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„Mit Mut, Neugier, Lust und einem Gefühl von Freiheit“ in den Ruhestand: Abschied von Pfarrer Rainer D. Viebahn an der Antoniterkirche

In der Antoniterkirche wurde Rainer D. Viebahn ordiniert. Dort war er zunächst Pastor, dort hat er seine Frau Ingrid im Jahr 1978 geheiratet. Seit 1979 ist Viebahn Pfarrer der Kirche in der evangelischen Citykirche Kölns – also seit fast drei Jahrzehnten. Am 18. Januar, einen Tag nach seinem 65. Geburtstag, verabschiedete ihn die Evangelische Gemeinde Köln jetzt in den Ruhestand. Die Entpflichtung nahm Stadtsuperintendent Rolf Domning vor – als Pfarrer der Kartäuserkirche und Superintendent ein langjähriger Kollege Viebahns im Kirchenkreis Köln-Mitte. Zu den Mitfeiernden des Gottesdienstes gehörten unter anderem Viebahns Kollege an der Antoniterkirche, Citykirchenpfarrer Dr. Bertold Höcker. Kantor Johannes Quack, Organist Bertold Seitzer, die Trompeter Patrick Dreier und Peter Scheerer sowie der Chor der Antoniterkirche, deren musikalische Beiträge mit anhaltendem Beifall honoriert wurden.



Eine „erfüllte Zeit“
Nimmt man die große Zahl der Gottesdienstbesuchenden und der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am anschließenden Empfang im Gemeindehaus zum Maßstab, hat Viebahn gute Arbeit in und für „seine“ Kölner Gemeinde geleistet. Dafür mag auch der Applaus nach seiner Predigt stehen. In dieser betonte Viebahn, dass Nächstenliebe nicht mit Selbstverleugnung einher gehen dürfe, sondern Selbstliebe voraussetze. „Ohne Liebe zu mir selbst ist Liebe zum Nächsten gar nicht möglich.“ Das wichtigste sei aber die Liebe zu Gott. Der Gott, der nach Johannes uns zuerst geliebt hat. „Nur weil Gott mich und alle Menschen ganz annimmt und liebt, kann ich mich und auch die anderen annehmen und lieben lernen.“ Als ein ihm wichtiges Anliegen bezeichnete Viebahn, „von der Freude, der Solidarität untereinander und einer erfüllten Zeit zu predigen, die dem Leben Raum gibt“ – in jedem Alter. Eine erfüllte Zeit erhofft er sich auch für seinen Ruhestand, in den er „mit Mut, Neugier und Lust“ und einem Gefühl von Freiheit aufbrechen will.
„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ – diese Worte Martin Bubers empfindet Viebahn als ebenso treffend für seine Prediger- und Seelsorgertätigkeit an wie auch den Tag seines beruflichen Abschieds. So sah er die 32 Jahre in der Evangelischen Gemeinde Köln, inklusive seines Vikariats an der Thomaskirche, geprägt von zahllosen spannenden Begegnungen und dem Aufbau, der Pflege intensiver Freundschaften. Arbeitsintensiv sei diese Zeit gewesen, sagte er, und zugleich „überaus beglückend“. Die Antoniterkirche „war und ist meine berufliche und unsere familiäre Heimat“, fasste Viebahn zusammen.

Die Predigt von Pfarrer Viebahn zu seinem Abschied zum Nachlesen und Ausdrucken hier.

Seniorenarbeit mit zahlreichen kulturellen und theologischen Angeboten
Die Gemeinde attestierte ihm unter anderem, das klare evangelische Profil der Antoniterkirche im Gesamtgefüge der Kölner Kirchen mit geformt zu haben. Pfarrer Bertold Höcker hob hervor, dass unter ihm die Seniorenarbeit erblüht sei und sich mit vielfältigen, kulturellen wie theologischen Angeboten etabliert habe. Dazu passt, dass Viebahn, der etlichen Gemeinde-, Kirchenkreis- und Verbandsausschüssen angehörte, auch mehrmals dem Presbyterium der Evangelischen Gemeinde Köln vorsaß, Synodalbeauftragter für Seniorinnen- und Seniorenarbeit des Kirchenkreises Köln-Mitte war. Zudem engagierte er sich in Kuratorien verschiedener evangelischer Einrichtungen. Unter anderem des Clara-Elisen-Stifts in der Südstadt: Für dieses Alten- und Pflegeheim war die Kollekte des Abschiedsgottesdienstes bestimmt.

Vom Wirtschafts- und Steuerberater zum Pfarrer
1944 in Strausberg bei Berlin geboren, in Bergneustadt aufgewachsen, ging Viebahns berufliche Orientierung zunächst in eine ganz andere Richtung: Am Beginn stand nämlich eine Ausbildung zum Wirtschafts- und Steuerberater – in Köln. 1970, nach Erlangung der Hochschulreife, nahm er in Marburg ein Theologiestudium auf. 1973 absolvierte er mit Unterstützung der rheinischen Landeskirche ein Magister-Studienjahr in Ohio. Als wichtigen Teil seiner Zeit in den USA sieht Viebahn die Ausbildung in der damals aufkommenden Klinischen Seelsorge.

Selten: Dreißig Jahre in einer Pfarrstelle
Beim Empfang zur Verabschiedung hoffte Pfarrer Mathias Bonhoeffer als Vorsitzender des Presbyteriums, dass der eine oder andere Wunsch Viebahns für seine anbrechende Zeit der Freiheit in Erfüllung gehe. Dem scheidenden Amtsbruder überreichte er als „offenes Buch“ eine Sammlung der bislang eingegangenen Grußworte. Darunter ein Schreiben von Nikolaus Schneider. In Vertretung des Präses´ verlas Stadtsuperintendent Domning dessen Grußwort. Darin erinnerte Schneider an den beruflichen Richtungswechsel Viebahns. Statt dem Vater ein für allemal in die Steuerberatungsbranche zu folgen, habe er sich der Theologie zugewandt. Der Präses attestierte Viebahn „Stehvermögen“. Dreißig Jahre in einer Pfarrstelle – das gebe es in der Landeskirche heute nur noch sehr selten. „Es ist ganz offenkundig, die Gemeinde Köln hat es Ihnen angetan.“ Bereits im Gottesdienst hatte Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes als Gemeindeglied und namens der Stadt ihrem langjährigen Pfarrer Dank ausgesprochen und „einen ruhigen Weg in den Unruhestand“ gewünscht.

„Ich werde Sie vermissen“
Viebahn dankte für die besondere Ausgestaltung von Abschiedsgottesdienst und Empfang. Er freute sich über das große Echo aus seiner Gemeinde, über das Erscheinen zahlreicher Freunde, Weggefährten und Gäste aus dem kirchlichen und weltlichen Bereich, darunter Alt-Präses Manfred Kock, die Kollegen von den katholischen Nachbarkirchen rund um den Neumarkt und Vertreter des organisierten Karnevals. Sogar eine Abordnung aus seiner „alten Heimat“ Bergneustadt hatte sich nach Köln aufgemacht. „Ich werde das alles hier vermissen, ich werde Sie vermissen“, schloss er seine kurze Rede wehmütig-optimistisch mit einem Hüsch-Zitat – um sich dann erneut den persönlichen Gesprächen mit alten und jungen Weggefährten zu widmen.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich