2008 ist Liverpool Kulturhauptstadt Europas. Aus dem Jahresprogramm ragt im Bereich Musik sicherlich die Aufführung von Benjamin Brittens „War Requiem“ heraus. Aufgeführt wird es am 28. Juni 2008 in der anglikanischen Kathedrale von Liverpool. Neben dem Royal Liverpool Philharmonic Orchestra und den Kathedralchören werden dabei auch hundert Mitglieder der Kölner Domchöre und des Oratorienchores Köln mitwirken, auf ihrer Konzertreise von einer Delegation der Stadt Köln und Oberbürgermeister Fritz Schramma begleitet. Dies ist eine Besonderheit dieses Kulturereignisses. Eine andere: Zuvor wird die Komposition am Dienstag, 24. Juni um 20 Uhr von der evangelischen Gemeinde im Dom von Altenberg sowie am Mittwoch, 25. Juni, ebenfalls um 20 Uhr, im Kölner Dom aufgeführt. Das stimmliche „Aufgebot“ ist groß: Jeweils 300 Sängerinnen und Sänger der genannten Chöre werden auftreten, darunter rund hundert Liverpooler Stimmen.
Europäische Städte im Geist der Versöhnung
Die Kölner Aufführung findet im Rahmen des Köln-Liverpooler Partnerschaftsprogramms 2008 statt. Die Altenberger Aufführung ist ein Angebot der europäischen Musiktage Altenberg, ein Projekt des Fördervereins Kultursommer Odenthal-Altenberg und der Evangelischen Kirchengemeinde Altenberg/Schildgen. Und damit nicht genug: Das Projekt beruht nicht allein auf der Kooperation der „weltlichen“, also europäisch-städtischen Ebene. Es wird ganz wesentlich auch getragen von der ökumenischen Zusammenarbeit. Beteiligt sind die anglikanische und katholische Kathedrale in Liverpool, der Evangelische Kirchenverband Köln und Region und die Kölner Dommusik. Und hier geht es vor allem um den Geist der Versöhnung, nicht zufällig wurde ausgerechnet Brittens „War Requiem“ für dieses breit angelegte Kooperations-Projekt gewählt.
„Das werden ganz besondere Ereignisse“
Musikalisch liegt die Gesamtleitung der Aufführung auf englischen wie deutschen Schultern: Ian Tracey ist Organist der Liverpooler Kathedrale und Leiter der dortigen Chöre. Kirchenmusikdirektor Andreas Meisner ist der Organist am Altenberger Dom und künstlerischer Leiter der Geistlichen Dommusiken und Professor Eberhard Metternich Domkapellmeister am Kölner Dom sowie Leiter des Kölner Domchores und des Vokalensembles Kölner Dom. Alle drei zeichnen gemeinsam für die musikalische Leitung des „War Requiem“ verantwortlich. Meisner und Metternich haben schon mit den Musikerinnen und Musikern in Liverpool geprobt. Und zeigten sich beeindruckt von deren Leistung, musikalischer Homogenität und Qualität. „Das werden ganz besondere Ereignisse“, schauen sie erwartungsvoll auf die geplanten Aufführungen. Jede der Gruppen habe ihre Vorbereitung abgeschlossen, nun komme „das Spannende“: Die Mitwirkenden, darunter den Großen Knabenchor des Kölner Doms, in den anstehenden Proben zusammenzubringen.
„Das Signal war eindeutig: Verständigung, Versöhnung und Freundschaft“
Die Städtepartnerschaft Köln und Liverpool besteht seit 1952. Damals habe Liverpool die Hand zur Versöhnung gereicht, so Melanie Gonzalez Bolivar vom Büro für internationale Angelegenheiten im Amt des Oberbürgermeisters. Liverpool sei Kölns erste von derzeit 23 Städtepartnerschaften gewesen, betont sie die Rolle der rheinisch-englischen Partnerschaft. „Viele Menschen aus beiden Städten haben dazu beigetragen, und füllen das Bündnis immer wieder aufs Neue mit Leben.“ Und Kölns Oberbürgermeister Schramma betonte in seinem schriftlichen Statement: „Das Signal, das vom Abschluss unserer Partnerschaft sieben Jahre nach Kriegsende ausging, war damals eindeutig: Die Zeit ist reif für Verständigung, Versöhnung und Freundschaft.“
Diese Verbindung über Grenzen hinweg entspreche Brittens Intention, betonte Rainer Will vom Katholischen Bildungswerk des Erzbistums Köln. Bei der Uraufführung des „War Requiem“ im Mai 1962 seien deutsche, russische und britische Musikerinnen und Musiker beteiligt gewesen. Dies unterstreiche seinen Charakter als Versöhnungswerk. In der Tat schrieb Britten es als Reaktion auf die deutschen Luftangriffe, die mehr als eine englische Stadt und deren Kathedralen zerstörten – und widmete sein Werk dem Andenken an die Kriegstoten.
Ganz wichtige ökumenische Impulse für Köln kamen aus Liverpool
Nicht nur Brittens Requiem atme den Geist der Versöhnung, sagte der evangelische Ökumenepfarrer Dr. Martin Bock. Es sei nun auch genau sechzig Jahre her, dass von der katholischen Kirche in Liverpool erste Schritte zur kirchlichen Annäherung und Versöhnungsarbeit mit Köln getan wurden. Köln und Liverpool verbinde seit langem also auch eine ökumenische Partnerschaft. An ihr seien auch der Evangelische Kirchenverband Köln und Region, respektive einzelne seiner Gemeinden beteiligt. Ebenso die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Köln. Bock wies darauf hin, dass der Impuls für die Gründung des Rats der Religionen in Köln und auch die Unterzeichnung der Kölner Friedenserklärung von Liverpool gekommen sei. Dort habe man früh festgestellt, dass Ökumene nur auf Augenhöhe funktioniere. Dass Christinnen und Christen nur so über konfessionelle und religiöse Grenzen hinweg schauen könnten, fragen und suchen müssten, was vor Ort zu tun sei, was „der Stadt Bestes“ sei.
Foto(s): Broich