Seit den 1950er Jahren hält die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Lindenthal traditionell am Ewigkeitssonntag eine Andacht auf dem Melatenfriedhof. Wie jedes Jahr versammelte sich eine Gruppe von Christen am diesjährigen Sonntag vor dem 1. Advent am Hochkreuz um Pfarrer Armin Beuscher und den Posaunenchor. Nach der halbstündigen Andacht bot Günter Leitner von dem evangelischen Stadtführungsprogramm AntoniterCityTours eine Führung über den Zentralfriedhof der Domstadt an.
Nach einem Vorspiel des Bläserkreises unter Leitung von Uta Fischer und Begrüßung durch den Pfarrer sangen die Anwesenden das Kirchenlied „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ von Philipp Nicolai (EG 147). Der Choral gehört zu den Klassikern der Liturgie des Feiertags der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Kernthema des Gedenktages für die Verstorbenen ist die Erwartung des Jüngsten Tages.
Der Totensonntag geht auf Friedrich Wilhelm III. zurück
Die Tradition des Totensonntags verdankt die Evangelische Kirche dem Preußen-König Friedrich Wilhelm III. Der Monarch verfügte im November 1816, dass am Sonntag vor dem ersten Advent „ein allgemeines Kirchenfest zur Erinnerung an die Verstorbenen“ gefeiert werden soll. Bis zu der Verordnung fehlte ein Totengedenken im evangelischen Kirchenjahr. Als „stiller Tag“ ist der Ewigkeitssonntag nach dem Feiertagsgesetz in allen Bundesländern staatlich geschützt.
Zuflucht in Vergänglichkeit
Gemeinsam wurde Psalm 90 gebetet, der die „Zuflucht in Vergänglichkeit“ thematisiert. „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ lauten die letzten Verse. Es folgte das gesungene Gebet „Befiehl du deine Wege“ von Paul Gerhardt, dem Namenspatron einer der drei Kirchen der Lindenthaler Gemeinde.
Wie das Symbol der Schlangen deuten?
In der Andacht widmete sich Pfarrer Beuscher, der 1989 in die Gemeinde kam, den Varianten des Symbols der Schlange auf Grabsteinen. „Die Schlange, die sich in den Schwanz beißt, ist wie der Kranz, der Kreis und der Ring ein Symbol für Unendlichkeit“, erläuterte der Pfarrer. Die am Fuß des Kreuzes zertretene Schlange verkörpert dagegen das Böse, über das Christus triumphiert. Um den Äskulap-Stab gewunden, ist sie ein Zeichen für Heilung.
Strafe und Rettung
Ein Symbol der Hoffnung ist die ausgerollte Schlange aus Metall. Die symbolische Bedeutung geht zurück auf eine Geschichte im 4. Buch Mose. Zur Strafe für Sünden schickt Gott Schlangen zu den Israeliten bei ihrer Wanderung durch die Wüste nach dem Auszug aus Ägypten. Aber er gibt Moses ebenso in Gestalt der Schlange die Rettung in die Hand. „Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben“, ist im Alten Testament überliefert.
Seid klug wie die Schlangen
Jesus Rat an die Jünger „Seid klug wie Schlangen“ (Matthäus 10) verband Pfarrer Beuscher mit den Schlusszeilen des Psalm 90. „Wir wissen nicht, wie viele Tage Gott uns schenkt, darum genießt jeden Tag im Bewusstsein, dass die Zeit endlich ist“, gab der Pfarrer den Andacht-Teilnehmern mit auf den Weg. Vor dem Vaterunser und dem Segen wurde mit Begleitung des Posaunenchors „Verleih uns Frieden gnädiglich“ gesungen, ein weiterer Choral, der zum klassischen Liederkanon am Ewigkeitssonntag gehört. Martin Luther verfasste die geistliche Strophe 1529 als Nachdichtung des gregorianischen Wechselgesangs „Da pacem, Domine“.
Seltene Kopfbedeckung: Das Barett
Pfarrer Armin Beuscher leitete die Liturgie mit einer selten getragenen Kopfbedeckung zum Talar. Andacht-Besucher fragten nach. „Das Barett ist die offizielle Dienstbekleidung, wenn Pfarrer außerhalb der Kirche auftreten“, erklärte er. Seine Kopfbedeckung ist ein Erbstück des früheren Pfarrers Helmut Adam. Der Name ist in altdeutscher Schrift innen hineingeschrieben. Wer angesichts von Pfarrer Beuschers Kleidung an Martin Luther dachte, lag richtig. Ein ähnliches Barett trägt der Reformator auf Abbildungen.
Foto(s): Ulrike Weinert