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Nach 300 Stunden fit für den Profi-Haushalt

Leuchtend orange Hokkaido-Kürbisse warten darauf, gewaschen und gewürfelt zu Suppe verarbeitet zu werden, zwei andere Frauen schälen Kohlrabi, die später gefüllt werden sollen, zwei weitere schneiden Schweinefleisch für einen Eintopf, wieder zwei füllen Teig in Muffinförmchen. Gemüse steht an diesem Tag bei Ute Dorow-Müller und den Teilnehmerinnen des Hauswirtschaftskurses auf dem Programm.

Anerkannter Ausbildungsberuf
Die acht Frauen, die in der Küche der Evangelischen Familienbildungsstätte Köln (FBS) werkeln, könnten den Morgen auch anders verbringen, denn sie sind fast alle in einer Vollzeitanstellung beschäftigt oder haben eine Familie zu versorgen. Dass sie ihren eigentlich freien Samstagvormittag "opfern", um zu kochen oder bei Ute Dorow-Müller und weiteren Dozenten theoretisches Wissen rund um die Haushaltsführung zu pauken, hat nichts mit ihrer Kochbegeisterung zu tun: Nach anderthalb Jahren können sie die Prüfung ablegen, die sie zur Hauswirtschafterin qualifiziert, ein anerkannter Ausbildungsberuf. Einsatzfähig sind sie in allen Bereichen, in denen Profis gefragt sind: Küchen in Seniorenheimen oder Krankenhäusern, aber auch in den Abteilungen für Wäschepflege oder Einkauf. Gekocht, geputzt und gebügelt wird dann allerdings nicht für die Kleinfamilie, sondern für 50 oder 100 Personen.

Bessere Chancen durch Qualifikation
"Das ist den Frauen hoch anzurechnen, dass sie am Samstag kommen", betont Diplom-Oecotrophologin Heike-Marie Diefenthal, in der FBS verantwortlich für die Qualifizierung der Hauswirtschafterinnen. Die Motivation, ihren Samstag im Unterricht zu verbringen, ziehen die Frauen aus den Chancen, die ihnen der Kurs bietet: „Meine Arbeitgeberin war mit dem Essen auf Rädern“ immer unzufrieden“, berichtet Alexandra P., während sie eine Minestrone kocht. Sie braucht die Qualifikation um ihre Berufschancen zu verbessern, aber auch für ihre jetzige Tätigkeit nützen ihr die neuen Kenntnisse. Zurzeit betreut sie eine pflegebedürftige ältere Dame in einem Privathaushalt.

Fachkräfte sind gewünscht
Während Alexandra P. Ihre Kursgebühren selber zahlt, übernimmt diese Kosten für Ruth R. (Name geändert) die Firma. „Mein Arbeitgeber will nur Fachkräfte in der Firma haben“, berichtet die 31-jährige, während sie Kürbisse in Würfel schneidet. Nach bestandener Prüfung hat sie die Chance, von einem Zeitarbeitsverhältnis in eine feste Anstellung übernommen zu werden. Am Kurs gefällt ihr, dass die wichtigsten Inhalte kompakt zusammengefasst sind. Einen völlig anderen Hintergrund hat Larissa S., 39, aus Kasachstan. Die Chemie- und Biologielehrerin, die 1996 nach Deutschland kam, ist zweifache Mutter und musste nach ihrer Scheidung neu anfangen. Nach einem Ein-Euro-Job in der Küche eines sozialpsychiatrischen Zentrums der Caritas wurde ihr die Ausbildung angeboten, ihr künftiger Arbeitgeber zahlt den Kurs. Auch sie hofft auf eine bessere Anstellung nach bestandener Prüfung.

Kompaktes Lernen mit Erfolg
Anderthalb bis zwei Jahre dauert die Ausbildung, bis Larissa S., Ruth R., Alexandra P. und ihre Mitstreiterinnen ihre Prüfung absolvieren können. Den Stoff, den „Azubis“ in drei Jahren Lehrzeit lernen, müssen sie in anderthalb Jahren mit Wochenendkursen bewältigen. Die Grundvoraussetzung, das selbstständige Führen eines Haushaltes mit mindestens vier Personen für mindestens viereinhalb Jahre, sorgt dafür, dass eine gewisse Basis vorhanden ist. „Die haben einen anderen Blick als 18-jährige, die gerade von der Realschule kommen“, weiß Dorow-Müller, betont aber auch: „die Prüfung ist nicht ohne, schließlich haben die Teilnehmerinnen andere Voraussetzungen als Azubis, die sich drei Jahre vorbereiten konnten“. In zwei Stunden professionell ein Wäschestück bügeln, ein Hauptgericht kochen und ein Blumengesteck arrangieren, mit der passenden Arbeitskleidung und unter strikter Einhaltung aller Hygienevorschriften.
Lohnend war die Mühe für die Teilnehmerinnen auf jeden Fall: „Ich habe schon von Teilnehmerinnen gehört, die wegen ihrer Ausbildung jetzt qualifiziertere Arbeit bekommen. Eine ehemalige Bankkauffrau konnte dank dieser Qualifizierung eine Küchenleitung übernehmen“

Weitere Informationen:
Die Qualifizierung umfasst insgesamt 300 Unterrichtsstunden, die Kosten betragen hierfür 1.030 Euro inklusive Abschlussprüfung vor der Landwirtschaftskammer.

Die Module:
Baustein A:

Berufsausbildung mitgestalten, Güter und Dienstleistungen beschaffen, Waren lagern, Speisen und Getränke herstellen und servieren.

Baustein B:
Personengruppen verpflegen, Wohn- und Funktionsbereiche reinigen und pflegen, Textilien reinigen und pflegen, Personen individuell wahrnehmen und beobachten.

Baustein C:
Personen zu unterschiedlichen Anlässen versorgen, Wohnumfeld und Funktionsbereiche gestalten, Personen individuell betreuen, Produkte und Dienstleistungen vermarkten, Hauswirtschaftliche Arbeitsprozesse koordinieren.

Neben der Qualifizierung zum/zur Hauswirtschafter/in bietet die Evangelische Familienbildungsstätte auch eine Qualifizierung in der Kindertagespflege an.

Text: Annette von Czarnowski
Foto(s): Annette von Czarnowski