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Lutherkirche: Ausstellung „Fukushima – opening doors with compassion“

Die Erde dreht sich. Wer permanent das Weltgeschehen in allen Bereichen verfolgt, wird rasch von Schwindel erfasst. Unablässig lösen Nachrichten einander ab. Heute „regieren“ diese Schlagzeilen, morgen jene. Kommt es zu einer Katastrophe, wird dem Thema manchmal längere Aufmerksamkeit zuteil. Aber selbst das verheerende Erdbeben im Nordosten Japans vom 11. März 2011, das in der dortigen Küstenregion einen Tsunami auslöste und zum GAU im Reaktorkomplex Fukushima Daiichi führte, droht bereits jetzt schon wieder in den Hintergrund zu treten. Zumindest für scheinbar Nicht-Betroffene. Dabei sollten die Auswirkungen des schwersten Bebens in Japans Geschichte, insbesondere die Folgen der nuklearen Katastrophe, weltweit ein anhaltendes Interesse finden.

Die Austellung kann auch „wandern“
Dieser Meinung ist auch Hermann Vogel, Kunstbeauftragter der Lutherkirche in der Kölner Südstadt. Das denken nicht weniger die Künstlerinnen und Künstler, die Vogel jetzt für eine Ausstellung im Turm der Lutherkirche gewinnen konnte. „Fukushima – opening doors with compassion“ – Türen öffnen mit Mitgefühl – lautet ihr Titel. Beteiligt sind sechs japanische, vier Berliner und neun Kölner Kunstschaffende. Macht insgesamt 19, wobei einige der Japaner derzeit auch in Berlin leben. Dort, in einer von der Galerie Murata & Friends organisierten Ausstellung, waren wesentliche der nun im Lutherturm gezeigten Werke bereits zu sehen. Hinzu gekommen sind Arbeiten von Kölner Künstlerinnen und Künstler. Vogel kann sich übrigens gut vorstellen, die Ausstellung nach den Sommerferien in einer anderen Gemeinde zu zeigen – dann gern auch erweitert um die Arbeiten dort ortsansässiger Künstlerinnen und Künstler. Wer daran Interesse haben sollte, kann sich gern an das Amt für Presse und Kommunikation des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region wenden.

Multimediale Schau
Doch zurück zu der Ausstellung, die zur Zeit noch bis Sonntag, 14. August, im Turm der Lutherkirche, Martin-Luther-Platz 2-4, zu sehen ist: Während die Arbeiten der beteiligten japanischen Künstlerinnen und Künstler als direkte Antworten auf die dramatische Freisetzung erheblicher Mengen radioaktiver Stoffe in Fukushima verstanden werden müssen, als ein erstes „intuitives“ Echo darauf, sind viele Werke der deutschen Künstlerinnen und Künstler schon vor Jahren entstanden. Doch sie fügen sich erstaunlich gut ein in eine multimediale Schau, die nicht allein von Ängsten handelt. Die Ausstellung thematisiert unter anderem auch ein offensives Nachdenken über die Gefährdung von Mensch und Umwelt durch ein Übermaß an atomarer Strahlung. Die Zusammenführung von Installation, Video, Malerei, Fotografie und Objekt in den Räumen des Lutherturms wartet darüber hinaus mit Ideen für einen nachhaltigen Umgang mit Natur und Energien auf.

Autark leben, alternative Energieformen nutzen
Der in Berlin lebende Tokyoter Markus Shimizu beispielsweise beschäftigt sich schon länger auch mit ökologischen Fragen. Im Turm stellt er eine recht handliche „Solarkochkiste“ vor. Autarkie heißt eins seiner Schlagworte, Unabhängigkeit unter anderem im Sektor Energie. Mittels seiner Konstruktion will er etwa Koch- und Wasch-Wasser erwärmen können. Leicht verstörend wirkt Hiroyo Kanekos schwarz-weiße Fotoserie „The California Project after Fukushima“, in der Landschaften von Windrädern und Solaranlagen dominiert werden. Denn die Stimmung in den Aufnahmen der in San Francisco lebenden Fotografin vermittelt nicht zwingend das Gefühl, dass sie diese Methoden der Gewinnung von erneuerbaren Energien vorbehaltlos unterstützt.

Japanische Anti-Atomkraftbewegung und Internet
Kan Yamamoto ist mit „No Nukes Posters“ (Anti-Atom-Poster, C-Prints) vertreten, die im Rahmen seines Internet-basierenden Projekts entstanden sind. Sie sind ein Zeichen dafür, wie „die vorher in Japan eher unscheinbare Anti-Atomkraftbewegung an Bedeutung gewonnen“ hat. Und wie sie dafür intensiv das Internet nutzt, unterstützt von Yamamoto. Er ist der Meinung, dass es den heutigen Künstlern „als unabhängigen Wesen“ unter anderem zufalle, Sozialbewegungen anzuregen, beziehungsweise zu fördern. Gerade in solchen Ausnahmesituationen, in denen sich sein Heimatland momentan befinde. Dagegen verweisen Ton- und Keramikscherben von verschiedenen Fundorten in Deutschland und Italien, die Doris Frohnapfel akkurat in Bodenkästen angeordnet hat, in diesem Zusammenhang beispielsweise auf die Frage, was bleibt nach einer nuklearen Katastrophe übrig von Kulturen, Gruppen, Menschen…

Kontemplativ, konzentriert und kraftvoll
Einen eher kontemplativen Charakter weisen die Arbeiten von Irene Vigener und Dorothee Joachims auf. Vigener nähert sich mit ihrer hell strahlenden Bodeninstallation, gelegt aus polierten Gipselementen, japanischer (Wohn)Kultur an. Inspirieren ließ sich die Kölner Bildhauerin von polierten Holzböden japanischer Bauernhäuser. Selbst auf den von ihr herangezogenen Fotografien vermitteln diese Böden „einen strahlenden und zugleich tiefen, die gesamte Umgebung widerspiegelnden Glanz“: als Resultat von Nutzung und „Einwirkung einer menschlichen Hand“. Joachims malte ihre im Turm platzierten Bilder während und nach der Katastrophe. Die in Köln lebende Künstlerin sieht durch die „apokalyptischen Videobilder vom Tsunami und die Nachrichten über die Dimension der Atomkatastrophe“ unser Denken und Fühlen nachhaltig beeinflusst. Mit ihren drei einfarbigen Pigment-Acryl-Werken in den Farben Orange, Olivgrün und Braun will sie „eine andere, der Destruktion entgegen gesetzte Energie“ ausdrücken. Tatsächlich wirken diese Bilder konzentriert und kraftvoll: Prädikate, die man der Ausstellung insgesamt verleihen kann.

Öffnungszeiten
Die Ausstellung im Turm der Lutherkirche, Martin-Luther-Platz 2-4, Südstadt, ist geöffnet bis zum 14. August. Donnerstags bis samstags von 16 bis 19 Uhr, sonntags von 11 bis 14 Uhr.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich