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Mein Denkmal – Ausstellung von Wohnungslosen in der Überlebensstation Gulliver

Die lebensgroße Figur auf dem Foto steht gegenüber einer Polizeistation. Unübersehbar hat sie ihren Mittelfinger erhoben. „Mein Punker grüßt die Jungs von der Eigelsteinwache“ ist die Szene betitelt.

Die Idee stammt von Eis. Eis ist Obdachloser und Besucher der Überlebensstation „Gulliver“ im Bahnbogen in der Trankgasse. In deren Café finden regelmäßig von Elvira Reith organisierte Präsentationen mit bildender Kunst statt. Erstmals sind es nun wohnungslose Nutzer der Obdachlosenstation selber, die hier ausstellen.

Initiiert wurde das Projekt von Klaus Sievers, konzeptueller Künstler in Düsseldorf. Er hatte die Idee, Wohnungslose ihr persönliches Denkmal bauen und mittels Photomontage am Wunsch-Ort „aufstellen“ zu lassen. „Die Vorstellung meines Plans  hinterließ einen eher pessimistischen Eindruck“, erinnert sich Sievers an das erste Treffen. Der Workshop im „Gulliver“ selbst sei jedoch spannend verlaufen. Nach längeren Gesprächen konstruierten zwölf Interessierte aus von ihnen mitgebrachten oder von Sievers bereit gestellten Materialien ihr persönliches Denkmal im Modellformat.

„Mein Zelt steht da, wo die Bonzen wohnen“
„Mein Bauch ist mein Denkmal“
So bastelte Michelle aus einer kleinen Mülltüte eine ärmliche Behausung für einen speziellen Standort: „Mein Zelt steht da, wo die Bonzen wohnen.“ In der fertigen Photomontage findet sich das Plastikobjekt dann scheinbar real vor einem luxuriösen Hotel im Rechtsrheinischen wieder.

„Die Wohnungslosen hatten ganz genaue Vorstellungen von dem, was sie machen wollten und wo dieses Denkmal Platz finden soll“, so der 1962 in Essen geborene Sievers. Für die im neunten Monat schwangere Gera stand fest: „Mein Bauch ist mein Denkmal.“ Also montierte Sievers ein Lichtbild ihres mit Gips abgeformten Leibes in ein vom ausgewählten „Standort“ angefertigtes Foto. Nun prägt Geras Bauch die Rosette eines Domfensters. Wie bei den meisten präsentierten Fotomontagen muss man auch hier schon genau hinsehen. Sonst erscheint das Fremdstück schnell als selbstverständliches Element seiner Umgebung.

Imposant wirkt die Figur „Anbetung und Segnung“, die mit weit ausgestreckten Armen auf dem computertechnisch um zwei Elemente verkürzten Stufenturm der Ma´alot-Installation von Dani Karavan (im Original auf unserem Foto)  auf dem Heinrich-Böll-Platz kniet. In Wirklichkeit ist sie lediglich 10 cm hoch, geformt von Lothar aus Staniolpapier.

Die Lachende Tonne an der Michael-Jackson-Bahn
Wie unterschiedlich die Denkmal-Träume sind, belegt auch die „Lachende Tonne“ von Fuhr. Die zwei zu einer Figur verbundenen Konservendosen hat Sievers gemäß Fuhrs sehnlichstem Wunsch an den Rand der Michael-Jackson-Bahn im Phantasialand Brühl gesetzt.

Der Künstler als Geburtshelfer
Sievers Ausstellung im „Gulliver“ gehört zu seinen interaktiven Projekten mit Erwachsenen und Kindern. Dabei sieht sich der Künstler in der Rolle des Geburtshelfers. „Ich versuche, Spielregeln zu erfinden, die anderen die Möglichkeit geben, kreativ zu werden.“ Er gebe zwar Impulse und sorge dafür, dass die Arbeit „ordentlich“ aussehe und gut rüber komme. „Aber die entscheidenden Anteile müssen von den Leuten selbst kommen.“
In „Mein Denkmal“ ist dieses Konzept ganz gewiss aufgegangen. Dabei überzeugen die Wohnungslosen mit hintergründigen, kraftvollen, sinnlichen und eigenständigen Beiträgen. Mit intelligenten Objekten, die, könnte man sie denn realisieren, die Kunst im öffentlichen Raum bereichern würden.

Geöffnet ist die Ausstellung im „Gulliver“, Trankgasse 20, Bahnbogen 1, bis 31. Januar täglich von 10 bis 18 Uhr.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Marten Marquardt