vorbild für persönlich-ethisches Verhalten
In Artikel 21 der 1530 von Philipp Melanchthon und Mitarbeitern verfassten Confessio Augustana (Augsburger Bekenntnis) wird auf Heiligenverehrung „als Teil der gemeinsamen christlichen Tradition“ eingegangen. Dagegen ausgeschlossen wird die Anrufung der Heiligen. „Mittler, Versöhner, Hohepriester und Fürbitter“ sei nach biblischem Zeugnis allein Jesus Christus. Melanchthon wies der Verehrung und dem Gedenken von Heiligen eine doppelte positive Funktion zu. Er ging von einer Stärkung des Glaubens aus, wenn die Kirche sehe, wie Gott den Heiligen Gnade erwiesen habe. Zudem empfand er ihre guten Werke als vorbildlich für das persönlich-ethische Verhalten der Christen.
Foto(s): Engelbert Broich