Im Haus Wiesengrund in Nümbrecht-Überdorf soll sich jede und jeder willkommen und wohlfühlen. Dabei setzen Leiter Jürgen Lauff und sein Team – wie Küchenchef Lothar Seisel – auf Nachhaltigkeit, Fairness und Klimaschutz. „Menschlich. Gastlich. Fair“ haben sie ihr Leitbild überschrieben. Wie sie die Schlagworte jeden Tag mit Leben füllen, hat Jürgen Lauff kirche-koeln.de erläutert. Das Tagungs- und Gästehaus des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region gehört zum Verbund der „Himmlischen Herbergen“.
Rund ums Jahr jede Gemüsesorte und Obst aus der ganzen Welt: was im Supermarkt ein gewohnter Anblick ist, ist im Haus Wiesengrund ausgeschlossen. Hier wird nicht nur regional und saisonal eingekauft, sondern ganz bewusst auch auf Lebensmittel verzichtet, die nur unter dem massiven Einsatz kostbarer Ressourcen wie Wasser angebaut und produziert werden können.„Wir verwenden keine ressourcenintensiven Lebensmittel, wie zum Beispiel Avocados, und keine Flugware mehr“, sagt Hausleiter Jürgen Lauff. Hinzu kommt, dass etwa Lebensmittel, die wegen ihrer ständigen Verfügbarkeit „gefühlt keine Saison mehr haben, wie Tomaten oder Gurken“, im Winter reduziert werden, so Lauff. Denn dann ist ihre Erzeugung nur mit einem hohen Energieaufwand möglich.
Ziel des Konzeptes ist die Schonung und Bewahrung der Schöpfung. Klimaneutrale Bewirtung und Beherbergung anbieten zu können, zählt für Lauff zum Profil eines modernen, christlich-ethisch geprägten Tagungshauses. Eingekauft wird mittlerweile nach einem Ranking-System und bei nachhaltig produzierenden Anbietern und nicht mehr wie früher bei einem Anbieter, der das ganze Sortiment abdeckt. So kann auch flexibel auf Lieferengpässe und anderes reagiert werden. Erste Wahl sind Produkte aus regionalem Bio-Anbau. Ist hier etwas nicht verfügbar, folgen Produkte aus Bio-Anbau mit möglichst kurzen Transportwegen. Nur im Ausnahmefall wird bei Anbietern mit konventionellem Anbau eingekauft, wenn die Transportwege kurz sind.
Der Gast muss dabei nicht auf Geschmack und Genuss verzichten. Er kann zwischen einem sogenannten Fairen und einem Klassischen Menü wählen und erhält auf Wunsch auch veganes Essen. Die Portionen sind nach einer Erhebung und Auswertung angepasst worden, um möglichst wenig Lebensmittel zu verschwenden und den Anfall von Essensresten und Müll so gering wie möglich zu halten. Hungern muss deshalb niemand: „Wir geben immer gerne einen Nachschlag“, sagt Jürgen Lauff.
Hohes Energiesparpotenzial
Beim nachhaltigen Einkaufen und Verköstigen endet das Engagement von Haus Wiesengrund für die Schöpfung noch lange nicht. „Wir haben 2015/2016 damit begonnen, Energieeinsparungsmaßnahmen umzusetzen“, erzählt der Hausleiter. Die Beleuchtung wurde schrittweise auf LED -Technik umgestellt, energieintensive Großküchengeräte durch energiesparende ersetzt. Bei manchen Geräten liegt die Einsparung bei 60 Prozent, so Lauff.
Die Heizungspumpen sind durch Hocheffizienzpumpen ersetzt worden. Lauff: „Die Heizungssteuerung wurde dahingehend erneuert, dass wir unterschiedliche Temperaturen in den einzelnen Heizkreisen einstellen können. Bei der Bettenbelegung versuchen wir unsere Gäste so im Haus zu verteilen das wir komplette Teile auf eine Minimaltemperatur herunterfahren können.“
Im Zuge der Energiekrise wurden die Raumtemperaturen weiter abgesenkt und viele Bereiche mit Behördenventilen ausgestattet, die eine konstante Temperatur ermöglichen. „Wir bieten nun auch Decken für die Tagungsräume an“, ergänzt Jürgen Lauff. Überflüssige Beleuchtung sei abgestellt worden, gespart wird auch beim Wasserverbrauch. Zukünftig werde die Energetische Gebäudesanierung ein Thema. „Durch das Alter und die Bauweise der Gebäude ist ein hohes Einsparpotenzial vorhanden“, sagt Lauff.
