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Superintendent Markus Zimmermann bei seinem Bericht auf der Synode des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Nord

Nachrichten von der Herbstsynode des Kirchenkreises Köln-Nord: „Gut, dass wir einander haben!“

„Gerechter Friede – nur ein frommer Wunsch oder ein Ziel zur nachhaltigen Konfliktlösung?“ war das Hauptthema der Herbstsynode 2018 des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Nord in der Bocklemünder Auferstehungskirche. Als Referenten hatte der Kirchenkreis Georg Rössler, Judaist, Reiseveranstalter und Gründer von SOS Gewalt/Zentrum für Friedenspädagogik, sowie Pfarrer i.R. Dr. Rainer Stuhlmann eingeladen. Stuhlmann war von 2011 bis 2016 Studienleiter in Nes Ammim, einem christlichen Dorf im Norden Israels, das von Europäern Anfang der 60er Jahre gegründet wurde, um nach den Schrecken der NS-Zeit Versöhnungsarbeit zwischen Christen und Juden zu leisten. Rössler berichtete von Projekten, an denen Israelis und Palästinenser gemeinsam beteiligt sind, einige davon sind zum Beispiel mit Kindern.  Allerdings sieht er den Begriff „gerechter Friede“ im Blick auf die konkrete Situation im Nahen Osten eher problematisch. Für Frieden zu sorgen, bedeutet, Kompromisse zu akzeptieren, von der Realität, der Gegenwart auszugehen, die allerdings Erfahrungen von erlittener Ungerechtigkeit mit einschließt und auch nicht einfach aufhebt. Rössler lebt seit 1988 in Jerusalem und ist mit einer Jüdin verheiratet. Aus seiner Sicht sind Israelis und Palästinenser Marionetten in einem größeren Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien.

Kritik an Nichtregierungsorganisationen
Rössler kritisierte auch die Rolle von Nichtregierungsorganisationen (NGO) in den palästinensischen Gebieten. „Es sind dort so viele NGO vor Ort, dass sich die Dörfer aussuchen können, mit welcher Organisation sie zusammenarbeiten. 20 Prozent der sehr gut ausgebildeten Palästinenser greifen die NGO als Arbeitskräfte ab. Diese Leute fehlen natürlich beim Aufbau des Staates. Außerdem machen die NGO mit ihren hohen Gehältern die Preise für palästinensische Unternehmen kaputt.“ Rössler verwies weiter auf ein Paradoxon: „Einerseits wollen die Palästinenser einen eigenen Staat. Andererseits fordern sie ein Rückkehrrecht nach Israel.“ Der Referent plädierte deshalb ausdrücklich dafür, der „Zweistaaten-Lösung“ einen diplomatischen Weg zu bahnen und sich auch von europäischer Seite dafür stark zu machen.

„Wir weigern uns, Feinde zu sein!“
Dr. Rainer Stuhlmann erinnerte in seinem Vortrag an das Motto der deutschen Ostpolitik in den 70er Jahren: „Wandel durch Annäherung“. Dies sei auch im Verhältnis von Israel und Palästina der einzig mögliche Weg. Gleichwohl – von einem gerechten Frieden sei die offizielle Politik in Israel und Palästina aus seiner Sicht „weit entfernt“. So gebe es beispielsweise Karten „vom Jordan bis zum Mittelmeer, vom Libanon bis zum Roten Meer – alles Israel.“ Ähnliche Karten finde man auch aus palästinensischer Perspektive. Da sei alles Palästina. „Beide Seiten können ohne die andere nicht leben“, ist sich Stuhlmann sicher.  Friedensinitiativen gingen oft von Bürgerinitiativen aus. Frauen hätten beispielsweise eine Bewegung gegründet, die den Aufruf „Knarren raus aus der Küche“ auf ihre Fahnen geschrieben habe. Damit werde der ständigen Präsenz der Waffen im israelischen Alltag eine ‚weiche Grenze‘ gesetzt, ohne in irgendeiner Weise die Notwendigkeit der militärischen Verteidigung in Zweifel zu ziehen. Solche zivilgesellschaftlichen Initiativen machten nach seiner Meinung Mut, so der ehemalige Schulreferent.

Ehrenamtliche, die wie Engel wirken
Begonnen hatte die Synode mit einem Abendmahlsgottesdienst in der Auferstehungskirche, den Pfarrer Volker Hofmann-Hanke leitete. Er predigte über das Sendschreiben an die Gemeinde in Smyrna aus dem Buch der Offenbarung. Dort wird berichtet, dass die Gemeinden einen Engel hatten. Hofmann-Hanke dankte den vielen Ehrenamtlichen in den vielen Gemeinden, die wie „Engel“ wirkten und ohne die die Arbeit in den Kirchengemeinden deutlich ärmer wäre: „Gut, dass wir einander haben.“

