You are currently viewing „Mit Schere und Spreizer“: DEKT-Gottesdienst für Einsatzkräfte der Feuerwehr und Notfalldienste in der Feuerwache Deutz

„Mit Schere und Spreizer“: DEKT-Gottesdienst für Einsatzkräfte der Feuerwehr und Notfalldienste in der Feuerwache Deutz

In Reih und Glied stehen die Papphocker auf dem Hof der Feuerwache Deutz. Ausgerichtet sind sie auf einen Altar in der Fahrzeughalle. Immer mehr Menschen nehmen Platz, beobachten die Vorbereitungen. Darunter ein Pärchen aus Zwickau, er Feuerwehrmann, beide besuchen zum ersten Mal einen Gottesdienst für Einsatzkräfte: „So was gibt es bei uns nicht.“ Auch sie lauschen der Tonprobe von Kreole, einer Dixieland-Gruppe um Henning Paur aus Remscheid. Die Musikgruppe wird gleich den Gottesdienst musikalisch mitgestalten. Zwei Minuten vor Beginn aber muss Plan B bemüht werden. Donnergrollen hat ihn angekündigt, nun tropft der Regen. Zum Schutz von Mensch und Sitzmöbel wird eiligst umgezogen unter das Dach der Wagenhalle.

Dieser Gottesdienst hat Tradition auf Evangelischen Kirchentagen
„Ich habe selten gesehen, dass sich 300 Menschen innerhalb einer Minute so schnell fortbewegt haben. Dieser Wechsel war nicht nur lebendig, sondern auch scharf“, lässt Holger Reiprich-Meurer die Chance für ein Wortspiel nicht ungenutzt. Der Pfarrer für Feuerwehr- und Notfallseelsorge im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region – die veranstaltet neben der Notfallseelsorge der rheinischen Landeskirche und der Notfallseelsorge-Konferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland diesen Gottesdienst – begrüßt eine „bunte Gemeinde“. Den größten Teil stellen Mitglieder von Feuerwehren, Hilfsorganisationen, der Polizei und des Katastrophenschutz sowie Notfall- und Feuerwehrseelsorgende. Dieser spezielle Gottesdienst hat bereits Tradition auf Evangelischen Kirchentagen, erklärt Reiprich-Meurer.
„Wir halten den Gottesdienst dort, wo ein großer Teil von Ihnen arbeitet´“, dankt der dann der Berufsfeuerwehr Köln für ihre Gastfreundschaft. Deren Direktor Stephan Neuhoff geht offensiv ans Werk: „Ich begrüße Sie in der ältesten bestehenden und hässlichsten Feuerwache in Köln“, sagt er und hofft laut auf einen baldigen Abriss der Halle. Zugleich berichtet er von der langen und wichtigen Zusammenarbeit mit der ökumenischen Seelsorge.

Realitätsnah: „Mit Schere und Spreizer“
Besonderen Anklang findet dann das Anspiel „Mit Schere und Spreizer“, bei dem die Rettung eines im Pkw eingeklemmten Kindes simuliert wird. Der Clou dabei: Während der einzelnen Maßnahmen von der Ruhigstellung des Opfers durch den Notarzt über das Aufschneiden der Karosserie bis hin zum Abtransport, interviewt der gut aufgelegte Pfarrer Olaf Schaper die Beteiligten. Sogar den Verunfallten, der „aber noch unter Schock“ steht. „Ein gutes Team ist notwendig, wie auf dem Fußballplatz“, zieht er plastische Vergleiche. Notfallbegleiterin Ilse Schellschmidt erzählt von ihren Erfahrungen in der Betreuung von Eltern und Verwandten von Opfern. Deren Reaktionen seien ganz unterschiedlich. „Wenn sie es möchten, stehen wir an ihrer Seite.“

„Sich selber nicht mehr befreien zu können, bedeutet eine einschneidende Erfahrung“
Die Leistung der Einsatzkräfte und Notfallseelsorgenden sei unbeschreiblich groß, sagte Joachim Müller-Lange, Landespfarrer für Notfallseelsorge, in seiner Predigt. „Was tun wir uns an, was tun wir Ihnen an mit einem extrem risikofreudigen Lebensstil“, äußerte er Respekt und Dank seitens der Evangelischen Kirche im Rheinland. „Sich selber nicht mehr befreien zu können, bedeutet eine einschneidende Erfahrung. Mit Schere und Spreizer bekommt der Körper wieder Raum. Aber was ist mit der Seele? Die Angstzustände verschwinden nicht so schnell.“ Was passiere, wenn der Mythos der Unverltzlichkeit dahin sei? Dann benötige auch die Seele ein Rettungsmittel. Die Betreuung durch Notfall- und Feuerwehrseelsorge stelle eine Erste Hilfe für die Seele dar. Das Rettungsmittel Gebete schaffe der Seele wieder Raum.

„Wegzehrung“ – ohne Kölsch
Statt des Abendmahls wird am Ende eine „Wegzehrung“ ausgegeben. Und als im Anschluss das kölsche Buffet auf dem Hof eröffnet wird – der Regen hat sich längst verzogen – sucht man das traditionelle Getränk dazu vergeblich. „Wir haben kein Kölsch, weil Alkohol auf Feuerwehrwachen verboten ist“, begründet Reiprich-Meurer.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich