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Neubrück: Wenn im Frühjahr der Grundstein für den Glockenturm gelegt wird, geht – dank zahlreicher Spenden – für die Gemeinde ein Wunsch in Erfüllung

Ein wohliger Schauer läuft vielen bei dem sonoren Klang über den Rücken. „Das berichten viele Gemeindeglieder“, strahlt Alice Husken, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Neubrück. Ursache für das neue Wohlbefinden: Drei Glocken, die seit dem 22. Dezember im Foyer der evangelischen Trinitatiskirche am Europaring stehen. Und wenn im Frühjahr der Grundstein für den Glockenturm gelegt wird, „geht für die Gemeinde ein Wunsch in Erfüllung“, so die Pfarrerin. Ein Wunsch allerdings, an dessen Erfüllung sie tatkräftig mitgewirkt hat.

Eigene Kirche kam erst 1991
Es war ein langer Weg bis dahin. Als die evangelische Gemeinde in dem damaligen Naubaugebiet gegründet wurde, gab es lediglich ein paar Gemeinderäume. „Wir mussten immer improvisieren, aber das war auch schön“, erinnert sich Jürgen Schilling, von 1971 bis 2000 Pfarrer der jungen Gemeinde und heute Vorsitzender des Bürgervereins. Als dann 1991 die Trinitatiskirche fertig wurde, war das für die Protestantinnen und Protestanten im Stadtteil ein wichtiges Ereignis. „Wir waren froh, überhaupt einen Kirchenraum zu haben“, erzählt Schilling, denn damals blieben noch viele Wünsche unerfüllt. Neue, bunte Kirchenfenster, ein Altar – all das waren Projekte, die vor den Glocken in Angriff genommen und realisiert wurden.

Gemeinde kämpfte ums Überleben
Die Glocken aber, die blieben gedanklich in den Köpfen vieler Gemeindeglieder. 1999 wurde das Projekt erneut angegangen, und es fanden die ersten Sammlungen statt. Pläne wurden ausgearbeitet. Doch nach einiger Zeit schien der Wunsch nach eigenen Glocken in unerreichbare Ferne gerückt. „Mit der kirchlichen Finanzreform 2002 sind wir in arge Nöte geraten. Die Gemeinde kämpfte ums Überleben“, sagt Husken, seit 2001 Nachfolgerin von Jürgen Schilling. Dennoch: 2005 hat die Gemeinde für ihre Pläne die uneingeschränkte Zustimmung vom Bauausschuss der Landeskirche erhalten. In den folgenden Jahren stand aber zunächst die die Sicherung des gemeindeeigenen Kindergartens im Vordergrund, so dass die Pläne wieder in der Schublade verschwanden.

Zustimmung von Landeskirche und Stadt
So richtig ans Laufen kam das Projekt dann erst im vergangenen Jahr. „Zunächst mussten wir die Pläne ändern. Ursprünglich sind wir von einem Turm mit vier Glocken ausgegangen. Da in der Zwischenzeit die Preise aber gestiegen sind, haben wir das Vorhaben auf drei Glocken reduziert. Dadurch wird der Turm etwa schmaler und das ganze auch billiger“, berichtet der Architekt Wolfram Seliger. Bis zum Februar 2008 war er auch Baukirchmeister der Gemeinde und als solcher schon lange mit den Planungen beschäftigt. Sein Nachfolger Hans-Jochen Schaefer trieb nun gemeinsam mit Seliger das Vorhaben voran. Die Formalitäten wurden in Angriff genommen, und in kürzester Zeit hatte die Gemeinde die Baugenehmigung der Landeskirche und der Stadt Köln. Zuvor war der Glockenmeister der Landeskirche zu Besuch, denn der Klang der neuen Glocken musste mit der benachbarten katholischen Kirche St. Adelheid abgestimmt werden.

Erster Glockenschlag an Heiligabend
Zum Schluss ging alles sehr schnell. Die Gießerei Petit & Edelbrock aus Gescher im Münsterland erhielt den Auftrag für die drei Glocken. Die sollten eigentlich erst in diesem Jahr fertig werden, doch weil die Glocke einer Gemeinde aus Münster misslang, wurde am 5. Dezember 2008 ein „Sonderguss“ angesetzt, bei dem auch die drei Neubrücker Glocken mitgegossen wurden. Eine Abordnung der Gemeinde ließ sich das Schauspiel nicht entgehen und reiste ins Münsterland. Dort stellte sie überraschend fest, dass auch die Glocken von St. Adelheid dort gegossen worden sind. Am 22. Dezember schließlich kamen sie nach Neubrück: Eine große, 370 Kilogramm schwere Glocke mit der Aufschrift „Gott ist Liebe“, eine mittelgroße, 270 Kilogramm schwere Glocke mit der Inschrift „Gott, wir loben Dich“ und eine kleine, 150 Kilogramm schwere Glocke mit dem Schriftzug „Gott loben, das ist unser Amt“. „Die Beschriftungen hat die Gemeinde ausgesucht“, betont Husken. Im Atrium der Trinitatiskirche wurden die Glocken aufgestellt, und beim Gottesdienst an Heiligabend wurden sie kurz vor dem Vaterunser das erste Mal angeschlagen. „Ein ergreifender Moment“, erinnert sich die Pfarrerin.

Grundsteinlegung im Frühjahr
Jetzt fehlt nur noch der Turm. „Weil die Glocken so schnell kamen, hängen wir damit noch etwas hinterher“, schmunzelt Seliger. Die Auschreibungen müssen nich erfolgen, doch im Frühjahr, so die Planung, soll der Grundstein gelegt werden. Der Glockenturm mit einer Grundfläche von 3,30 Meter mal 3,30 Meter soll 15 Meter hoch werden und neben der Trinitatiskirche errichtet werden. Das Dach führt die „im weitesten Sinne zeltartige“ Dachkonstruktion des Gotteshauses fort.

11.500 Euro in sechs Wochen
„Die Gemeinde ist ihrem Traum treu geblieben“, lobt Pfarrerin Husken vor allem das ehrenamtliche Engagement und den Einsatz vieler Menschen, „damit dieser Traum verwirklicht werden konnte. Rund 150.000 Euro kostet das gesamte Projekt, allein 63.000 Euro mussten für die Glocken angelegt werden. Das bezahlt die Gemeinde komplett aus der eigenen Tasche. „Jahrelang haben wir dafür gesammelt. Allein in den letzten sechs Wochen vor Weihnachten habe ich 11.500 Euro für die Glocken von Gemeindegliedern und Geschäften aus dem Stadtteil bekommen“, erzählt Baukirchmeister Schaefer. Und wenn dann alles planmäßig läuft, läuten noch in diesem Jahr die Glocken erstmals im neuen Turm der Trinitatiskirche. Dann wissen die Gemeindeglieder, dass ihr sehnlicher Wunsch nicht vergebens war.

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Fleischer