Klarer Widerspruch gegen rassistische Parolen
„Das Ringen um Frieden und Gerechtigkeit stellt nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in unserem Land eine immer notwendigere und dringendere Aufgabe dar. Der gesellschaftliche Zusammenhalt droht auseinanderzubrechen. Die Erosion, die über lange Zeit unsere demokratische Gesellschaft bestimmenden und stabilisierenden Systeme, seien es die Volksparteien, aber auch die Kirchen und andere Organisationen und Institutionen, hat längst begonnen. Das Erstarken rechtslastiger Parteien wie der AfD, die sich immer unverhohlener rassistischer Parolen bedient, stellt grundlegende Werte des Zusammenlebens und der Humanität infrage und fordert unseren klaren Widerspruch und Protest als Christinnen und Christen heraus“, sagte Pfarrer Markus Zimmermann, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Nord, zu Beginn seines Jahresberichtes. Leider seien auch langjährige Dialogprozesse mit muslimischen Verbänden ins Stocken geraten. Das habe man nicht zuletzt bei der Moschee-Eröffnung – „ein wunderbares Gebäude“, so Zimmermann – durch den türkischen Staatspräsidenten Erdogan ohne Beteiligung der Stadtgesellschaft erleben müssen. Trotzdem gebe es zum Dialog keine Alternative. „Auch mit anderen politischen und gesellschaftlichen Problemen haben wir zu kämpfen. So gibt es eine breite und weltweite grundlegende Verunsicherung in Zeiten der Globalisierung, die sich auch in Wahlergebnissen und Regierungen mit nationalistischen und ‚postdemokratischen‘ Tendenzen widerspiegelt“, fuhr der Superintendent fort. Hier sei die Kirche gefragt mit ihrem Eintreten für eine humane Gesellschaft, für Freiheit und Demokratie und mit praktischen diakonischen Hilfs- und Beratungsangeboten.

„Aus dem Glauben leben – das Leben feiern“
„Aus dem Glauben leben – das Leben feiern“ hatte Zimmermann ein weiteres Kapitel seines Jahresberichtes überschrieben: „Gottesdienste feiern ist unsere wichtigste Aufgabe! Es bleibt wichtig und notwendig, dem Glauben auf vielfältige Weise Raum zu geben und das Leben als Gottesdienst zu feiern und zu begreifen, Stärkung zu erfahren und dankbar zu sein für das, was uns Gott alles schenkt. Dazu machen unsere Kirchengemeinden – wie auch die Jahresberichte ausweisen – immer wieder und durch das Jahr hindurch viele gute Angebote. Danke allen dafür!“ Die vier Kölner Kirchenkreise hätten deutlich gemacht, dass sie sich auch weiterhin für eine humane Flüchtlingspolitik einsetzen und mit Sorge beobachten, dass sogar in demokratischen Parteien teilweise eine menschenverachtende Sprache Einzug hält, sowie Hass und Ängste geschürt würden. „Wir empfinden es vor allem als unerträglich, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken und Retter kriminalisiert und daran gehindert werden, Menschen vor dem Tod zu bewahren.“ Zimmermann nannte das Kirchenasyl unter bestimmten Bedingungen „weiterhin ein geeignetes Mittel“. Er forderte die „Bereitschaft zur Umkehr“. „Weniger an Konsum, an Wachstumsfantasien, an Wasser- und Energieverbrauch, Abgasen und Fleischverzehr. Konkrete Ideen und Möglichkeiten in diese Richtung in bestimmten Bereichen liefert auch unsere Nachhaltigkeits-AG.“

Weltentwicklungskonferenz als Vorschlag
Der Superintendent äußerte sich auch zum Thema Hambacher Forst: „Bei aller unstrittigen ökologischen Problematik der Kohleverstromung dürfen wir aber auch die Ängste vieler Menschen in unseren Kirchengemeinden im Rhein-Erft-Kreis um ihren Arbeitsplatz und die erheblichen Herausforderungen für einen eventuell sehr kurzfristigen Strukturwandel nicht außer Acht lassen. Unsere Fürsorge und Empathie ihnen gegenüber muss genauso zu unseren Aufgaben und Verpflichtungen als Kirche gehören wie unser Engagement für die Bewahrung der Schöpfung.“ Dann spannte Zimmermann einen größeren Bogen und schlug vor, die Weltkirchen könnten als Zeichen für ein friedliches und ökologisch vernünftiges Zusammenleben zu einer Weltentwicklungskonferenz einladen.

Auch Geld spielte im Jahresbericht eine Rolle. „Ich komme noch einmal auf das Thema Kirchensteuerverteilung zurück: Zu einer drastischen Reduzierung unserer Handlungsmöglichkeiten in Köln und Region käme es dann, wenn die Landessynode auf ihrer nächsten Tagung im Januar tatsächlich die bisherige, weitaus akzeptierte, solidarische übersynodale Verteilungssystematik der Kirchensteuer hin zu einer reinen 100% -pro- Kopf-Verteilung beschließen würde.“ Dann würden „reiche“ Kirchenkreise mehr Geld als bisher an „arme“ abgeben müssen. Für die Gemeinden im Kirchenkreis Köln-Nord würde dies bedeuten, dass pro Gemeindeglied pro Jahr 14 Euro weniger zur Verfügung stünden. Bereits in drei Jahren würde das für die meisten Gemeinden des Kirchenkreises ein Defizit im Haushalt bedeuten. Einstimmig unterstützten die Synodalen einen Brief Zimmermanns an Präses Manfred Rekowski, in dem der Superintendent nachdrücklich die Beibehaltung des bisherigen Verteilsystems der Kirchensteuern forderte. Zum Schluss seines Berichtes dankte der Superintendent den Mitarbeitenden aus der Verwaltung sowie den vielen Ehrenamtlichen im Kirchenkreis für ihr Engagement.

