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Eine Angehörige (Martina Müller mit der Mutter von Manfred Sappok) organisierte den Besuch eines Therapiepferdes in der Demenz-WG am Mathiaskirchplatz in Köln-Bayenthal.

Manchmal klingt die Bonner Straße wie das Meer! – Erste Demenz-WG der Antoniter Siedlungsgesellschaft feiert 10-jähriges Bestehen

Eine der ältesten Kölner Demenz-WGs am Mathiaskirchplatz 17a im südlichen Stadtteil Bayenthal wird 10 Jahre alt. Im Jahre 2010 stellte die Antoniter Siedlungsgesellschaft mbH (ASG) im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region (EKV) das knapp 320 Quadratmeter große Wohnhaus mit acht Bewohnerzimmern, einem Gemeinschaftsraum inklusive Küche, Gemeinschaftsbadezimmern, großer Terrasse mit Garten sowie Einzelterrassen an jedem Bewohnerzimmer fertig. Das Gebäude ist eingebettet in einen Wohnkomplex mit Seniorenwohnungen und einem Kindergarten, den die Wohnungsbaugesellschaft von der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Bayenthal erworben hatte.

Ambulante „Rund um die Uhr”-Betreuung durch die Diakonie gGmbH

„Aufgrund der demographischen Entwicklung halten wir es für besonders wichtig, gerade die älteren pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen unter uns mit adäquatem Wohnraum zu versorgen“, sagt ASG-Geschäftsführer Guido Stephan. Von den mehr als 1700 Wohnungen in Köln und Umgebung, über die die Gesellschaft verfügt, sind über 700 ausgewiesene Seniorenwohnungen. Die Demenz-WG am Mathiaskirchplatz war die erste von derzeit vier ambulant betreuten WGs für demenziell Erkrankte, welche die ASG als Bauherr errichtet hat und bei denen sie als Vermieter fungiert. Alle Projekte entstanden in Kooperation mit Monika Schneider, Gründerin der Kölner „Agentur für Wohnkonzepte“. Die daraus entstandene Wohnkonzepte Schneider gGmbH (www.wohnkonzepte-schneider.de) begleitet die Angehörigen, die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemeinschaftlich einen Mietvertrag mit der ASG abschließen, fachkundig als Beistand. Sie übernimmt in deren Auftrag verwaltende und beratende Tätigkeiten und unterstützt bei allen Vertragsabschlüssen, Verhandlungen und Entscheidungen. Dies entlastet von vielen Fragen und Unsicherheiten und trägt dazu bei, dass die Wohngemeinschaften im Zusammenspiel mit den beauftragten ambulanten Pflegediensten, auf die sich vorher gemeinschaftlich verständigt wurde und mit denen individuelle Verträge abgeschlossen werden, gut funktionieren. In der WG am Mathiaskirchplatz hat sich seit 10 Jahren die Zusammenarbeit mit der Diakonie gGmbH Köln und Region bewährt, die eine „Rund um die Uhr”-Betreuung der alten Menschen gewährleistet.

„Jeder kann es sich leisten, hier zu wohnen“, sagt Brit Timmermann von der Wohnkonzepte Schneider gGmbH. Da die Wohnungen mit Mitteln des öffentlich geförderten Wohnungsbaus errichtet wurden, benötigen die Mieter einen Wohnberechtigungsschein. Die Kosten in der Wohngemeinschaft werden von der Pflegekasse und dem Sozialhilfeträger anerkannt.

Verstärkte individuelle Pflege als Alternative zum Pflegeheim

„Wenn ich sehe, wieviel Liebe und Zuneigung meine Mutter hier erfährt, könnte ich richtig neidisch werden!“ „Seit mein Vater hier wohnt, kann ich wieder mit gutem Gewissen durchschlafen!“ „Dass meine Mutter sich hier wohlfühlt, spüre ich schon daran, dass sie mich nicht mehr so häufig anruft.“ Diese Statements von drei Angehörigen, deren demenziell erkrankte Elternteile am Mathiaskirchplatz leben, spiegeln wieder, wie gut das Konzept funktioniert. „Mein Vater war vorher in einem Pflegeheim untergebracht – ein umgebautes Hotel, nicht barrierefrei“, erinnert sich Carmen Hahn. Durch die Enkelin einer Bewohnerin wurde sie auf die Bayenthaler Demenz-WG aufmerksam und nun lebt ihr 76-jähriger Vater bereits seit eineinhalb Jahren dort. „Er hat seine neue Umgebung sofort als zu Hause angenommen und mich noch nie gebeten, ihn mitzunehmen“, stellt sie fest. Das bestätigen auch Manfred Sappok und Martina Müller, deren Mütter ebenfalls in der WG wohnen. „Wir haben meine demenzkranke Mutter lange zu Hause gepflegt“, so Müller. „Aber nach dem dritten Schlaganfall ging es nicht mehr.“ Eine Beraterin der Krankenkasse, die gerade ihre Bachelorarbeit über Demenz-WGs schrieb, brachte sie auf diese Wohnform, und wenige Monate später bekam die Mutter einen Platz am Mathiaskirchplatz. Der Umgang des Pflegepersonals mit den Bewohnerinnen und Bewohnern sei „voller Liebe, Wohlwollen und Engagement“. Martina Müller freut sich über die gute Versorgung und weiß: „Meine Mutter hat hier absolut an Lebensqualität gewonnen.“

