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Martin Luther: „Musik ist eine Gottesgabe“

Alle vier Kölner Kirchenkreise beteiligten sich mit einem reichhaltigen Programm an der deutschlandweit von evangelischen Kirchen getragenen „Musikalischen Stafette“, in der über den Zeitraum eines Jahres die musikalische Botschaft der Reformation durch alle 38 Kirchenkreise der Evangelischen Kirche im Rheinland(EKiR) wie auch quer durch Deutschland weitergereicht wird: an allen 366 Tage des Schaltjahres 2012 zieht sich ein im Dominoprinzip verbundenes Band von Konzerten, Gottesdiensten und Soireen durch das Land – im Frühjahr durch die süd-westlichen Gefilde, im Sommer entlang der Nord- und Ostseeküste, um den Reformationstag in Mitteldeutschland, zur Weihnacht im Erzgebirge und in Sachsen. Der musikalische „Lauf“ der Rheinischen Landeskirche startete am 1. Januar in Solingen und erreicht am 9. Dezember 2012 in Langenfeld „die Zielgerade“. Jeder Kirchenkreis übernimmt dabei eine Woche und füllt sie mit musikalischen Aktivitäten unterschiedlichster Art. In dieser großen Stafette bestritten die vier Kölner Kirchenkreise die Wochen vom 27. Mai bis 24. Juni.

Teil des Reformations-Gedenkens
„Der 31. Oktober 1517 ist in die Kirchengeschichte als Datum eingegangen, an dem Martin Luther seine 95 Thesen in Umlauf brachte, der Ausgangspunkt der Reformation. 2017 jährt sich dieser für die evangelische Christenheit so wichtige Tag zum fünfhundertsten Mal. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) nähert sich diesem Jubiläum mit einem besonderen Countdown: der Luther-Dekade. In zehn Themenjahren werden die verschiedenen Aspekte der Reformation neu beleuchtet.“ Im Grußwort zum Gesamtprogramm der vier Kölner Kirchenkreise legen Kirchenmusikdirektor Johannes Quack, Vorsitzender des Arbeitskreises Kölner Kirchenmusiker, und Rolf Domning, Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region, dar, welchen Platz die „Musikalische Stafette“ im Reformations-Gedenken einnimmt: „In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf dem Thema ‚Reformation und Musik‘. Und das nicht von ungefähr: war der Gesang in den Kirchen vor der Reformation den Priestern und Mönchen vorbehalten, so ist seitdem die ganze Gemeinde beteiligt. Das Priestertum aller Gläubigen, es galt auch dem religiösen Liedgut. Luther selbst war der Gemeindegesang so wichtig, dass er eigens für den Gottesdienst den protestantischen Choral ‚erfand‘. Dabei bediente er, der frühere Mönch, sich gerne der gregorianischen Gesänge und übertrug deren lateinische Texte ins Deutsche. Auch der Orgel gab er schließlich seinen Segen: wenn es denn hilfreich und förderlich sei, das Evangelium aufzunehmen und ‚um des jungen Volkes willen‘ sollten ruhig Glocken läuten, Orgeln pfeifen und alles klingen, was klingen kann.“

„Fröhlich und mit Lust davon singen …“
Zu allen Zeiten und in allen Religionen war Musik Ausdruck des Glaubensvollzugs. Luther aber machte das gemeinsame Singen der Gemeinde zum unverzichtbaren Bestandteil des christlichen Gottesdienstes: Glauben und Singen gehörten für ihn untrennbar zusammen: „Singet dem Herrn ein neues Lied. Denn Gott hat unser Herz und Mut fröhlich gemacht durch seinen lieben Sohn, welchen er für uns gegeben hat zur Erlösung von Sünden, Tod und Teufel. Wer solches mit Ernst gläubet, der kann’s nicht lassen, er muss fröhlich und mit Lust davon singen und sagen, dass es andere auch hören und herzukommen.“ Kirchenräume und Gottesdienste sollten so gestaltet sein, „dass nichts anderes darin geschehe, denn dass unser lieber Herr selbst mit uns rede durch sein heiliges Wort, und wir wiederum mit ihm reden durch Gebet und Lobgesang“, forderte der Reformator. Luthers Wertschätzung der Musik bezog sich allerdings nicht allein auf das geistliche Lied, sondern auf alle Musik: Sie gehört für ihn zum guten „Regiment“ Gottes, mit dem er seine Schöpfung erhält. In dem berühmten Lied der „Frau Musika“ beschreibt Luther das „Amt“ der Musik im Sinne des Waltens Gottes für das Leben und gegen das Böse: „Hier kann nicht sein ein böser Mut, … Hier bleibt kein Zorn, Zank, Hass noch Neid, weichen muss alles Herzeleid. Geiz, Sorg und was sonst hart anleit, fährt hin mit aller Traurigkeit.“ An dieser Wirkung der Musik hat sich bis heute nichts geändert. Luther stellte die Musik sogar auf eine Stufe mit der Theologie, „dieweil sie die Herzen froh macht, dazu taugt, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut reizt, Neid und Hass mindert – und nicht zuletzt den Teufel vertreibt.“ Hinzufügen ließe sich: Nichts war auf Erden kräftiger, die Sache der Reformation zu befördern, als die Musik. Denn zusammen mit Predigt und Buchdruck brachten vor allem die Lieder die Theologie der Reformation unters Volk. Mit dem Singen neuer Lieder erreichte die Reformation die Masse der Bevölkerung, jenseits jeder komplexen Glaubenslehre.