Gemeinden schließen sich zusammen
Synodalassessorin Monika Crohn und die Synodalälteste Gabriele Orbach berichteten aus dem Arbeitskreis regionale Zuordnung im Evangelischen Kirchenkreis Köln-Nord. Es hat sich eine Menge getan in den vergangenen Monaten. Die Gemeinden Ichthys, Pesch und Pulheim haben eine Region mit gemeinsamem Predigtverbund und einer Regelung der pfarramtlichen Vertretung sowie eine Zusammenarbeit in den Bereichen Konfirmanden- und Seniorenarbeit gegründet. Die Gemeinden Neue Stadt mit Chorweiler und Seeberg, Worringen mit Roggendorf-Thenhoven und die Gemeinde Niehl mit dem nördlichen Teil Merkenich und den Rheindörfern stehen in Fusionsverhandlungen. Die Gemeinden Bergheim-Zieverich-Elsdorf und Quadrath-Ichendorf haben sich am 1. Januar 2018 als Gesamtkirchengemeinde an der Erft konstituiert. Ob und in welcher Weise die Gemeinde Bedburg-Niederaußem-Glessen dazu stößt, ist offen.

Haushalte mit Überschüssen
Finanzkirchmeisterin Gabriele Orbach stellte den Jahresabschluss 2017 vor. Ausgewiesen wird eine Bilanzsumme in Höhe von 4,07 Millionen Euro und ein Jahresfehlbetrag in der Ergebnisrechnung in Höhe von 13.175 Euro. Nach Verrechnung mit früheren Überschüssen ergibt sich ein Jahresüberschuss für 2017 in Höhe von 142.599 Euro. Einmütig folgten die Synodalen Orbachs Vorschlag, 7.000 Euro aus dem Überschuss an den Verein „Tor zum Leben – Lifegate Rehabilitation“ und weitere 7.000 Euro an den Evangelischen Verein Schneller Schulen im Libanon und Jordanien zu spenden. Der verbliebene Überschuss in Höhe von 128.599 Euro wird anteilig an die Gemeinden des Kirchenkreises ausgeschüttet. Für das Jahr 2019 beschlossen die Synodalen einen Haushaltsplan mit Erträgen in Höhe von 1,359 Millionen Euro und Aufwendungen in Höhe von 1,321 Millionen Euro. Der erwartete Überschuss in Höhe von 38.000 Euro soll den Rücklagen zugeführt werden. Abschließend beurteilte Gabriele Orbach die Rücklagensituation des Kirchenkreises als „freundlich“ und die Finanzsituation als „gut“.

Zukunft des Diakonischen Werkes
Die Zukunft des Diakonischen Werkes Köln und Region (DW) wird derzeit in allen Kölner Kirchenkreisen diskutiert. Die Idee, das DW in die Trägerschaft des Diakonie Michaelshoven e. V. zu überführen, stieß in einigen Gemeinden auf Rückfragen und Widerspruch. Eine weitere Option ist ein Eigenbetrieb. Ein Interimsmanager prüft zurzeit, wie das DW zukunftssicher aufgestellt werden kann. Mit einem Ergebnis wird im kommenden Jahr gerechnet. Entscheidungsgremium ist die Verbandsvertretung des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Die Synode beschloss, dass es eine angemessene Beteiligung der Gemeinden an dem Planungsprozess geben soll.

Personalia:
Superintendent Markus Zimmermann verabschiedete Pfarrer Herbert Döring und Pfarrerin Ingrid Schneider aus dem Kirchenkreis. Er dankte ihnen für ihren Dienst und wünschte ihnen für die Zukunft alles Gute und Gottes Segen.

Stichwort Kirchenkreis Köln-Nord:
Dem Kirchenkreis Köln-Nord gehören 18 Gemeinden mit rund 75.000 Gemeindegliedern an. Sie liegen einerseits im Kölner Norden – in Worringen, Niehl und Chorweiler, von Ehrenfeld und Braunsfeld bis zum Rhein im Osten. Andererseits gehören auch die Kirchengemeinden im nördlichen Rhein-Erft-Kreis außerhalb von Köln in Bedburg, Bergheim, Elsdorf und Pulheim zum Kirchenkreis. Die Interessen aller Gemeinden werden im „Parlament“ des Kirchenkreises, der Kreissynode, von derzeit 101 Synodalen vertreten.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann/APK