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Pfarrer Rolf Theobold in der Porzer Lukaskirche. Rund um die Kirche wird das Lukasquartier entstehen.

Lukasquartier – das Dorf in der Stadt: In Porz soll ein neues kirchlich-soziales Zentrum entstehen

Die denkmalgeschützte Lukaskirche in Köln-Porz.

Da steht sie also und reckt ihren Turm in den Himmel über Porz: die Lukaskirche. Zu ihrer Planungs- und Bauzeit – Anfang des 20. Jahrhunderts – bereits visionär: außen Jugendstil, innen expressionistisch. Optisch ein bisschen wie der Zwilling des Darmstädter Wahrzeichens, des Hochzeitsturms. Später dann mit einem Fensterzyklus ausgestattet, der von Auschwitz erzählt. Nun gibt es eine neue Vision, um die seit 40 Jahren denkmalgeschützte Kirche zu erhalten und weiter zu nutzen: rund um den Bau von Maximilian August Benirschke soll das neue Lukasquartier entstehen, ein kirchlich-soziales Zentrum mit Wohnraum, Kita, Kirche und viel Lebensqualität.

Vor einiger Zeit wurde die Anzahl der Pfarrbezirke von sechs auf vier reduziert, die verbleibenden arbeiten enger zusammen und haben zum Teil fusioniert. Damals stand auch der Immobilienbestand auf dem Prüfstand und die Gemeinde vor der Frage, welche Gebäude verkauft werden sollten. „Auch diese Kirche stand zur Diskussion“, erinnert sich Pfarrer Rolf Theobold. „Aber das ist unsere Mutterkirche. Und ein Denkmal. Das kann man nicht machen.“ Klar war jedoch, dass es für die Lukaskirche keine eigene Pfarrstelle mehr geben wird.

Eventkirche oder Kolumbarium?

Dort, wo jetzt noch ein sanierungsbedürftiges, leerstehende Haus steht, entstehen im Lukasquartier neue Wohnungen.

Nach verschiedenen Projektideen im Bezirksausschuss beriet dann das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Porz darüber, ob aus der Lukaskirche eine Eventkirche oder ein Kolumbarium werden sollte, eine Grabstätte für Urnenbeisetzungen. Es folgte ein Workshop mit dem Theologen, Architekten und Stadtentwickler Jörg Beste. Er empfahl der Gemeinde, größer zu denken. „Also nicht nur das Untergeschoss der Kirche, die wir retten wollen, umzubauen, sondern das ganze Ensemble in den Blick zu nehmen“, erklärt Theobold.

Es entstand die Vision, rund um die Lukaskirche ein Quartier zu entwickeln, das ausstrahlt in die Stadtgesellschaft und für die Menschen in der Nachbarschaft eine Anlaufstelle, ein Aufenthaltsort und ein zentraler Ort in Porz werden könnte. Die Pläne: Ein altes Pfarrhaus wird abgerissen. Es wurde als Erbpacht an einen Investor verkauft, der dort neue Wohnungen bauen wird. Die Erbpacht sichert ein Drittel des Finanzierungsbedarf und soll zum Teil in soziale Projekte fließen. In den Wohnungen – so die Hoffnung – sollen sich Familien ansiedeln, die sich lange ans Lukasquartier binden.

Ein neuer Dorfplatz für Porz

Herzstück des Projektes ist die Lukaskirche selbst. Ihr Untergeschoss soll umgebaut werden. Wo jetzt ein alter Theatersaal mit Bühne ist, sollen flexibel aufteilbare Gruppenräume entstehen, die auch ganz geöffnet werden können. Auf diese Weise bleibt auch die Option auf einen großen Saal erhalten. Eine größere Kirche soll es Gruppen ermöglichen, sie gemeinsam zu nutzen.

