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„Meine Kirche in 50 Jahren“

Weiter geht es mit dem zweiten Beitrag der Reihe „Meine Kirche in 50 Jahren“. In loser Folge finden Sie auf dieser Seite übers Jahr verteilt Beiträge von Menschen, die anlässlich des Jubiläums „500 Jahre Reformation“ darüber nachdenken, philosophieren, fabulieren und spekulieren, wie die Evangelische Kirche in 50 Jahren aussehen könnte. Dieses Mal hat die Altenberger Dompfarrerin Claudia Posche mit Unterstützung von Vikarin Julia-Rebecca Riede und einigen Konfis einen Blick in die Zukunft gewagt. Nicht ohne Augenzwinkern.

In 50 Jahren bin ich 106. Für das Jahr 2067 gibt es zwei Möglichkeiten: Vielleicht liege ich dann schon seit Jahrzehnten auf dem Altenberger Friedhof mit Ausblick auf den Dom. Der wird in 50 Jahren immer noch im Dhünntal stehen, da bin ich mir sicher. Der Altenberger Dom wird dann ein florierendes Zentrum der Ökumene in Deutschland sein. Es wird gemeinsame Gottesdienste aller Christen geben, selbstverständlich mit gemeinsamen Abendmahlsfeiern, Gottesdienste zu Beginn und Ende der Berufstätigkeit, Konfirmungen aller jungen Christen,Tiersegnungen und Urnenbeisetzungen im Kirchenraum, denn Beerdigungen wird es fast nicht mehr geben.

Geschwisterliches Miteinander
Wer will, kann auch mit der Asche des geliebten Haustieres in einer Urne bestattet werden. Pfarrer, Priesterinnen und Popen werden gemeinsam die gute Nachricht unseres Glaubens allen Menschen verkündigen und selbstverständlich in einem geschwisterlichen Miteinander mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Religionen die wichtigen Themen der Zeit besprechen und sich der Nöte der Menschen annehmen.

Streng beäugt vom alten Establishment
Zweitens – Ich bin noch „still alive and kicking“ und lasse es mir nicht nehmen, zu meinem Geburtstag den neuen Herrn Vikar der Gemeinde mit Eierlikör zu empfangen und ihm die mitgebrachten Chrysanthemen um die Ohren zu hauen. Unterstützt werde ich dabei von zwei eifersüchtig-wachsamen Dackeln.

Sie merken, ich blicke optimistisch in eine Zukunft unserer Kirche, in der die konfessionellen Unterschiede verschwimmen, und in der es noch immer geistlich-begeisterten Nachwuchs gibt – wenngleich streng beäugt vom alten Establishment.

Einiges wird sich ändern
Meine KonfirmandInnen blicken ebenfalls optimistisch in die Zukunft, ich habe sie gefragt. Einiges wird sich ändern, meinen sie. Aber nicht alles. Selbstverständlich würde kirchlich getauft, konfirmiert, geheiratet und bestattet. Der begleitende und schützende Segen Gottes, das sei, was ein Mensch in seinem Leben brauche. Aber sonntags in ein ungemütliches Gebäude? Nein, das nicht. Kirche müsse räumlich ansprechender und personell zugewandter werden. Haustaufen, ein Phänomen, das vor 50 Jahren noch weit verbreitet war, soll es in 50 Jahren wieder geben. Und warum nicht selbst Hand an das Kasualgeschehen legen? Mit dem Pfarrer als Experten. Aber dafür müssten die Pfarrpersonen lockerer werden und zu den Menschen kommen.

Sofas, das wäre doch etwas
Mitten rein ins Leben. Genau das, das volle Leben, solle auch bei Hochzeiten sichtbar werden. Klar, mit Pfarrer und Gottes Segen, aber warum in einer Kirche? Warum nicht in luftigen Höhen oder gleich im freien Fall? Warum nicht im eigenen Garten auf der kindheitserinnerungsgeschwängerten Wiese? Wo es Autokino gebe, da könne doch auch ein Autogottesdienst möglich sein. Besondere Orte seien ein Garant dafür, dass die besondere Botschaft der Kirche gehört würde. Und wenn es dann doch der Kirchraum sein solle, dann einer mit Tradition, wie der Altenberg Dom, nur gemütlicher. Sofas, das wäre doch etwas.

Kirche in 50 Jahren. Es gibt sie noch, aber ganz anders. Traditionsbewusste Konfirmandinnen und Konfirmanden, die die Tradition modern aufgebrochen sehen möchten.
Vikarin Julia-Rebecca Riede

„Flügeln der Morgenröte“
In 50 Jahren ist meine derzeitige Vikarin 82. Sie wird dann lange im Ruhestand sein. Vielleicht kommt sie zu meinem 107. Geburtstag und wir können gemeinsam den aktuellen Herrn Vikar in die Flucht schlagen. Sie darf noch alles, muss aber nichts, das ist das Schöne am Ruhestand. Gerade hat sie mir von einer Gartenschaukel-Trauung erzählt. Nun bereitet sie eine Novembertaufe am Nordseestrand vor. Im freien Fall macht sie seit einer Hüftgelenks-OP vor sieben Jahren allerdings auch nichts mehr. Der Kollege im Amt schon. Das wird gerne genommen: Segen über oder unter den Wolken. Es mache so schön deutlich, was mit den „Flügeln der Morgenröte“ gemeint sei.

Singles – die kommen gerne
Man kennt die Schrift genau, das hat das Jubiläumsjahr 2017 angestoßen. Die Auslegung ist manchmal eigenwillig. Man will viel. Pfarrernnen und Pfarrer sollen flexibel sein. Unser Dom und auch die Backsteinbauten mit Lagerhallencharme werden oft genutzt, aber am wenigsten Sonntagsmorgens. Es gibt den Sonntagsgottesdienst, aber Tanzgottesdienste am Freitagabend und Art-Performance-Gottesdienste am Samstagvormittag ziehen mehr Menschen an. Singles – die kommen gerne. Familien – da geht man hin.

Alte Vikarin im Strandkorb
Taufe am Nordseestrand also. Alle Kinder sollen mit kleinen Muscheln Meerwasser in eine große Muschel schöpfen, mit der der Taufvater oder die Taufmutter dann die Taufe vollzieht. Das kann dauern. Ich hoffe für die alte Vikarin auf einen Strandkorb, in dem sie während der Vorbereitungen etwas dösen kann. Schließlich ist sie auch nicht mehr die Jüngste.

Zurück in die Zukunft? Meine Kirche schafft das!

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Text: Claudia Posche
Foto(s): Heidemarie Wolf