In der Zwischenzeit sollte es eigentlich jede und jeder mitbekommen haben: 2017 feiert die Evangelische Kirche in Deutschland das Jubiläum der Reformation. Hätte man vor 50 Jahren einen Pfarrer gefragt, wie er sich seine Kirche in 50 Jahren vorstellt, hätte das große Fest sicher einen prominenten Platz eingenommen. Ob die Menge an Luther-Devotionalien in der Vision auch vorgekommen wäre, ist allerdings eine andere Frage.
Ganz so einfach habe ich es heute nicht. 500 Jahre Reformation sind einfach unschlagbar. Und doch will ich beim großen Festtag ansetzten. Denn 500 Jahre Reformation heißt nicht nur, dass wir einen Gedenktag begehen und an den 31. Oktober 1517 erinnern. Reformation ist ein Prozess. „Ecclesia semper reformanda est!“ zu Deutsch: Kirche muss ständig reformiert werden. Dieses Zitat, das fälschlicherweise immer wieder gerne Martin Luther zugeschreiben wird, bringt es auf den Punkt. Reformation dauert an, bis heute. Die Kirche muss ständig erneuert werden und darf nie zum Stillstand kommen.
„Sich nicht auf Erreichtem ausruhen“
Immer wieder lassen sich Kirchenleitungen, Gemeindevorstände, Pfarrerinnen und Pfarrern und Gemeindemitglieder tolle und neue Konzepte und Konzeptionen einfallen. Ich wünsche mir auch für die nächsten 50 Jahre, dass meine Kirche nicht der Gefahr erliegt, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Ich wünsche mir wache Geister, die es schaffen die Kirche in Bewegung zu halten und immer wieder neu zu reformieren.
Die Wurzeln und Traditionen nicht vergessen
Die andauernde Reformation der Kirche kann aber nur funktionieren, wenn wir uns unserer Wurzeln und unserer Tradition bewusst sind. Eine sich immer wieder erneuernde Kirche muss und darf nicht die Erkenntnisse vorrangegangener Generation vergessen. Darum ist auch in Zukunft das Feiern von Jubiläen wichtig. 2067 werden wir 250 Jahre Kirchenunion feiern, also die Vereinigung der reformierten und lutherischen Gemeinden in Preußen. Wir werden uns daran erinnern, dass auch die Unterschiede innerhalb der evangelischen Kirche uns nicht voneinander trennen, sondern die Vielfalt unserer Gemeinden ein Schatz ist.
Gemeindeleben in 50 Jahren
In 50 Jahren wird es weniger Gemeinden mit weniger Pfarrerinnen und Pfarrern geben. Wir werden vor Herausforderungen stehen und sicher wird nicht jeder glücklich sein mit den Entscheidungen, die zu treffen sind. Das Jubiläum wird uns aber den Anstoß geben, von neuem über unsere Gemeinden nachzudenken. Die kirchliche Landschaft wird bunter werden, klassische Gemeindestrukturen werden aufgebrochen, zugunsten innovativer Gemeindeformen, die wir uns jetzt noch gar nicht vorstellen können, und Kirche wird dadurch nahe am Menschen sein. Die Menschen haben in der Gemeinde eine Heimat, unabhängig davon, ob sie in der Gemeinde auch wohnen. Die Vielfalt an Gemeinden gibt jeder und jedem die Möglichkeit die eigene Heimat zu finden und dabei dem anderen eine andere Heimat zuzugestehen. Die Vielfalt innerhalb der Kirche wird nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung gesehen.
Ausblick
In 50 Jahren bin ich 81 Jahre alt und habe (hoffentlich) meinen aktiven Dienst beendet. Von meinem Altersitz aus möchte ich auf eine Kirche blicken, die ich gemeinsam mit vielen anderen Menschen geprägt habe, die ihre Tradition und ihre Vielfalt als großen Schatz sieht und die niemals stillsteht.
Zur Person
Pfarrer Oliver J. Mahn ist Pfarrer an der AntoniterCityKirche Köln. Er studierte evangelische Theologie an der Universität in Mainz und hat sein Vikariat ebenfalls an der AntoniterCityKirche absolviert.
Foto(s): privat