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Mit einem Gottesdienst wurde die Ausstellung „Kreuze, Kreuz-Wege, Kreuzungen“ in der Paul-Gerhardt-Kirche in Köln-Lindenthal eröffnet

Betritt man die evangelische Paul-Gerhardt-Kirche in Köln-Lindenthal, fällt sogleich das mächtige, aber nicht erdrückende Kreuz aus grüntonigen Glaselementen an der Chorrückwand ins Auge. Bis zum 22. Februar gesellen sich in dem luftigen Saalbau weitere Kreuze hinzu. Es handelt sich um Gemälde, Zeichnungen, Radierungen, Prägedrucke und Fotografien. Sie stammen von dem Künstler-Ehepaar Wil und Grit Sensen. Beide in Wuppertal geboren und heute in Bordeaux ansässig, präsentieren sie auf Einladung des Fördervereins Forum Paul-Gerhardt-Kirche seit Aschermittwoch eine Auswahl ihrer „Kreuz“-Arbeiten.


Motiv sich kreuzender Linien
Grit Sensens (Jahrgang 1940) farbige Fotografien zeigen Kondensstreifen am Himmel, verrostete Metallanker im Gemäuer, Sandformen, Steineinschlüsse, Graffiti, Flechtwerk oder Bodenstrukturen. Ihnen allen ist das Motiv sich kreuzender Linien gemein. Ob unscheinbar oder unübersehbar, Grit Sensens wenige Beispiele von am „Wegesrand gesammelten“ Kreuzen dokumentieren: Unser Leben, unser Alltag ist angefüllt mit einer wohl unerschöpflichen Zahl und Vielfalt an Kreuz(ungs)orten und -formen.

Symbole der Vergänglichkeit
In Will Sensens (Jahrgang 1935) feinen Prägedrucken aus den 1990er Jahren sind unterschiedliche Kreuz-Varianten zu entdecken. Mit seinem „Asche-Kreuz“, gemalt mit Kaminasche und schwarzer Farbe, verweist er auf zwei Symbole der Vergänglichkeit. Mit seinem ebenfalls im Chorraum plazierten „Kreuz der Katharer“ geht er auf die Vernichtung der Anhänger der mittelalterlichen christlichen Glaubensbewegung durch die offizielle Kirche ein. Dabei ist Sensens Motiv so angelegt, als wäre es ausgelöscht. Allein „schattierte“ Bereiche lassen auf eine Kreuzform schließen.

Erst geistliche, dann weltliche Eröffnung
Der weltlichen Ausstellungseröffnung ging ein Gottesdienst mit Prädikant Volker Neuhaus, Professor für Neuere deutsche und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität zu Köln, voran. Der renommierte Germanist und Autor hat die Schau auch kuratiert. Seiner anschaulichen Predigt legte er Paulus‘ Botschaft vom Kreuz im ersten Brief an die Korinther (1,18-24) zugrunde. Darin kam Neuhaus auf Goethe zu sprechen, der in „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ das „Geheimnis des Leidens“ hinter einem Schleier verbirgt. Ebenso auf eine Landesbischöfin, die einst konstatierte, mit einer Krippe anstatt des Kreuzes als das Zeichen des Christentums sähe Kirche anders aus. Neuhaus stimmte dem zu, bezweifelte jedoch, ob es dann überhaupt „seine“ Kirche wäre. Schließlich verband er den markanten Slogan „Überleben ist nicht leben“ der französischen Studentenunruhen von Mai 1968 mit dem Hinweis auf den Atem Gottes, der uns erst zum lebendigen Wesen mache.

„Es ist am Widerstand des Presbyteriums gescheitert.“
Immer wieder flocht der Prediger ausgewählte Werke der Ausstellung ein. So machte er etwa auf Wil Sensens Zeichnungen (1977) eines großen, liegenden Steinkreuzes aufmerksam. Es handelt sich um Entwürfe für die evangelische Kirche in Leichlingen. Gedacht war, das Kreuz auf ihrem Vorplatz beginnen zu lassen und es durch eine Glasfront in den Innenraum fortzusetzen. Das Projekt sei nie realisiert worden, bedauerte Neuhaus. „Es ist am Widerstand des Presbyteriums gescheitert.“ Zu sperrig und anstößig, erinnerte er einige der Gegenargumente. „An den kantigen Natursteinen könnte sich ja jemand stoßen. Andere meinten, das Kreuz sei etwas Heiliges, aber da könnten dann Hunde ihr Bein heben.“ Selbst sein „theologisches Gutachten“ sei erfolglos geblieben.

Das Kreuz bedarf von Anfang an der Deutung
Dabei habe bereits Paulus gesagt, „Ja, das Kreuz ist sperrig, das Kreuz ist anstößig.“ „Bis heute“, konstatierte Neuhaus. „Das Kreuz ist eine Torheit und ein Ärgernis. Es ist das Holz des Knüppels, der zwischen die Beine geworfen wird, der Stein des Anstoßes, der uns zugleich zum Heil hinführt.“ In Wil Sensens Konzept weise das Kreuz in das Kircheninnere, um seine Deutung zu erfahren. „Denn das Kreuz bedarf von Anfang an der Deutung“, unterstrich Neuhaus.

Gott muss sich am Kreuz verbergen
„An diesem Kreuz kommen wir nicht vorbei“, habe Jesus unmissverständlich auf Paulus´ Vorschlag, eine andere Lösung zu wählen, erwidert. „Das Kreuz durchkreuzt unsere Maßstäbe“, so Neuhaus. Es mache unsere Pläne zunichte. „Die Welt ist so, dass Gott sich am Kreuz verbergen muss. Gottes Liebe ist im Zorn versteckt“, stellte Neuhaus fest. Und er verdeutlichte das Paradox des Kreuzes. Als Symbol des Todes durchkreuze es unser Leben und zugleich bedeute es Leben. „Was es durchkreuzt, ist etwas vorletztes. Es weist auf etwas Letztes hin, auf Gottes Liebe“.

„Sie rufen uns in ein Letztes“
Wer sein Leben krampfhaft behalten wolle, der werde es todsicher verlieren, wendete Neuhaus Jesu´ Worte auf unseren Alltag an. „Wer sein Leben nicht krampfhaft festhält, der sieht, dass es etwas gibt, was über das Leben hinaus reicht, nämlich die Liebe, in der wir es behalten.“ Auch Will Sensens Kreuze seien Anstoß und Anruf. „Sie rufen uns in ein Letztes, in den Frieden Gottes, der höher ist als unsere Vernunft.“

Die Öffnungszeiten:
Geöffnet ist die Ausstellung in der Paul-Gerhardt-Kirche, Gleueler Straße 106/ Ecke Lindenthalgürtel, bis einschließlich 22. Februar: montags bis freitags von 17 bis 19 Uhr, dienstags von 10 bis 13 Uhr, sonntags von 11 bis 14 Uhr. Im Gottesdienst am Sonntag, 17. Februar, 10 Uhr, hält Volker Neuhaus eine Predigt zum Thema „Kreuz“.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich