„Welch ein himmelweiter Unterschied zwischen Köln und diesem netten, reinlichen, wohlhabenden Düsseldorf!“ Eine Meinung, die nicht erst in unserer Zeit zu hören ist, sondern auch schon vor über 200 Jahren geäußert wurde. Das „Schimpfen auf Köln“ hat eine lange Tradition. Georg Forster (1754-1794), einer der ersten feuilletonistischen Reiseschriftsteller, blieb nicht allein mit seiner despektierlichen Äußerung. Zahlreiche kritische Stimmen kamen im Laufe der Zeit dazu und werden wohl auch in Zukunft nicht verstummen.
Lob auf benachbartes Düsseldorf
Etwa 20 Teilnehmende trafen sich kürzlich zum literarischen Spaziergang und machten sich mit Dr. Anselm Weyer auf die Suche nach den Anlässen der Schmähreden auf Köln und seine Einwohner. Lebhaft und abwechslungsreich berichtete der Literaturwissenschaftler von den mal mehr, mal weniger kunstvollen Schimpftiraden, die seit eh und je auf Köln niederprasseln. Die neue Führung der AntoniterCityTours hatte somit ihren „ganz eigenen“ Unterhaltungswert, zumal der Stadtführer die literarischen Kritiker immer wieder selbst zu Worte kommen ließ. Auf „mäandernden Wegen“ durch die weniger schönen Straßenzüge der Innenstadt (ja, liebe Kölner, auch die soll’s geben!) fiel das Lob auf das benachbarte Düsseldorf umso höher aus, etwa bei Forster: „Eine wohlgebaute Stadt, schöne massive Häuser, gerade und helle Straßen, tätige, wohlgekleidete Einwohner; wie erheitert das nicht dem Reisenden das Herz!“
Ins Hotelzimmer verkriechen
Die Rivalität zwischen den beiden Rheinmetropolen war noch mehrfach Thema auf dieser Führung, die an Sankt Peter begann, die Cäcilienstraße und die Schildergasse entlang ging, und vom Gürzenich über Heu-, Eisen- und Fischmarkt zur Rheinuferpromenade führte. Einen „dicken fetten Ratschlag“ von Max Goldt an die Bewohner beider Städte, Köln und Düsseldorf, hörten die Teilnehmenden an der Anlegestelle der Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrtsgesellschaft: „Wenn ich in eine dieser Städte fahre, möchte ich mich am liebsten im Hotelzimmer verkriechen, damit ich ja niemandem begegne, der mir zum tausendsten Mal erzählt, dass er die jeweils andere Stadt ganz schrecklich findet, denn das ist eine für Außenstehende vollkommen uninteressante Information. Jedem halbwegs gereisten Menschen hängt sie zum Halse heraus. In beiden Städten lässt sich’s angenehm in der Kaffeetasse rühren, und beide sind, städtebaulich betrachtet, einleuchtende Beispiele für die These von der Allgegenwärtigkeit Hannovers.“
Hauptsächlich romanische Kirchen
Die städtebauliche Situation ist ein weiterer Punkt, an dem sich die Streitmeinungen entzünden. Ärger und Überdruss verursacht bis heute die „verkehrsgerechte Planung“ der Kölner Innenstadt in der Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg. Vor dem Aral-Parkhaus an der Cäcilienstraße (in den 1960er Jahren mit dem „Kölner Architekturpreis“ prämiert!) kam hierzu Heinrich Böll zur Sprache. Immer wieder prangerte der Kölner Schriftsteller mit bitteren Worten die profitorientierte Bautätigkeit der Nachkriegszeit an: „Schlimm war so eine Entwicklung wie die Nord-Süd-Fahrt, die ja praktisch ganze Viertel zu Friedhöfen gemacht hat“. Oder: „Köln ist für mich eine verschwundene, versunkene Stadt, in der ich einige Punkte noch erkenne, und das sind hauptsächlich die romanischen Kirchen.“
Allgegenwärtige Übermacht der Katholiken
Eine andere Sicht auf die Kirchen hatten die Literaten der Aufklärung, welche die allgegenwärtige Übermacht der Katholischen Kirche in Köln angriffen, den Reliquienkult und die klerikalen Privilegien verhöhnten. In der Schildergasse 96, dem ehemaligen Sitz der Brauerzunft, wurde 1802 der erste öffentliche evangelische Gottesdienst gefeiert. Eine im Pflaster der Fußgängerzone eingelassene Plakette erinnert an das denkwürdige Ereignis. Hier kam noch einmal Georg Forster zu Wort: Im „finstren, traurigen Köln“ sei neben Gotteshäusern und Altären von „so ungeheurer Zahl, dass sie meinen Glauben übersteigen … kein Plätzchen übrig, wo die Christen, die den Papst nicht anerkennen, ihre Andacht frei verrichten dürften“. Die schon bewilligte freie Religionsausübung der Protestanten nahm der Rat der Stadt Köln Ende des 18. Jahrhunderts wieder zurück, „weil der Aberglaube des Pöbels mit Aufruhr, Mord und Brand drohte“.
