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„Mit Kindern über Sterben und Tod reden“ – Rückblick Hospiztag 2010

Über ein hochkomplexes Thema referierte die Psychotherapeutin Barbara Cramer beim ökumenischen Hospiztag 2010 im Domforum. „Mit Kindern über Sterben und Tod reden“ lautete der Titel ihres Vortrags. Zuvor hatte Stadtsuperintendent Rolf Domning das Problem auf den Punkt gebracht: „Der Tod wird in unserer Gesellschaft verdrängt. Vor allem gegenüber Kindern. Denn die stellen oft Fragen, auf die wir keine Antwort wissen.“

Erwachsene sollten „selbst geordnet sein“
Cramer nannte das Gespräch mit Kindern über das Sterben und den Tod eine „große Herausforderung“. Voraussetzung sei zunächst einmal die eigene Auseinandersetzung mit dem Thema. „Man muss selbst geordnet sein in Bezug auf eigene Erfahrungen mit Sterben und Tod. Kinder orientieren sich an den Einstellungen von Erwachsenen.“ Wichtig sei, dass die Kinder in Bezug auf den Tod Hoffnung hätten. Es habe Umfragen gegeben, aus denen man das Wissen um die Entwicklung der Todesvorstellungen von Kindern abgeleitet habe. Dabei habe man drei Phasen unterschieden. Bis ins Alter von sechs Jahren hätten die Kinder die Vorstellung, der Tod sei ein vorübergehender Zustand. Zwischen sechs und zehn Jahren vollziehe sich der Übergang zu dem Wissen, dass der Tod endgültig ist. Bei den Umfragen hätten die Kinder oft erstaunlich klug geantwortet, sagte Barbara Cramer.
Die sechsjährige Anna: „Wenn man tot ist, kommt man in den Himmel. Und dann sterben die, und dann warten sie, bis sie wieder auf den Boden kommen.“ Ein Junge (6): „Wenn man tot ist, ist man im Paradies. Da ist ein Meer. Ich war im Urlaub auch schon mal am Meer.“ Ein zehnjähriger Junge sieht die Dinge so: „Tote werden zu Stein. Man redet nicht mehr. Die Seele geht in den Himmel, die Knochen bleiben hier. Die Menschen werden zerrissen. Sonst könnte die Seele nicht in den Himmel.“

Geschwisterkinder und ältere Menschen in den Blick nehmen
Alte Menschen, hat Barbara Cramer festgestellt, stellten oft die gleichen Fragen wie Kinder. „Nicht unbedingt gute Antworten zu haben, ist wichtig. Dem Kind die Gelegenheit zu geben, zu fragen, das ist wichtig“, so die Psychotherapeutin. Kinder, die älter als zehn Jahre sind, hätten die Endgültigkeit des Todes akzeptiert: „Ich stelle mir ein schönes Land vor. Es geht mir gut. Es gibt das zu essen, was ich gern mag“, lautet eine typische Äußerung in dieser Altersklasse.
Sehr kranke Kinder ahnten oft, in welchem Zustand sie sich befänden, weiß Barbara Cramer. „Sie ängstigen sich, allein gelassen zu werden. Immer wieder brauchen sie Verlässlichkeit und die Stärke der Eltern.Sie erkennen auch oft die wirklich wichtigen Dinge des Lebens.“ Ein achtjähriger Junge habe gesagt: „Das Wichtigste im Leben kostet gar nichts. Das Wichtigste ist, sich zu verstehen.“
Für Geschwister sei der Tod des Bruders oder der Schwester sehr belastend wegen der Schuldgefühle. „Ich habe so oft etwas Böses über sie gesagt, wenn sie verwöhnt wurde. Ich war ja auch noch da. Keiner beachtete mich. Ich habe auch manchmal gesagt, ich wünschte mir, sie wäre tot.“ Cramer rief dazu auf, die Geschwisterkinder mit ihren Nöten stärker in den Blick zu nehmen.

Antworten üben – oder vorlesen
Zum Ende des Vortrags gab Cramer einige Ratschläge für Gespräche mit Kindern über Tod und Sterben. Zunächst müsse man den Entwicklungsstand des Kindes berücksichtigen und offen für alle Fragen sein. Typische Fragen seien: „Was kommt nach dem Tod? Wann sterbe ich? Ist Krebs ansteckend?“ Um sich vorzubereiten, könnten Erwachsene Antworten auf diese Fragen üben. Am besten, indem man sie sich selbst laut gibt. „Mehrdeutige Metaphern wie ,Auf die Reise gehen‘ sollte man unbedingt vermeiden. Kinder verstehen das nicht. Besser ist zu sagen: Oma kann nicht mehr reden, nicht mehr spielen und nicht mehr stricken. Sie kommt nie wieder.“ Auf keinen Fall sollte man die Kinder mit den eigenen Grundängsten belasten. „Antworten Sie nur auf das, was gefragt wird.“
Cramer empfahl darüber hinaus Bilderbücher, die von Kindern gut angenommen würden. „Abschied von Opa Elefant“ und „Leb wohl, lieber Dachs“ seien als sehr gute Bücher zu empfehlen. Und eine Handpuppe bringt Cramer auch oft zu Gesprächen mit kleinen Patienten mit. Die ist einmal Raupe, nach einem Umstülpen wird sie zum Schmetterling: „Weiß die Raupe, was geschieht. Nein, sie weiß nicht, dass sie in Kürze ein bunter Schmetterling sein wird.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Rahmann