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Markus Schwering sprach über Goethe und Bach

So viel wird aktuell diskutiert über die Kultur in Köln und deren Finanzierung. Wird kulturelle Versorgung zu einem Luxusgut? Muss alles aus öffentlicher Hand finanziert werden? Und in Zeiten wie diesen lädt die Goethe-Gesellschaft Köln in Kooperation mit dem Evangelischen Kirchenverband Köln und Region bei freiem Eintritt zu einem hochklassigen Vortrag ein – mit dem Kulturredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers Markus Schwering.

Vortrag anlässlich Goethes Geburtstag
Als Vorsitzender der Goethe-Gesellschaft Köln referierte er anlässlich Goethes Geburtstags in der prall gefüllten Kölner Trinitatiskirche am Filzengraben. Das Thema war diesmal weniger tagespolitisch brisant. Es ging um die Bach-Rezeption des gefeierten Jubilars. Trotzdem war die Veranstaltung kulturpolitisch nicht unbedeutsam. Wenn man schließlich über Goethe und Bach spricht, sollte man auch Zitate von Goethe und Bach hören. Für die Goethe-Zitate war Markus Schwering selbst zuständig. Um die Musik Bachs kümmerte sich der Organist Christan Collum. Ein ausgewiesener Bach-Experte, und das nicht nur, weil er ab 1965 an der Hochschule für Musik in Leipzig, also einem der Wirkungsorte Bachs, studiert hat, sondern vor allem, weil er von 1983 bis 1994 künstlerischer Leiter des Bach-Vereins Köln war.

Hochwertiges Kulturprogamm bei freiem Eintritt
Angesichts des exquisiten Programms verwundert es nicht, dass so viele Menschen den Weg in die Trinitatiskirche gefunden hatten. Bei seinen Begrüßungsworten forderte Dr. Anselm Weyer, der Literaturbeauftragte der Trinitatiskirche, dann nachdrücklich auf, der Goethe-Gesellschaft beizutreten: „Seit Jahren leistet sie einen profunden Beitrag zum literarischen und wissenschaftlichen Leben in Köln – auf hohem Niveau, aber ohne öffentliche Unterstützung“. Von hier zog Weyer die Parallele zur Trinitatiskirche. Hier biete der Evangelische Kirchenverband Köln und Region nun im dritten Jahr ein hochwertiges Kulturprogramm mit Musik-, Literatur- und Kunstveranstaltungen an, das größtenteils keinen Eintritt koste und somit ausdrücklich jedem offen stehe.

Ungebrochene Lehrer-Schüler-Linie
Beim Festvortrag der Goethe-Gesellschaft mit Orgelumrahmung leistete Markus Schwering das Kunststück, aus dem Steinbruch der verteilten Zeitzeugenberichte, Randnotizen und Briefpassagen ein kohärentes Bach-Bild Goethes zu zeichnen. Zunächst widersprach Schwering vehement der verbreiteten Meinung, Johann Sebastian Bach habe von Felix Mendelssohn-Bartholdy erst wiederentdeckt werden müssen. So gebe es eine direkte und ungebrochene Lehrer-Schüler-Linie von Bach nicht zuletzt zu Goethes Freund Carl Friedrich Zelter, der etlichen Gedichten Goethes ihre bis heute gültige musikalische Form gegeben hat. Da überrascht es nicht, dass Goethe erstmals in Zusammenhang mit Carl Friedrich Zelter von Bach berichtet. Die erste Erwähnung des Komponisten findet man im Tagebuch vom 23. August 1810: „Bey Zelter. Musicalisch geschichtliches. Musicalische Epoche unter Marcellus. Sebastian Bach.“

Goethe kümmerte sich wenig um Bach
Warum aber hat sich Goethe erst relativ spät mit Bach auseinandergesetzt? Es gab doch, wie Schwering ausführte, einige biographische Berührungspunkte, da ja Goethe in Leipzig studierte und in Weimar den größten Teil seines Lebens verbrachte – beides Wirkungsorte des Thomaskantors. Dass sich Goethe zunächst wenig um Bach kümmerte, hat mit seinem Geschmack zu tun. In der Tat hatte sich das breite Publikum anderen Klängen zugewandt, die nicht mehr so vertrackt und polyphon, sondern gefälliger waren. „Bemerkenswert ist, mit welcher Beharrlichkeit, Energie und Faszination Goethe sich – angeleitet durch kompetente Freunde wie Zelter, den jungen Mendelssohn und vor allem den Bad Berkaer Badedirektor und Pianisten Schütz – in die ihm zugänglichen Teile des Bachschen Oeuvre einarbeitete“, meinte Schwering. Dies führte hin zur berühmten Bach-Charakterisierung: „Ich sprach mir’s aus: als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie sich’s etwa in Gottes Busen kurz vor der Weltschöpfung, möchte zugetragen haben, so bewegte sich’s auch in meinem Innern, und es war mir, als wenn ich weder Ohren, am wenigsten Augen und weiter keine übrigen Sinne besäße noch brauchte.“ Dies hat Goethe an sehr entlegener Stelle geschrieben, nämlich in der Fortsetzung eines Briefes an Carl Friedrich Zelter vom 21. Juni 1827.

Bach ist gut im Liegen zu hören
Die hier praktizierte Assoziation, bei der Bachs Kompositionen zur Selbstunterhaltung der „ewigen Harmonie“ werden, hatte, wie Schwering berichtet, durchaus biographische Entsprechungen. So meinte er, Johann Sebastian Bach könne sehr gut im Liegen gehört werden, da die Musik eigentlich sich selbst genug sei und keinen direkten Zuhörer nötig habe.
Von Bedeutung sei Bach für Goethe, so machte Schwering klar, vor allem als Urvater der Musik. Wie bei seiner Urpflanze, auf die alle anderen Formen zurückzuführen seien, so sei nahezu die gesamte Musik auf Bach zurückzuführen. Kein Wunder, dass Goethe sich dann auch Musik als Metamorphose präsentieren ließ. So berichtet Goethe 1819 etwa von einem Konzert, bei dem ein Musiker auf Goethes Ersuchen „nach historischer Reihe“ spielte: „von Sebastian Bach bis zu Beethoven, durch Philipp Emanuel, Händel, Mozart, Haydn durch, auch Dusseck und dergleichen mehr.“

Geistig und körperlich gesättigt
Christian Collum verkniff sich an diesem Abend, einen Rundumblick über die Musikgeschichte zu geben und beschränkte sich auf einige Werke von Johann Sebastian Bach, die er an der großen Klais-Orgel der Trinitatiskirche darbot. Und da es anschließend auch noch eine kostenlos Verköstigung mit Speise und Trank gab, ging das Publikum – oder besser die Feiergäste von Goethes Geburtstagsparty – am Ende des Abends sowohl geistig als auch körperlich gesättigt und zufrieden nach Hause.

Text: APK
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