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„Nach der Schrift“ – Ausstellung mit Bildern von „Bibel und Kultur-Stiftungs-Preisträger“ Gustav Kluge in der Trinitatiskirche

Tiefschichtig, rauh, zerfurcht, verkrustet, von gebrochener, nicht selten dunkler Farbgebung und immer wieder menschliche Figuren – dies sind einige Merkmale der Bilder von Gustav Kluge. Eine Auswahl seines Schaffens aus über zwanzig Jahren, darunter die farbige Gips-Styropor-Skulptur „Absalom“, ist derzeit in der evangelischen Trinitatiskirche in Köln ausgestellt. Die von Erich Witschke, Kunstbeauftragter des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, kuratierte Schau trägt den Titel „Nach der Schrift“. Der Titel verweist auf die Beschäftigung Kluges auch und insbesondere mit der Bibel – mit alt- wie neutestamentarischen Geschichten und Gestalten. Er bezieht sich auf seine Auseinandersetzung mit biblischen Themen, auch ohne das Motive dem vordergründig zuzuordnen wären. Anlass der Ausstellung ist die Verleihung des Stiftungspreises 2006 der ökumenischen Stiftung Bibel und Kultur an den Maler und Grafiker.


Stiftungspreises der ökumenischen Stiftung Bibel und Kultur – was ist das?
Die ökumenische Stiftung wurde 1987 ins Leben gerufen unter Vorsitz des damaligen Bundespräsidenten Professor Dr. Carl Carstens, mit Unterstützung der Deutschen Bibelgesellschaft, der Deutschen Bischofskonferenz, evangelischen Landeskirchen und der Diakonie der EKD. Intention der Stiftung mit Sitz in Stuttgart ist es, „die Bedeutung der Bibel für das kulturelle und geistige Leben in den Vordergrund zu rücken“. Evangelische Landeskirchen, katholische Bistümer und die Deutsche Bibelgesellschaft stellen das Stiftungskapital. Der Preis wird seit 1988 an Künstlerinnen und Künstler verschiedenster Sparten überreicht, darunter Sänger, Komponisten, Bildhauer, Regisseure, Architekten, Schriftsteller und Journalisten, „deren Schaffen auf eigenständige Weise die kulturelle Bedeutung der Bibel reflektiert“. Mit Kluge, so die Begründung, ehre man einen Künstler, der in seinen Werken das menschliche Dasein auslote und zu den Gefolterten und Unterliegenden finde – auch in den Erzählungen der Bibel – und sie in die Gegenwart hebe. Dabei identifiziere sich Kluge mit den dargestellten Schicksalen. Insbesondere diese von Wahrhaftigkeit bestimmte Konsequenz überzeuge.

Gerade in der Trinitatiskirche bewährte Tradition: Kunst, Kirche – und Bibel
Im dem der Ausstellungseröffnung vorangehenden Festakt betonte
Präses i.R. Manfred Kock, Vorsitzender des Stiftungskuratoriums, dass man keinen „platten“, sondern einen sperrigen Künstler auszeichne. In seiner Arbeit berücksichtige Kluge in ganz besonderer Weise biblische Impulse. Darin finde die jüdische wie christliche Tradition Ausdruck. Kluges Darstellungen seien nicht geschönt, sondern „wie Menschen sind“. „Deshalb ist dies auch ein Ausdruck von Suchen, von Irritiertsein“, hob Kock Kluges radikale Auseinandersetzung mit der biblischen Tradition und biblischen Personen hervor.
Rolf Domning, stellvertretender Stadtsuperintendent und Superintendent des Kirchenkreises Köln-MItte im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region, charakterisierte die Trinitatiskirche als geeigneten Ort für diese Preisverleihung. Denn hier bestehe eine gute Tradition, „unserer Kirche mit der Kunst ins Gespräch zu bringen“. In Anspielung auf das Motto „lebendig und kräftig und schärfer“ des Deutschen Evangelischen Kirchentages 2007 in Köln, meinte der Pfarrer, dass die zahlreichen hier ausgerichteten Ausstellungen gezeigt hätten, dass die Kunst oft lebendiger und kräftiger sein könne, als mancher biblische Text. „Nichtsdestotrotz ist für uns die Bibel die Urglut, die uns trägt.“ Dialog sei wichtig. „Davon leben wir als Kirche. Und wir haben damit gute Erfahrungen gemacht.“

„Die Bilder graben an etwas“,
sagte der Literaturwissenchaftler Klaus Theweleit in seiner tiefgründigen, wortmächtigen Laudatio, die sich in dem empfehlenswerten (und erstaunlich preiswerten) Ausstellungskatalog abgedruckt findet. „Sie graben an Geschichte, sie graben etwas um (…) Der Maler als Archäologe seines Bildfeldes. Er gräbt solange, bis etwas sichtbar wird. Eine der untersten Schichten (und die lange Zeit dominante) der Mal-Geschichte, ´das Biblische´, darüber das in 3000 Jahren dazugeschichtete Geschehen.“
Blickt man auf die rauhen Bildoberflächen, stellt sich tatsächlich die Anmutung eines intensiv bearbeiteten Areals ein. Weniger mittels Pinsel als vielmehr mit Spachtel und Messer schafft Kluge Darstellungen unterschiedlicher Art. Portraits sind darunter, Szenen in unbestimmten Bildräumen, in denen nicht nur die unbekleideten Figuren häufig seltsam isoliert erscheinen. Bisweilen treten sie verhalten bis deutlich hervor, dann wieder verschmelzen sie mit dem umgebenden Farbton. „Malen als langsames Einwachsen einer Vorstellung in ein Material“, hat der 59-jährige, in Hamburg lebende Kluge, der wie Theweleit an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe lehrt, seinem Kollegen einmal die eigene Vorgehensweise beschrieben.
Kluges Malweise ist expressiv. Flüchtig wirken seine Menschen und Lebewesen, auf das Wesentliche reduziert, mit oft maskenähnlichem Antlitz. Auch wenn zahlreiche Werktitel direkt auf die Bibel verweisen, beispielsweise „Ein leeres Grab“, „Auferstehung“, „Fußwaschung“, „Opferstein“, „Versuchung“ und „Stimme eines Rufers“, sind Kluges Bildwelten von universeller Thematik. Es sind verdichtete Urbilder, die unter anderem von Unsicherheit und Schwäche erzählen. Es sind Bildes des Schmerzes und der Vereinzelung. Sie belegen Kluges Beschäftigung mit grundsätzlichen Fragen. Und, nicht zuletzt, dass der stille, gebildete Maler über eine große Portion hintergründigen Humors verfügt. „Auf der Experimentierbühne Gegenwartskunst erprobt er die Restitution eines Bedeutungsfeldes, das für das Zeitübergreifende und Allgemeingültige, das Fraglose und die ewige Gewissheit steht“, formuliert treffend Rainer Metzger in seinem Katalogbeitrag.

Der Katalog
kostet nur 10 Euro und ist in der Ausstellung erhältlich.

Öffnungszeiten
Die Ausstellung in der Trinitatiskirche, Filzengraben 4, ist geöffnet bis zum 25. November 2006, dienstags bis freitags von 16 bis 18 Uhr, samstags von 13 bis 15 Uhr.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich