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Neue Führung …. Licht und Schatten zwischen Dom und Rathaus oder: Protestantische Spuren in Kölner Geschichte

Legenden, Könige und Künstler, frühe Demokraten und gescheiterte Freiheitshoffnungen – all dies verbindet Pfarrer im Ruhestand, Historiker und Autor Klaus Schmidt auf seinem Stadtspaziergang „Licht und Schatten zwischen Dom und Rathaus“ miteinander. Die Führung bildet ein neues Angebot im Stadtführungsprogramm „Köln mit anderen Augen“ der Evangelischen Informationsstelle Köln. Anfang Juli fand die Premiere statt. Leider ein ungünstiger Termin, wie sich herausstellte. Denn die Teilnehmenden sahen sich auf ihrer Wanderung mit den Veranstaltungen zum Christopher-Street-Day konfrontiert. Doch es wurde trotzdem eine sehr interessante Führung.

 

Kölner Klagemauer für Frieden und Völkergemeinschaft
Erste Station war eine Nische am Südturm des Doms. Dort machte Schmidt mit „einer interessanten Subkulturgeschichte“ vertraut, der „Kölner Klagemauer für Frieden und Völkergemeinschaft“. Sechs Jahre lang habe sie hier mit ökumenischer Begleitung  gestanden, initiiert hat sie Walter Hermann. „Als sie eines Tages im Morgengrauen abgeräumt und Hermann Platzverbot erteilt wurde, bedeutete dies aber nicht ihr Ende.“ Die Klagemauer sei mobil geworden und wandere weiter, deutete Schmidt auf die einige Meter entfernt wieder erstandene Einrichtung.


Ohne protestantischen Bauwillen kein Kölner Dom
Im Dom erzählte Schmidt nicht nur, wie und warum die Gebeine der „heiligen drei Könige“ nach Köln gekommen sind, er führte die Gruppe auch zu einer „gerne übersehenen“ Gedenktafel an der Südseite der Kathedrale. Auf ihr ist zu lesen, dass am 4. April 1842 der preußische König Friedrich Wilhelm IV hier den Grundstein zum Weiterbau des Doms legte. „Er wünschte, dass er größer würde, als das Straßburger Münster“, so Schmidt. Nach dem Willen des protestantischen Regenten sollten aber auch die Evangelischen in Köln eine repräsentative Kirche erhalten, möglichst im Stil der klassischen Basilika. Die Gemeinde entschied sich mit Zustimmung des Herrschers schließlich für den klassizistischen Entwurf des Berliner Architekten Stüler. Insbesondere mit dem Geld von vermögenden Kölner Protestanten errichtet, wurde die diese erste, nur für den „protestantischen Kult“ erbaute Kölner Kirche, die Trinitatiskirche, 1860 eingeweiht.

„Wunderbare Zusammenarbeit“
Weiter ging es zum Kunstwerk „Ma`alot“ (Stufen, aufsteigend, eine Wallfahrt) auf dem Heinrich-Böll-Platz, einem Environment aus Granit, Gusseisen, Ziegelsteinen, Eisen und Schienen, Gras und Bäumen von Dani Karavan. „Das Ganze ist das Ergebnis einer wunderbaren Zusammenarbeit zwischen dem protestantischen Architekten Peter Busmann und dem isrealischen Künstler“, erläuterte Schmidt.
Busmann, der gemeinsam mit Gottfried Haberer den Komplex Museum Ludwig, Philharmonie und eben den angrenzenden Platz entworfen habe, „wollte keine platte, eintönige Fläche, sondern Bewegung erzeugen, der Platz soll ins Schwingen geraten“, so Schmidt.  Die umfangreiche Ma`alot-Installation von Karavan habe unterschiedliche Interpretationen hervorgerufen. So würden einige in den Eisenbahnschienen ein Symbol für die Gleise sehen, auf denen die Züge mit den deportierten Kölner Juden in die Konzentrationslager rollten. Andere würden den Stufenturm vor der Hohenzollernbrücke mit dem Stufengebet der Psalmen verbinden. Laut Schmidt „stellt der Turm eine Gedächtnisstele für verschiedene Menschen dar“. Und der Schienenlauf, der unterhalb der Treppe in einer Kuhle, einem kleinen Wasserbassin endet, sei wohl inspiriert von den lebenswichtigen Kanälen in Palästina, die Karavan bereits früh fasziniert hätten.


