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Neubrück und Höhenberg-Vingst sind jetzt eine Gemeinde

Seit dem 1. Januar ist die Evangelische Kirchengemeinde Neubrück der Nachbargemeinde Höhenberg-Vingst angegliedert und trägt den Namen Evangelische Kirchengemeinde Vingst-Neubrück-Höhenberg. Mit einem Gottesdienst, bei dem auch das neu gewählte Presbyterium eingeführt und altgediente ehemalige Presbyter verabschiedet wurden, wurde der Schritt jetzt offiziell besiegelt.

„Wir haben eine Menge erreicht“
Rechtsbruch statt Rechtsspruch, Geschrei über Schlechtigkeit statt Gerechtigkeit: Der Schlusssatz des offiziellen Predigttextes (Jesaja 5, 1-7) über den Weinberg, der keine Frucht trägt, enthält eine Mahnung statt einer Verheißung. „Und das heute, wo wir feiern“, konstatierte Jörg Wolke, Pfarrer in Höhenberg. „Wir haben eine Menge erreicht, es ist viel passiert, wir wissen, mit wieviel Arbeit das verbunden war, hatten Sitzungen und Gespräche bis wir wussten, jetzt ist das erreicht, worauf wir hingearbeitet haben, hoffen auf die Zukunft die tragend ist und Frucht bringt – „und dann am Ende so eine Klatsche.“ Deutlicher konnte die Anspielung darauf, dass im dreivierteljährigen Prozess der Zusammenführung auch Hindernisse überwunden werden mussten, kaum sein. „Aber die mahnenden Worte müssen unsere Freude nicht zerstören,“ schloss Wolke, „wir waren in den letzten Jahren sehr mit uns selbst beschäftigt, aber wir haben einen Auftrag, der über uns hinausgeht“.
Grund zum Feiern bot ein weiterer Anlass des Gottesdienstes: Das neu gewählte gemeinsame Presbyterium wurde feierlich ins Amt eingeführt, darunter konnte Wolke vier „Neuzugänge“ begrüßen. Elke Palm, Sascha Kuhl, Maximilian Brühl und Peter Menne nahmen ihr Amt auf, für die „alten Hasen“ wurde das Gelöbnis erneuert. Sechs Presbyter wurden verabschiedet, denen Wolke seinen Dank aussprach.

Abschied nach 36 Jahren Presbyterium
Besonderen Dank richtete Wolke dabei an Irmgard Färber, die dem Presbyterium 36 Jahre lang angehörte. „Mein Mann war eigentlich Presbyter und musste aus beruflichen Gründen ausscheiden“, erinnert sich die Höhenbergerin. „Wegen unserer kleinen Kinder wollte ich erst gar nicht, aber habe dann doch ausprobiert, ob ich gewählt werde.“ Aus dem Experiment wurden 36 Jahre, in denen sie viele Veränderungen miterlebte: „Damals gab es in Höhenberg und Vingst vier Pfarrstellen und 12.000 Seelen, heute nur noch 3.000. Die Gemeinde schrumpfte und eine Stelle nach der anderen wurde abgebaut.“ Angenehme Erinnerungen hat sie dennoch: In den ersten zehn Jahren war sie vor allem in der Jugendarbeit aktiv und machte viele Fahrten mit. „Das war die schönste Zeit. Die Jugendfreizeiten waren immer toll.“ Auf ihre Arbeit im Jugendausschuss folgten weitere Aufgaben wie der Finanzausschuss. Auch im „Ruhestand“ ist sie noch aktiv und leitet mit ihrem Mann einen Altenkreis. „Auch da ist es immer sehr lustig und es wird viel gelacht“ betont sie.


Herausforderung für den 21-Jährigen
Absolutes Neuland ist die Arbeit im Presbyterium dagegen für Maximilian Brühl. Der 21-jährige Student der Sozialpädagogik aus Vingst ist bereits seit sieben Jahren ehrenamtlich in der Gemeinde aktiv. Wegen seines Studiums kann der Vingster, der sich erst als 19-jähriger taufen ließ, nicht mehr so aktiv wie früher an der Basis mitarbeiten und entschied sich für die Gremienarbeit. „Für mich als 21-jähriger ist das schon eine Herausforderung, aber ich glaube, dass ich durch mein Alter ganz andere Perspektiven einbringen kann“, gibt er sich zuverlichtlich: „ich lasse mich überraschen, was auf mich zukommt.“