Positve Resonanz der Gäste
Nicht nur im Haus, sondern auch auf dem Außengelände wird auf die Schöpfung geachtet: Es wird immer nur ein Drittel der Fläche gemäht, zudem gibt es Blühstreifen mit regionalen Blütenpflanzen, sodass Insekten immer ein kleines Paradies vorfinden. „Eine ortsansässige Imkerei hat zehn Bienenvölker auf unserem Gelände stehen“, erzählt Lauff weiter. Das hilft nicht nur beim wichtigen Bienenschutz, sondern kommt auch dem Haus zugute: mit dem eigenen „Wiesengrundhonig“. Zurzeit werden Totholz-Hecken angelegt, die neben Insekten auch Igeln, Vögeln und Fröschen und anderen Kleintieren Schutz und Nahrung bieten.
Und wie kommt all das bei den Gästen an? „Ich stelle fest, dass unsere Gäste unsere Bemühungen zu schätzen wissen“, freut sich der Hausleiter. Buchungsanfragen von Organisationen, deren Hauptbestreben der Umweltschutz sei, wie zum Beispiel vom NABU (Naturschutzbund Deutschland) zeigten, dass das Konzept auch außerhalb der Kirche beachtet werde.
70 Prozent der Gäste entscheiden sich aktuell für das faire, fleischlose Menü. „Bei jeder Mahlzeit des Fairen Menüs erreichen wir eine CO²-Minderung von durchschnittlich 42 Prozent gegenüber des Mahlzeitenangebots von 2019“, hat Jürgen Lauff ausgerechnet. „Die hohe Resonanz für das Faire Menü finde ich beachtlich. Das zeigt mir, dass wir auf einem gutem Weg sind!“
Auch sonst ist die Resonanz der Gäste positiv: Bei den sogenannten „Storytellern“, auf denen die Gäste ihre Resonanz notieren können, finden sich zahlreiche begeisterte Kommentare über das Faire Menü und die Qualität des Essens. Mancher freut sich schon auf das nächste Mal oder hat bereits beschlossen, nun immer das Faire Menü zu wählen. „Das Essen ist so prima, wir tun was fürs Klima!“ dichtete eine Besucherin.
Alle Mitarbeitenden haben eine Stimme
Von all dem sollen nicht nur Umwelt und Gäste profitieren. Zum Profil und Leitbild von Haus Wiesengrund gehört es explizit, dass sich auch die Mitarbeitenden wohl- und wertgeschätzt fühlen sollen. Sie sollen zudem ihre Fähigkeiten und Talente, ihre Stärken einbringen können. Was heißt das konkret? Jürgen Lauff: „Wir haben uns bei unserer Werte-Matrix auch die Frage gestellt: Woran merken Mitarbeiter das sie bei der Evangelischen Kirche arbeiten? Wir haben schon sehr früh die Ideen und Anregungen unsere Mitarbeiter ernstgenommen und umgesetzt.“
Bei jeder Konzeptplanung werden die Mitarbeitenden aufgefordert, ihre Ideen und Meinungen einzubringen. „Wenn wir bei Themen die unsere Mitarbeitenden direkt betreffen verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung sehen, stimmen wir ab. Jede:r Mitarbeiter:in hat eine Stimme – egal welche Position und welchen Arbeitsumfang“, erläutert Lauff. „Das war auch bei der Einführung der Nachhaltigkeit so. Und die Mitarbeitenden habe einige gute Ideen eingebracht.“
Thema präsenter und interessanter machen
Lauff lobt nicht nur sein Team: „Während des gesamten Prozesses konnten wir auf die Unterstützung des Evangelischen Kirchenverbansd Köln und Region zählen, für den die Bewahrung der Schöpfung ein präsentes Thema ist.“ Leider würden nicht alle Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft solch eine Unterstützung erfahren. „Viele Beherbergungsstätten und Tagungshäuser, aber auch Kita-Verbände und Schulen haben nicht die Möglichkeit, Konzepte zur nachhaltigen Ernährung auszuarbeiten oder umzusetzen“, weiß Lauff aus seiner Branxhe. „Das empfinde ich als sehr bedauerlich und hoffe, dass wir im Haus Wiesengrund etwas dazu beitragen können, das Thema nachhaltige Ernährung präsenter und interessanter zu machen.“
Er selbst sei bei der Vertiefung des Themas erschrocken gewesen „über das große Ausmaß an Umweltzerstörung, Ressourcenverbrauch und sozialer Ungerechtigkeit, dass die Produktion unserer Lebensmittel hervorruft – gepaart mit einer gigantischen Verschwendung und einen unglaublich grausamen Umgang mit Tieren“, erinnert sich Jürgen Lauff. „Wenn wir ernsthaft über ein schöpfungserhaltendes Handeln reden, ist ein nachhaltiges Speiseangebot unverzichtbar.“ Und eben nicht nur das.
Haus Wiesengrund macht mit beim Projekt „GeNAH – Gerechte und nachhaltige Außer-Haus-Angebote gestalten“, das bis Ende 2023 läuft. Träger sind die Himmlischen Herbergen, das Bistum Münster und die LWL-Kliniken.
Foto(s): Jürgen Lauff/Haus Wiesengrund