„Die WG am Mathiaskirchplatz war bei der Suche unsere Nummer eins“, erinnert sich Manfred Sappok, dessen 86-jährige Mutter inzwischen seit drei Jahren dort lebt. Er selbst habe sich ebenfalls von Anfang an dort wohl gefühlt. „Mir muss es ja auch gefallen, da ich ja selbst auch oft dort sein will“, findet er.

Geruch nach frischer Wäsche und Essen

Alle loben die gute Atmosphäre im Haus. „Wenn man reinkommt, riecht es nach frischer Wäsche und Essen“, schwärmt Martina Müller. Zum Wohlbefinden aller trägt insbesondere das Pflegepersonal der Diakonie bei, das aus Pflege- und Betreuungskräften, FSJlern, Auszubildenden und Ehrenamtlichen besteht. Der Betreuungsschlüssel sei optimal und man merke, dass die Menschen gerne dort arbeiten. „Die sind in ihrer Beziehungsgestaltung zu den Bewohnerinnen und Bewohnern natürlich auch sehr gefordert“, glaubt Müller. Da werden auch mal Fingernägel lackiert, Feste wie Weihnachten und Ostern zusammen gefeiert, und es sei sogar schon vorgekommen, dass Pflegerinnen in ihrer Freizeit mit den Alten und deren Angehörigen in den Kölner Zoo gegangen sind. Der nächste Ausflug sei bereits in Planung. „Dem ambulanten Pflegedienst der Diakonie gGmbH und der Wohnkonzepte Schneider gGmbH gilt mein besonderer Dank“, so Guido Stephan. „Beide leisten hier seit 10 Jahren wirklich gute Arbeit und haben einen großen Anteil am Erfolg der WG. Wir sind ja nur der Vermieter.“

Guter Gemeinschaftssinn unter Angehörigen

Auch die Angehörigen bringen viel Engagement mit. Alle sechs Wochen treffen sie sich zu WG-Besprechungen, bei denen es – mit Beratung und Begleitung des Beistands – unter anderem um Finanzen, Neuanschaffungen, Feste, neue Bewohnerinnen oder Bewohner, aber auch um ihre eigenen jeweiligen Befindlichkeiten geht. „Das ist ein Qualitätsmerkmal dieser WG, dass man auch die anderen Angehörigen im Blick hat“, sagt Manfred Sappok. „In dem Heim, in dem mein Vater früher war, habe ich nie jemanden von den anderen Angehörigen gesehen“, fügt Hahn hinzu. Hier habe man neben der guten Versorgung des Elternteils gute Kontakte oder gar Freundschaften hinzugewonnen, die zum Teil über den Tod des Vaters oder der Mutter hinaus andauern. „Wir sitzen halt alle im selben Boot“, so Hahn. Natürlich gebe es auch mal Konflikte – meist, wenn die Ansprüche unterschiedlich seien, erklärt Sappok. „Wir machen das hier in Eigenverantwortung, aber mit einem guten Gemeinschaftssinn“.

Das Gemeinschaftsgefühl spüren auch die Bewohnerinnen und Bewohner, die den Vorteil genießen, dass in einer überschaubaren Gruppe Tagesabläufe ihren individuellen Erfordernissen angepasst werden können. Neben alltäglichen Begegnungen in Gemeinschaftsräumen oder im Garten gibt es für sie therapeutische Angebote wie Ergotherapie, Krankengymnastik, Kunsttherapie, aber auch zahlreiche Freizeitangebote werden organisiert. Neben Märchenerzählern und Musikern war sogar schon ein Pferd zu Besuch und bald wird es auch einen Hundebesuchsdienst geben. „Hier ist Leben“, freut sich Müller, „und kein einsames in die Bäume starren!“. Dass die Bewohnerinnen und Bewohner sich wohl fühlen, zeigt die Wahrnehmung ihrer Mutter, die das Rauschen der naheliegenden Bonner Straße manchmal für das Rauschen des Meeres hält.

Text: Susanne Hermanns
Foto(s): Manfred Sappok