Neues Ziel: Jugendarbeit aufbauen
Mit der Angliederung endete ein Prozess, der bereits im vergangenen Jahr eingeleitet wurde. Eine Jugendarbeit für Neubrück aufzubauen, die ausgeschriebene halbe Pfarrstelle besetzen und das Finanzwesen umstellen – diese drei Projekte werden die kommenden Monate in Neubrück bestimmen. „Wir wollen die Betreuung des Kindergartens und des Deutschordens-Wohnstiftes sichern“ betont Prädikant Hans-Jochen Schaefer. Für die rund 1.560 Gemeindeglieder ist die vakante halbe Pfarrstelle, die als Einzelstelle nicht mehr besetzt werden durfte, jetzt wieder ausgeschrieben worden. Die Bewerbungsfrist ist abgelaufen, und die Gemeinde wartet auf die ersten Kandidaten. In welcher Form die Arbeitsteilung mit Jörg Wolke, Pfarrer in Höhenberg und Vingst, stattfinden soll, wird entschieden, wenn ein Wunschkandidat feststeht. „Ich hoffe vor allem auf Entlastung und mehr Präsenz in Neubrück, so Wolke. Seit 2010 betreut er die Neubrücker Gemeinde mit und die Gottesdienstzeiten wurden so angepasst, dass er sonntags in beiden Stadtteilen predigen konnte. Eines der Hauptziele für Schaefer ist jedoch der Neuaufbau der Jugendarbeit, für die im Keller eigene Räume zur Verfügung stehen. Gerade dafür hofft er auf Synergieeffekte mit der gut ausgebauten Jugendarbeit von Höhenberg und Vingst. Auch die übrige jüngere Generation, zum Beispiel junge Eltern, hofft Schaefer so wieder zu gewinnen. Der Ausbau der Ökumene liegt Schaefer ebenfalls am Herzen, schließlich gilt die Gemeinde der Trinitatiskirche als die erste in Deutschland, die 1999 offiziell eine ökumenische Gemeindepartnerschaft mit einer katholischen Pfarrgemeinde (St. Adelheid) einging. Intensivieren wollen Schaefer und Wolke auch den Kontakt zur Partnergemeinde in Gosmar im Spreewald.

Zukunft der drei Gemeindezentren
Neben der Umstellung des Finanzwesens von kameralistisch auf kaufmännisch steht auch die Entscheidung über die Zukunft der drei Gemeindezentren in Höhenberg, Vingst und Neubrück an. „Das ist ein noch laufender Prozess. An den Zentren hängen sehr viele Emotionen, aber wir müssen uns damit befassen, was wir halten können und was nicht. Das Gemeindezentrum in Neubrück steht aber gar nicht zur Debatte.
Lobende Worte fand Wolke für die Arbeit der beiden früheren Presbyterien bei der Vorbereitung der Angliederung: „Dass der Prozess nur ein Dreivierteljahr dauerte, ist für die Kirche eine enorme Geschwindigkeit“. Seit Mai 2011 hatten gemeinsame Sitzungen der damals noch selbständigen Presbyterien stattgefunden. „Beide Seiten wussten, dass es die Notwendigkeit gibt und wollten sich nicht fremdbestimmen lassen. Insgesamt haben die Presbyter das sehr klug gemacht“, zieht Wolke Bilanz. Eine Pfarrstelle musste auch die Gemeinde Höhenberg-Vingst mit ihren 4.822 Mitgliedern abgeben. Beide Gemeinden reduzierten ihre Presbyterien um je zwei Personen, das gemeinsam Presbyterium besteht aus 20 Personen und zwei Theologen.

Christlichen Auftrag nicht vergessen
Optimistische Worte gab es last but not least auch von Pfarrer Otmar Baumberger, der als Stellvertreter für die Superintendentin Andrea Vogel und gemeinsam mit Prädikant Heinz Trotz, Prädikantin Gabriele Lippe und Martin Häusling-Garbisch, der den Prozess mitbegleitete, dem Gottesdienst beiwohnte. Auch er appellierte an die Gemeinde, über Angelegenheiten wie Finanzen, Personal, Bauten und Strukturen ihren christlichen Auftrag nicht zu vergessen.

Text: Annette von Czarnowski
Foto(s): Annette von Czarnowski