Der Rote Faden, der sich durch die Texte und Bilder der Tafeln im Obergeschoss des Hauses der Evangelischen Kirche, Kartäusergasse 9-11, zieht, ist rasch gefunden: „Gewalt gegen Frauen in der Migration“. Allgemeine und persönliche Schicksale: Beide Perspektiven erhalten in der Informationsschau über „Frauen in der Migration – Wege in die Gefahr?“ ihren Raum. Ausführlichkeit ist deren Trumpf nicht. Statt dessen operieren die AutorInnen prägnant und überblicksartig. Mit Zahlen, gerafften und dennoch sehr verständlichen Darstellungen sowie anonymisierten Fallbeispielen.
Gewalt gegen Migrantinnen ist ein „vernachlässigten Bereich der weltweiten Migration“
Entwickelt hat die Ausstellung das auch in Deutschland vertretene internationale Netzwerk „Le Pont“ (Prevention and protection for women with violence experiences) in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Migration RWL (Rheinland-Westfalen-Lippe). Mitherausgeber sind die Evangelische Kirche im Rheinland (EkiR), die Evangelische Kirche von Westfalen, die Lippische Landeskirche sowie deren Diakoniewerke. Zur Ausleihe bereit gestellt wird das Material gegen eine geringe Gebühr vom Frauenreferat der EKiR in Düsseldorf. Die Arbeit des Netzwerkes „Le Pont“ zielt auf eine Verbesserung des Schutzes für Frauen mit Gewalterfahrungen und die Förderung präventiver Maßnahmen. Beratung von Abgeordneten, Behörden und Institutionen gehört ebenso zu ihren Mitteln wie breite Information.
„Die Ausstellung greift ein Thema auf, das sich mit einem vernachlässigten Bereich der weltweiten Migration befasst – mit Gewalt gegen Migrantinnen“, zitiert Heike von Hagen. Sie ist die Frauenbeauftragte des Kirchenkreises Köln-Mitte, und hat auf Hinweis des Superintendenten ihres Kirchenkreises, Rolf Domning, die konzentrierte Schau ins Haus der Evangelischen Kirche geholt. „Auch als Kirche müssen wir uns diesem Thema widmen“, unterstreicht Domning. Von Hagen räumt ein, dass die einzelnen Gemeinden im Kirchenkreis eher selten mit dem Thema direkt befasst seien. Gleichwohl kooperierten Kirchenkreis und Gemeinden eng mit Organisationen, die im Bereich Migration arbeiten, sich für MigrantInnen einsetzen, Begleitung und Beratung leisten.
Menschenhandel gehört neben Drogen- und Waffenhandel zu den lukrativsten illegalen Geschäften
Auf insgesamt dreizehn Rollen im Format DIN A1 werden insbesondere vier große Themenbereiche behandelt: Migratinnen als Opfer häuslicher Gewalt, Frauenhandel in der Zwangsprostitution, Handel in die Ehe, Handel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft.
Das Thema Migration, heißt es einführend, begleite die Menschheitsgeschichte in allen Epochen. Als Gründe werden etwa Kriegsflucht und Vertreibung genannt, Umweltbedingungen oder Armut. Migration sei also kein modernes Phänomen. Verändert hätten sich aber die globale Wahrnehmung, die Wege und die Situation. Nahezu die Hälfte der weltweit 191 Millionen MigrantInnen seien Frauen. Sie arbeiteten beispielsweise als Krankenschwestern, Altenpflegerinnen, Lehrerinnen, Tänzerinnen, hochqualifizierte Fachkräfte. Andere würden zur Prostitution oder zur Arbeit im Haushalt gezwungen. Zum Zweck der sexuellen Ausbeutung würden allein jährlich 140.000 Frauen in die EU eingeschleust. Menschenhandel, so die Information, gehört neben Drogen- und Waffenhandel zu den lukrativsten illegalen Geschäften. Die Zahl der so Ausgebeuteten belaufe sich weltweit auf 2,45 Millionen. „600.000 bis 800.000 Menschen werden jedes Jahr über Staatsgrenzen hinweg verkauft. Achtzig Prozent davon sind Frauen und Mädchen.“ Frauen und Kinder bildeten weltweit auch den größten Teil der Opfer von physischer und psychischer Gewalt im privaten Nahbereich: in Familie, Haushalt, Partnerschaft. Zudem seien Frauen überdurchschnittlich von Armut betroffen. Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge beträgt der Anteil von Frauen an den 1,3 Milliarden Menschen, die unterhalb des Existenzminimums leben, siebzig Prozent.
Was MigrantInnen weltweit erarbeiten, ist höher als alle Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit
„Allein diese hohen Zahlen sorgen bei Führungen schon für heftige Reaktionen“, berichtet von Hagen. Dabei hebe sie stets hervor, dass die Tafeltexte nicht allein die Bereiche und Dimensionen der Gewalt gegen Migrantinnen beschreiben, sondern weiter gehend Lösungsansätze und Hinweise für Beratungskontakte beinhalten. Und noch mehr. So betonen die AutorInnen den enormen wirtschaftlichen und sozialen Beitrag von MigrantInnen für ihre Herkunfts- wie Aufenthaltsländer. „Im Jahr 2005 überwiesen MigrantInnen schätzungsweise 232 Milliarden US-Dollar in die Heimatländer. Die Summe der Rücküberweisungen ist damit höher, als die weltweiten Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit.“ Mit diesen Mitteln würden Kinder ernährt, ausgebildet und medizinisch versorgt, Häuser errichtet und kleine Unternehmen finanziert. „In den Aufnahmeländern arbeiten Migrantinnen in Haushalten, sorgen für kranke und ältere Menschen, bringen ihr Wissen und ihre Kenntnisse ein, zahlen Steuern und sorgen mit für unsere Lebensqualität.“
Öffnungszeiten/Kontakt
Zu sehen ist die Schau im Haus der Evangelischen Kirche, Kartäusergasse 9-11, (Südstadt) bis zum Freitag, 13. Februar, werktags immer von 9 bis 17 Uhr. Wer eine Gruppenführung vereinbaren möchte, kann Heike von Hagen unter hagen@kirche-koeln.de kontaktieren.
Foto(s): Broich