Workshops, Kantaten, Angebote zum Mitmachen …
So wie damals die Reformation der Kirche mit dem Singen neuer Lieder begann, so steht auch heute das Singen für das Wirken der Kirche, hinein in die Welt. Die Musikalische Stafette schlägt also einen Bogen aus der Zeit der Reformation bis in unsere Gegenwart. Und zwar in aller evangelischen Vielfalt: Konzerte, Gottesdienste, Offenes Singen, Orgelwanderungen, Workshops, klassischer Chorgesang, Gospelmusik, Obertonsingen, Kinderchöre oder Jazz. Als roter Faden innerhalb dieser Vielfalt kann dabei die Tatsache gelten, dass in jeder Woche eine Bachkantate zur Aufführung gebracht wurde. Ein anderer wesentlicher Teil des Programms in Köln und Region waren die vielfältigen Angebote zum Mitmachen für Gemeindenahe und Gemeindeferne: Wer seine Stimme ausprobieren wollte, hatte die Gelegenheit dazu bei über einem Dutzend Veranstaltungen, und für jeden Geschmack war etwas dabei, ob Traditionelles, Poppiges, Gospel oder Schlager: „auf dass alles klinge, was klingen kann“, wie es im Grußwort heißt. Großer Dank gilt allen Künstlerinnen und Künstler, den Musikern, Chören und Ensembles, den Zuhörenden und Mitmachenden, den Kantorinnen und Kantoren sowie den Pfarrerinnen und Pfarrern, die an der Planung dieser vier Wochen mitgewirkt haben, schreiben Domning und Quack dort.

Ein Höhepunkt: Liebeslieder der Romantik
Aus dem Programm des Kirchenkreises Köln-Mitte soll hier stellvertretend für die Fülle der Veranstaltungen von dem Romantischen Liederabend im Tersteegenhaus Köln-Klettenberg berichtetet werden. Die etwa 180 Besuchenden erlebten im restlos gefüllten Saal einen „bezaubernden“, abwechslungsreichen Abend mit Chorgesang, Sololiedern und Rezitation. Durchgängiges Thema des Programms war die tiefe und spannungsgeladene Freundschaft und Liebe dreier Menschen im 19. Jahrhundert: die wechselseitigen Beziehungen zwischen Robert Schumann, Clara Schumann und Johannes Brahms spiegeln sich in ihrem musikalischen Werk. Im Zusammenklang mit den Auszügen aus deren persönlichen Briefen entstand ein reizvolles Ganzes, das das Publikum anrührte und begeisterte. Unter der Leitung von Eva-Maria Förster, seit 2004 Kantorin der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Klettenberg, präsentierten die Johanneskantorei Köln-Klettenberg, Susanna Martin, Sopran und Rezitation, die Pianistin und erfahrene Liedbegleiterin Iris von Zahn sowie KMD Johannes Quack, gleichfalls am Klavier, Liebeslieder – und darauf bezogen Auszüge aus den persönlichen Briefen der zwei Männer und jener Frau, die beiden in je besonderer Weise zugetan war. Kennern der Musikgeschichte des 19. Jahrhundert ist das schwierige, künstlerisch so ertragreiche Verhältnis dieser drei Ausnahmepersönlichkeiten vertraut.

Chorgesang, Sololieder und Rezitation
Den Beginn machte die Johanneskantorei mit Lieder von Johannes Brahms wie beispielsweise: „Es saß ein schneeweiß Vögelein“, gefolgt von der Begrüßung, einer Einführung und der ersten Brief-Lesung mit dem Fokus auf der aufkeimenden Liebe zwischen Robert und Clara Schumann. Es folgte der solistische Vortrag von Liedern Robert Schumanns, in denen die zaghafte, sehnsuchtsvolle Liebe zum Ausdruck kommt, sehr einfühlsam und zugleich kraftvoll vorgetragen von Susanna Martin, begleitet von Iris von Zahn am Flügel. Unter den Liedern Robert Schumanns fiel „Die Lotosblume“ durch den besonders innigen Vortrag auf. Einer weiteren Brieflesung folgte am Klavier der erste Satz aus der Fantasie F-dur op. 17 von Robert Schumann mit dessen Anweisung: „durchaus fantastisch und leidenschaftlich vorzutragen“. Die Lesung weiterer Briefe machte deutlich, wie die Beziehung von Clara und Robert spannend und angespannt blieb, auch nach ihrer Heirat. Von Claras Seite aus reflektierten Lieder diese Situation, etwa „Warum willst Du and’re fragen“. Johannes Brahms, der als dritte Person in die tiefe innere Verbunden- und Zerrissenheit dieser Freundschaft und Liebe trat, war vor der Pause mit vier Liedern vertreten, darunter die „Sapphische Ode“ und „Wir wandelten“. Weitere Briefe machten deutlich, wie die bald darauf einsetzende tragische Krankheit Roberts, die Sorge von Brahms – sowohl um den guten Freund als auch um die geliebte Clara -, Claras unermüdliche Konzert- und Reisetätigkeit und schließlich der Tod von Robert die Spannung dieser Liebe nicht auflösen, aber auch nicht klären konnten. Nach der Pause trug die Johanneskantorei Brahms‘ „18 Liebeslieder für vier Singstimmen“ vor – und zeigte auch darin die Breite ihres Könnens. Am Klavier begleitet wurde der Chor eindrucksvoll souverän zu vier Händen von Quack und von Zahn. Nach einem begeisternden Finale unter Mitwirkung aller Beteiligten folgten ein langer Applaus, Zugaben, Danksagung und Blumensträuße für diesen rundum gelungenen Abend.

Text: Manfred Loevenich
Foto(s): Loevenich