Hier gibt es ja Linoleum und kein stinkiges PVC“, äußerte sich eine der etwa 100 Besucherinnen und Besucher beim „Tag der Offenen Tür“ während der Besichtigung der neuen Räume für die erste Demenz-WG, die die Antoniter Siedlungsgesellschaft im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region (ASG) mbH ins Leben gerufen hat. Linoleum gehört zum Konzept der evangelischen Immobiliengesellschaft, wie Michael Kress, der planende Architekt, in seinem Vortrag erklärte: „Wir haben nach ökologischen Gesichtspunkten gearbeitet.“ Dazu gehören neben dem Linoleum auch die Holzfußböden und Holztüren. Und ein begrüntes Dach. „Das stellt sicher, dass es selbst bei großer Hitze noch kühle Räume gibt“, sagt der Planer.
Genügend Licht und Platz
Die Zimmerdecken sind allesamt 25 Zentimeter höher als vorgeschrieben. Das soll den Eindruck von Helligkeit verstärken und vermittelt insgesamt ein luftigeres Raumgefühl. „Wir liegen über der Mindestanforderung“, freut sich Kress, der sehr zufrieden mit seinem neuen Projekt ist. Alles ist so geworden, wie es geplant war: Genügend Licht und Platz schaffen eine Atmosphäre von Offenheit, in der sich die älteren, verwirrten Menschen wohl fühlen können. Ein „Sheddach“, auch „Sägezahn-Dach“ genannt, bei dem mehrere Pultdächer hintereinander angeordnet sind, lässt durch direkte Sonnenstrahlung viel Tageslicht in den großen Flur fließen. Die lindgrüne Wandfarbe im Flur soll eine beruhigende Wirkung auf die Demenz-Kranken haben.
Auch aus Brühl kamen Neugierige
Zum 1. August 2010 wurde das Haus bezugsfertig. Zwei Tage vorher hatte die ASG zum „Tag der Offenen Tür“ eingeladen. Zu den interessierten Gästen gehörten nicht nur die neuen Mieterinnen und Mieter mit ihren Angehörigen, sondern auch Presbyterinnen und Presbyter der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Bayenthal. Die Kirchengemeinde hatte das Areal der neuen Demenz-WG vor Jahren an die ASG verkauft. Außerdem waren die Stadt Köln, die „Agentur für Wohnkonzepte“, die Diakonie gGmbH, verschiedene Architekturbüros, der Aufsichtrat der ASG und beteiligte Kommunen vertreten. Extra aus Brühl eingetroffen waren einige neugierige Ehrenamtliche einer Alzheimer-Selbsthilfegruppe, die sich für ein eigenes Projekt Anregungen holen wollten. Auch die Nachbarn waren da: Seniorinnen und Senioren aus dem angrenzenden Seniorenwohnhaus sowie Marion Kopp, Leiterin der städtischen Kindertagesstätte nebenan. Letztere überbrachte Grüße von ihren Kindern und überreichte dem ASG-Geschäftsführer Guido Stephan ein von den Kindern gemaltes Bild. Kopp: „Die Kinder freuen sich auf ihre neuen Nachbarn. Wir haben uns bereits mit dem Thema Altwerden auseinandergesetzt“.
Demenz-WG für acht Bewohner
Vier Bewohnerinnen und Bewohner haben bereits verbindlich zugesagt, in das Haus am Matthiaskirchplatz 17a einzuziehen. Mit zwei weiteren werden zurzeit Gespräche geführt. Neben diesen sechs Männern und Frauen ist dann noch Platz für zwei weitere. Sie alle können Zimmer in einer Größe von 16 Quadratmetern beziehen. Zur Wohnfläche gehören zudem ein großer Gemeinschaftsraum – die eine Seite komplett aus Fensterglas – drei Bäder sowie Terrasse und Gärten. Die Miete kostet pro Person 350 Euro, hinzu kommen Kosten für Heizung, Hauswirtschaft, Pflege, und Betreuung der Demenzkranken. Da der Mietvertrag kein gewerblicher ist, müssen die Bewohner in einen GBR-Vertrag (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) eintreten. Bei allen Vertragsabschlüssen, Verhandlungen und Entscheidungen haben bereits im Vorfeld die Diakonie gGmbH, die Agentur für neue Wohnkonzepte und natürlich auch die Antoniter Siedlungsgesellschaft geholfen.