Kritik auch von Heinrich Heine
Scharf urteilte auch Heinrich Heine 1843 in „Deutschland. Ein Wintermärchen“ über Köln: „Ja, hier hat einst die Klerisei ihr frommes Wesen getrieben, hier haben die Dunkelmänner geherrscht, die Ulrich von Hutten beschrieben. Die Flamme des Scheiterhaufens hat hier Bücher und Menschen verschlungen; die Glocken wurden geläutet dabei und Kyrie eleison gesungen. Dummheit und Bosheit buhlten hier gleich Hunden auf freier Gasse; die Enkelbrut erkennt man noch heut an ihrem Glaubenshasse.“ Besonders viel Ärger und Unverständnis erregte seit der Aufklärungszeit der Kult um die Reliquien, im Mittelalter ein maßgeblicher Faktor für den Handel und Wohlstand der Stadt: „Nirgends erscheint der Aberglaube in einer schauderhafteren Gestalt als in Köln“ urteilt 1790 Georg Forster. „Wenn die Legende von den elftausend Jungfrauen auch wahr wäre … allein, dass man die Stirne hat, dieses zusammengeraffte Gemisch von Menschen- und Pferdeknochen für ein Heiligtum auszugeben, das zeugt von der dicken Finsternis, welche hier in Religionssachen herrscht.“
Goethe schimpft auf Sammelwut Wallrafs
Vom Kanonikus, Kunstsammler und Universitätsprofessor Ferdinand Franz Wallraf (1748-1824) hörten die Teilnehmenden der Führung vor dessen Geburtshaus am Steinweg. Kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe mokierte sich über die Sammelwut des Kölner Kunstgelehrten: „Er gehört nämlich zu den Personen, die bei einer grenzenlosen Neigung zum Besitz, ohne methodischen Geist, ohne Ordnungsliebe geboren sind, ja die eine Scheu anwandelt, wenn nur von weitem an Sonderung, schickliche Disposition und reinliche Aufbewahrung gerührt wird. Der chaotische Zustand ist nicht denkbar, in welchem die kostbarsten Gegenstände der Natur, Kunst und des Altertums übereinander stehen, liegen, hängen und sich durcheinander umhertreiben.“ Die von Wallraf zusammengetragenen Schätze bilden heute den Grundstein der Mittelalterabteilung des Wallraf-Richartz-Museums.
Schmährede auf Medienstadt Köln
So ließ Dr. Anselm Weyer verschiedene Facetten Kölner Geschichte wieder lebendig werden. An der Rheinpromenade, mit Blick auf das Deutzer Ufer und die vom TV-Konzern umgebaute alte Messehalle, erhob sich eine Schmährede auf die viel gelobte, viel gescholtene „Medienstadt“ Köln. Thomas Gsella, wie zahlreiche Satiriker ein Spross des Magazins „Titanic“ (ebenso wie Robert Gernhardt, F. K. Waechter und Max Goldt) spottet: „Hier sitzt ja nun nicht irgendwer, / hier sitzen Medienhäschen / von RTL und WDR / vor lächerlichen Gläschen. / Pro Runde gibts zwei Schlückchen Bier, / die äußerst gut verschalt sind. / Auch die von n-tv sind hier / mit News, die gut bezahlt sind, / und Super RTL und Vox, / weil niemand sie entfernt hat / und halt das ganze Köln-Gesocks / nix Richtiges gelernt hat.“
Köln – das Herz der Welt
Kölner Gegenwart und Vergangenheit, kölsche Sprache, Kultur und Unkultur, alle bekamen in dieser Führung „ihr Fett weg“. Mal liebenswert und verschmitzt, mal spöttisch bis sarkastisch – aber immer unterhaltsam. „Kölner Ureinwohner“, die ihre Stadt bekanntermaßen für „das Herz der Welt“ halten, mussten da schon mal schlucken. Wenn etwa Heinrich Heine in seinen Memoiren die kölsche Mundart von der etwas feineren Aussprache seiner Heimatstadt abgrenzt: „jenes fatale Kauderwelsch … das zu Düsseldorf noch einigermaßen erträglich, aber in dem nachbarlichen Köln wahrhaft ekelhaft wird.“ Doch immer wieder durfte auch geschmunzelt werden. Und die Fähigkeit zur Selbstironie ist ja, so heißt es, ein hervorstechendes Charaktermerkmal der Kölner Einwohner.
Wer die Führung „Schimpfen auf Köln“ buchen möchte, wendet sich an die AntoniterCityTours, Telefon 0221/92 48 46 15, www.antonitercitytours.de
Foto(s): Manfred Loevenich