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Luthers ‚Bildungsminister‘ – oder: Wie Philipp Melanchthon das Gespräch zur ‚Mutter des Segens‘ machte

… und noch ein Gedenkjahr – diesmal zu Philipp Melanchthon?
Der engste Mitarbeiter Martin Luthers ist vor 450 Jahren, am 19. April 1560 gestorben. Für die evangelische Kirche in Deutschland ist das Grund genug, nach der Besinnung auf die reformiert-calvinistischen Wurzeln in diesem Jahr den Blick auf diesen besonderen Reformator zu legen, der aus Bretten in der Pfalz stammt. Man könnte ihn auch den ‚Bildungsminister‘ der Reformation nennen.
„Wir sind einander zum Gespräch geboren“, soll Melanchthon gesagt haben – und macht diese Äußerung Philipp Melanchthon nicht sofort und unmittelbar sympathisch?

Melanchthon, der eigentlich Philipp Schwarzerdt hieß und der von seinem humanistischen Onkel mit einem griechischen Namen geadelt wurde, war in der Tat ein Mensch, der das Gespräch über das Wesentliche des Glaubens so breit wie möglich geführt hat. Nachdem er mit nur 21 Jahren von Luther nach Wittenberg an die dort gerade neu gegründete Universität berufen worden war, war der Humanist schnell in aller Munde. Es war seine besondere Gabe, Luthers Entdeckungen in der Bibel in eine umfassende Bildungs-Offensive umzuwandeln: Was Gott dem Menschen schenkt, die göttliche Gerechtigkeit, das muss auch unter den Menschen zu gerechten Chancen führen

Melanchthon entzündet den Funken der Reformation an vielen Stellen: Er begeistert viele für den Schatz der antiken Sprachen, er plädiert für Unterrichts-Formen, die nicht das Lernen unter Druck, sondern die eigene Motivation fördern, er wirbt für eine lernende Gesellschaft insgesamt, die Lust hat, Neues in den Wissenschaften zu entdecken und dies möglichst vielen Menschen, Kindern wie Erwachsenen, kenntlich macht. Was wir heute unter dem Begriff der Bildungsgerechtigkeit einfordern, hat Melanchthon im 16. Jahrhundert in Gang gebracht und Europa erneut in die Wiege gelegt. Hinter dieses Ideal kam nun keiner mehr zurück – und auch die katholische Kirche und später die moderne säkulare Gesellschaft haben davon zu profitieren gewusst.
Wie wichtig das Gespräch, der menschliche Kontakt, das Nicht-Abreißen-Lassen des Gesprächsfadens zwischen Menschen ist, das hat Philipp Melanchthon in seinem Leben oft erfahren. Die evangelische Bewegung war ja von Anfang an dem Verdacht ausgesetzt, dass sie etwas ‚ganz Neues‘, mit der Tradition der Kirche nicht Verträgliches und Fremdes in Gang bringen wollte: Solche Gräben kann Melanchthon oftmals diese Gräben oftmals. Er schafft es, das Trennende zwischen den Konfessionen und Auffassungen der Christen nicht zu betonen und Gottes Weisheit von unseren mühsamen Formulierungskünsten unterscheiden zu können.

Jedoch ist er auch so manches Mal gescheitert: Nicht nur in Köln, wo er zwar den damaligen Erzbischof Hermann von Wied, nicht aber den städtischen Rat, im Jahr 1543 überzeugen konnte, sich im Schatten des Doms auf die evangelische Auslegung der Bibel einzulassen. Auch die „Confessio Augustan“, die erste Bekenntnisschrift der evangelischen Bewegung aus dem Jahr 1530, stammt aus seiner Feder – und führte nicht zur Verständigung mit den Altgläubigen. Doch Melanchthon hält daran fest, dass es im Gespräch darauf ankommt, das Gemeinsame auszuloten – weil es letztlich darum geht, Gottes Liebe gerecht zu werden. Was Melanchthon – je älter er wurde, umso mehr – hasst, ist das „Gezänk der Theologen“, die so an Gottes Liebe vorbei reden. Auf einen kleinen Zettel schreibt er kurz vor dem 19. April 1560, also vor 450 Jahren, worauf er nach dem Tod hofft: „Du wirst Gott sehen. … Du wirst zum Licht gelangen. Du wirst die wundersamen Geheimnisse erfahren, die du in diesem Leben nicht begreifen könntest.“
Mehr über den Bildungsminister der Reformation, über seine Kölner Dependance und über das Melanchthon-Jahr 2010 erfahren Sie über www.melanchthon-bildung.de oder bei der Melanchthon-Akademie Köln, 0221.931803-0.

Text: Dr. Martin Bock
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