Erschossen wie Robert Blum
Schräg gegenüber dem Stapelhaus legte Schmidt eine teilweise von Efeu verdeckte Steintafel frei, die Gedenktafel für den 1807 hier geborenen Robert Blum. „Später ist er nach Leipzig gegangen, wo er publizistisch tätig war, sich auch politisch engagierte und 1846 in die dortige Stadtverordnetenversammlung einzog.“ Als deren Abgeordneter wurde er 1848 einer der Wortführer der links sitzenden demokratischen Fraktion des deutschen Vorparlaments in Frankfurt. Als Delegierter der Nationalversammlung reiste Blum im Oktober 1848 zu den „Aufständigen“ nach Wien, wo ihn kaiserliche Truppen am 9. November standrechtlich  erschossen. „Auch in Köln, in der Minoritenkirche, hat es eine Trauerfeier gegeben. Sie wurde von 1000 Menschen besucht. Heute dagegen ist die Erinnerung an Blum weitgehend verblasst“, bedauerte Schmidt. Die gerne von verärgerten Skatspielern benutzte Redensart „Erschossen wie Robert Blum“ markiere eines der wenigen Überbleibsel im „öffentlichen Bewusstsein“.


Andreas Gottschalk: Ein Protestant als „Rädelsführer“

Von Ausnahmen abgesehen, seien die Protestanten wegen ihrer Obrigkeitshörigkeit eher der Hemmschuh der demokratischen Bewegung gewesen, meinte Schmidt. Eine Ausnahme sei der zum Protestantismus konvertierte jüdische Armenarzt Andreas Gottschalk gewesen: „Mit ihm an der Spitze zog am 3. März 1848 eine große Volksmenge, überwiegend Handwerker und Arbeitslose“, zum Rathaus. Der dort tagende Stadtrat sollte zur Annahme von „Forderungen des Volkes“ bewegt werden: „Gesetzgebung und Verwaltung durch das Volk, allgemeines Wahlrecht und allgemeine Wählbarkeit in Gemeinde und Staat“. Des weiteren verlangten die Demonstranten den „Schutz der Arbeit“, menschlichere Lebensverhältnisse für alle und die Pressefreiheit. Die Menge wurde vom Militär aufgelöst, Gottschalk und andere „Rädelsführer“ inhaftiert. Gottschalk, der im April 1848 den Kölner Arbeiterverein gründete, „ist der Urvater der Kölner Gewerkschaftsbewegung“, so Schmidt. Aufgrund seiner „communistischen Umtriebe“ sei er dann verhaftet und erst nach einem „haarsträubenden, halbjährigen Tendenzprozess“ freigesprochen worden. Nachdem er Köln zunächst verlassen hatte, kehrte Gottschalk im März 1849 zurück und setzte sich, im Gegensatz zu vielen anderen Ärzten, in der ab Juni grassierenden Cholera-Epidemie für erkrankte Menschen aus ärmeren Bevölkerungsschichten ein, bis er kurz darauf selber an der Krankheit verstarb.

 

Der nächste Stadtspaziergang „Licht und Schatten zwischen Dom und Rathaus“ findet am Sonntag, 22. August 2004, 15 Uhr, statt. Treffpunkt ist die Kreuzblume am Dom. Die Kosten betragen pro Person 5,- bzw. 3,- Euro.
Informationen zum gesamten Stadtführungsprogramm der Evangelischen Informationsstelle im CityPavillon an der Antoniterkirche, Schildergasse 57, hier.

Tipp
Mehr zu der erwähnten Ma’alot-Installation hier

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Renate Graffmann