585.000 reine Baukosten für das Haus
„Es gab einen sehr langen Beratungsprozess“, erzählte Stephan den geladenen Gästen. Über einige Jahre hinweg musste verhandelt werden mit dem Amt für Soziales und Senioren, bis die Genehmigung für die Demenz-WG erteilt wurde, bei der es deutlich weniger Auflagen zu erfüllen gab als beim Bau eines Pflegeheims. 585.000 Euro reine Baukosten seien für das Haus zusammengekommen, was nach Aussage des Geschäftsführers keine allzu große Summe sei. Beraten wurden auch die angehenden Mieter. Wer wusste schon, dass das „H“ im Schwerbehindertenausweis für „hilflos“ steht und somit ein Wohnberechtigungsschein ohne Probleme zu erhalten ist. Das wusste aber die Diplom-Sozialpädagogin Monika Schneider von der „Agentur für Wohnkonzepte“. Zusammen mit der ASG und der Diakonie gGmbH half sie bei allen Schritten, die für den Einzug getan werden mussten – und sie werden auch den später einziehenden Mietern helfen.
Kinderinitiative statt Elterninitiative
Die Sozialpädagogin erläuterte den Besucherinnen und Besuchern das Konzept der Demenz-WG: „Sie kennen vielleicht die Situation, einen Kindergartenplatz für ihr Kind zu suchen. Da gibt es drei Möglichkeiten. Sie können ihr Kind in eine kirchliche oder eine städtische Einrichtung geben oder in eine Elterninitiative“. Wie eine Elterninitiative funktioniere auch die WG, „aber wir drehen das Projekt um“. Jetzt haben die Kinder für ihre Eltern ein neues Zuhause gesucht. Die Betreuung der älteren Männer und Frauen wird die gemeinnützige „Diakonie gGmbH Köln und Region“ übernehmen, ein Zusammenschluss von Diakonie-Stationen im linksrheinischen Köln und im Rhein-Erft-Kreis. Deren Aufgaben umfassen die häusliche Versorgung, die Begleitung und Beratung von alten, kranken und behinderten Menschen und deren Angehörigen. Neben der Grund- und Behandlungspflege, der Hauswirtschaft und organisatorischen Hilfen wie das Einkaufen der Medikamente gibt es für die WG ein spezielles Betreuungskonzept. „Den einzelnen Bewohnern sind einzelne Mitarbeiter zugeordnet“, so Stephan Labonté von der Diakonie gGmbH. Besonderen Wert lege man auf die Tagesstrukturierung, bei der die Einzelnen mit einbezogen würden, damit „ihre Fähigkeiten möglichst lange erhalten bleiben“. Die Strukturierung biete außerdem Verlässlichkeit, Orientierung, Sicherheit und Halt. Labonté: „Wenn ich weiß, was als nächstes kommt, kann das Stress reduzieren.“
Klavier als erstes Geschenk „übergeben“
Zum Schluss überreichte Guido Stephan einem Vertreter der neu gegründeten GBR, Heinrich Esslinger, symbolisch den Schlüssel für die ambulant betreute Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz. Esslinger berichtete, dass er für seine 85-jährige Mutter, die in kurzer Zeit zwei Unfälle hatte, lange nach einer guten Unterbringung gesucht habe. „Wir sind zwar alle so konditioniert, dass wir alles ertragen können und leben damit. Aber das muss ja nicht sein. Es geht auch so wie hier, dass die Älteren ihren Lebensabend selbst gestalten können“. Der ASG-Geschäftsführer ergänzt: „Auch wir wollen zum Wohlfühlen beitragen und stellen den Bewohnern ein eigenes Klavier zur Verfügung“.
Die Antoniter Siedlungsgesellschaft mbh
im Evangelischen Kirchenverband Köln ist bundesweit die einzige Immobiliengesellschaft, die zu 100 Prozent evangelisch ist. Sie wurde 1951 gegründet, um auch Menschen mit Wohnraum zu versorgen, die nur geringe Chancen haben, eine Bleibe auf dem Wohnungsmarkt zu bekommen. Zu den Aufgaben der ASG gehört es, eigene Wohnungen zu bauen und zu verwalten sowie Kirchengemeinden technisch und finanziell zu betreuen, die Wohnungen oder Pflegeheime bauen. Außerdem beaufsichtigt die Gesellschaft Wohnungen und verwaltet Grundstücke für den Evangelischen Kirchenverband Köln und Region. Eine regelmäßige Zusammenarbeit besteht mit dem Diakonischen Werk Köln und Region, der Diakonie gGmbH, dem Amt für Wohnungswesen und den Sozialämtern der Stadt Köln sowie mit den Gemeindeämtern und dem Kirchenverband.
Foto(s): ASG