Das kommt auch nicht alle Tage vor. Erst recht nicht in Zeiten wie diesen. Die Evangelische Brückenschlag-Gemeinde Köln-Flittard/Stammheim will eine neue Kirche bauen. Genauer gesagt ein „Gemeindezentrum mit Sakralbau“, wie es in dem Auslobungstext für den Architektenwettbewerb heißt, der jetzt abgeschlossen wurde.
Städtebauliche Aufwertung und Stärkung
Unter sechs beteiligten Büros hatte „Sauerbruch Hutton“ aus Berlin am Ende die Nase vorn gehabt. Neben drei Architekten gehörten der Jury Andrea Vogel, Superintendentin des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch, der Kölner Baudezernent Bernd Streitberger sowie Gerold Vorländer, Pfarrer der Brückenschlag-Gemeinde, an. Die Aufgabe für die Wettbewerbsteilnehmer war klar umrissen: „Die Ortsmitte von Stammheim soll durch die ausgelobte Neubebauung eine städtebauliche Aufwertung und Stärkung erhalten. Die Neubebauung soll auch zu einer Belebung der Ortsmitte beitragen und einladend in den öffentlichen Raum hinein wirken. Die Brückenschlag-Gemeinde ist nach einem langen Fusionsprozess Vorbild für andere Gemeinden, für ,Einander-die-Hände-reichen‘ in einer Zeit des ,Enger-Zusammenrückens‘. Daher hat der Neubau des Gemeindezentrums in dieser Zeit Pilotcharakter. Gewünscht ist ein baukünstlerisch und gebäudeplastisches Gebäude, das dem Pilotcharakter dieser lebendigen Gemeinde die entsprechende Strahlkraft verleiht.“ Soweit dazu.
Vorländer: „Der gesamte Baumbestand bleibt erhalten“
Dann kamen die Architekten. Einstimmig votierte die Jury für den Vorschlag aus Berlin. Der geplante Neubau wurde hinter das bestehende Bonhoeffer-Haus an der Bonhoeffer Straße platziert. Er liegt an der Nordseite des Grundstücks. „Der gesamte Baumbestand bleibt erhalten“, verweist Pfarrer Vorländer auf einen wichtigen Aspekt. Schließlich werden unter dem Bäumen, der „Open-Air-Kathedrale“ der Gemeinde, regelmäßig Freiluftgottesdienste wie zum Beispiel zur Konfirmation gefeiert. „Auf die Wiese passen 500 Leute“, erklärt Vorländer, der im Übrigen eine sehr aktive Gemeinde leitet. Einer der Hauptgründe für den Neubau und den Abriss des alten Bonhoeffer-Hauses: „Der alte Kirchraum ist einfach zu klein. Erst recht nach der Fusion“, sagt der Pfarrer. Es vergeht kaum ein Sonntag, an dem nicht Leute während des Gottesdienstes stehen müssen, weil alle Stühle besetzt sind und mehr nicht aufgestellt werden können. Darüber hinaus ist es für Rollstuhlfahrer und -fahrerinnen schlechterdings fast unmöglich, den Gottesdienst zu besuchen, weil der entsprechende Raum im ersten Stock liegt. Aufzug Fehlanzeige.
Gottesdiesnte mit Live-Pop-Musik
Der Neubau genügt natürlich allen Anforderungen, die man an ein Gemeindezentrum stellt. Um den eigentlichen Kirchraum mit einer Höhe von zwölf Metern gruppieren sich an den Seiten die Gemeinderäume. „Dieser Kirchraum ist wirklich Kirche im Unterschied zu unserem jetzigen Gemeindesaal“, lobt Vorländer den Entwurf, der auch eine Seitenkapelle vorsieht, die nach dem Prinzip der „Offenen Kirche“ täglich geöffnet sein wird für Menschen, die im Alltag einmal innehalten wollen. Auch der Bandraum mit Zugang zum Kirchraum ist dem Pfarrer wichtig, „weil wir hier viele Gottesdienste mit Live-Pop-Musik feiern“. Dass alle Räume barrierefrei zu erreichen sind, versteht sich von selbst. Vor dem Kirchraum ist ein Foyer geplant, das großzügig mit Tageslicht beleuchtet wird. „Der Kirchenbaukörper ist von großer Schlichtheit, mit reduzierter Materialität und wenigen großzügigen Öffnungen. Zum Kirchplatz gibt er Orientierung, bietet Halt und ist ein überzeugender Ort der Kontemplation“, heißt es im Architekten-Deutsch des Preisgerichts. Zwei Besonderheiten hat der Entwurf zu bieten. Da ist zum einen der Kirchturm, der eigentlich gar keiner ist. Die Glocken, die man aus der Lukaskirche in Flittard vor deren Abriss ausgebaut hat, werden in einer „Wandscheibe“ hängen, die an der Bonhoefferstraße steht. Die zweite Besonderheit ist das „Kolumbarium“, ein Urnenfriedhof direkt neben der Kirche.
Alle Entwürfe sind derzeit im Bonhoeffer-Haus ausgestellt
Im Moment sind alle sechs Entwürfe im Bonhoeffer-Haus ausgestellt, auf Zetteln können sich die Gemeindeglieder lobend oder kritisch äußern. Endgültig entscheiden wird das Presbyterium Ende September. „Sicher werden noch einige Änderungen am Siegerentwurf vorgenommen“, erklärt Vorländer. Er rechnet trotzdem mit dem Baubeginn für 2010, 2011 soll das neue Gemeindehaus fertig sein. Das Ganze kostet natürlich Geld. Vorländer rechnet mit Gesamtkosten von 1,9 Millionen Euro. „Darin enthalten sind aber auch die Generalsanierung des Wohnhauses, das der Gemeinde gehört, der Abriss des Bonhoeffer-Hauses und die Sanierung des Jugendheimes in Flittard“, so der Pfarrer. Die Gemeinde kann für den Neubau stolze 700.000 Euro Rücklagen flüssig machen, dazu kommt noch der Erlös aus dem Verkauf der Lukaskirche, wo heute ein Altenwohnheim der Johanniter gebaut wird. „Und dann benötigen wir noch einen Zuschuss von rund 500.000 Euro vom Evangelischen Kirchenverband Köln und Region“, sagt Pfarrer Vorländer. „Ich glaube, da stehen unsere Chancen nicht ganz schlecht.“
Foto(s): Stefan Rahmann