„Das Obergeschoss, in dem der Sakralraum ist, bleibt unverändert“, sagt Pfarrer Theobold. Obwohl es auch dort Sanierungsbedarf gibt, steht fest: „Das soll als Sakralraum erhalten bleiben, wobei wir es auch im Quartier zur Verfügung stellen im Rahmen dessen, was man in einer Kirche machen kann, für Konzerte oder Kunstausstellungen oder Ähnliches.“

Das äußere Herzstück wird ein Quartiersplatz sein, der entsiegelt wird. „Das soll ein kleiner Park mit hoher Aufenthaltsqualität werden“, erzählt Theobold, „zur Straße hin auch nicht mehr so abgegrenzt wie jetzt. Es soll eine Art Dorfplatz werden, wo sich dann auch Leben abspielen kann.“ Pläne, dort auf Dauer ein Open-Air-Café anzusiedeln, werden sich voraussichtlich nicht realisieren lassen, aber bei verschiedenen Anlässen könnte es „Pop up“-Gastronomie geben.

Pilotprojekt interreligiöser Kindergarten

Das Pfarrhaus soll als offenes Haus für die Bürgerschaft Teil des Lukasquartiers werden.

In dem Haus, in dem sich das Pfarrbüro und Gruppenräume für die Jugend befinden, wird das gesamte Untergeschoss ebenfalls für das Quartier nutzbar sein, so Theobold. Ein Aufzug soll das Haus barrierefrei machen, wie auch die Lukaskirche selbst durch eine Hubvorrichtung im Außenbereich und eine Rampe für das Untergeschoss barrierefrei werden soll.

Ein weiteres Vorhaben innerhalb des Quartiersprojekts: Der benachbarte Kindergarten, der zur Gemeinde gehört und von der Diakonie Michaelshoven betrieben wird, soll als Pilotprojekt zu einem interreligiösen Kindergarten werden. Vorbilder dafür gibt es in Kölns Partnerstadt Tel Aviv mit dem „Cologne Day Care Center“ und in Berlin, wo sich die Porzer bereits Anregungen holten. Für den Ausbau des bislang zweigruppigen Kindergartens müsste das alte Gebäude abgerissen und das bislang große, parkähnliche Gelände etwas verkleinert werden.

Bei dem Projekt wünscht sich die Gemeinde, dass die Stadt Köln als Partner mit ins Boot kommt. „Wir legen in Köln ja sehr viel Wert darauf, dass wir gegen Rassismus und Antisemitismus arbeiten“, sagt Pfarrer Theobold. „Mit dem Leuchtturmprojekt des Kindergartens hätten wir nicht nur ein ,Wir sind dagegen‘, sondern ein positives Beispiel, wie man konstruktiv etwas bewegen kann. Das könnte wirklich Ausstrahlung haben, auch über Köln hinaus.“

Zukunftskonzept Kirchräume

Betreut und begleitet wird das Projekt im Rahmen einer Förderung der „Landesinitiative Baukultur NRW“ vom Architekturbüro „Wolf R. Schlünz-Projekte“. Auch Jörg Beste vom Stadtentwicklungsbüro „synergon“ behält das Porzer Projekt fest im Blick. Er hatte sich bereits vor der Zusammenarbeit länger mit dem Standort beschäftigt. Gefreut habe ihn, dass sich die Gemeinde mit der Vision vom Lukasquartier für das Programm „Zukunftskonzept Kirchenräume“ der „Landesinitiative Baukultur NRW“ erfolgreich beworben hat, das er selbst auf der Gesamtebene begleitet hatte. „Hier ist es nun eines der inhaltlich und organisatorisch erfolgreichsten Projekte und zu Recht auf dem 30. deutschen evangelischen Kirchbautag im September als Beispielprojekt präsentiert worden“, sagt Beste. Leider sei es nicht gelungen, das Projekt in das stadtentwicklerische Gesamtkonzept der Stadt Köln zur Neuausrichtung von Porz-Mitte einzubinden, „was sicher beiden Projekten gut getan hätte“, so der Stadtentwickler.

„Reizvoll finde ich an diesem Projekt die Verbindung von Kirchengemeinde und Quartier in ihren wechselseitigen Beziehungen und Möglichkeiten“, sagt Jörg Beste. Nach einer früheren falschen Entscheidung, eine Gemeindeimmobilie zu „vermarkten“ habe man sich darauf besonnen, „die Möglichkeiten und Werte der Gemeinde in ein gemeinwohl-orientiertes Gesamtnutzungskonzept einzubringen“. Fragestellungen, wie Kirchengemeinden mit ihren Gebäuden und Standorten in Zukunft weiter umgehen, werden zurzeit „nahezu überall immer drängender“, erläutert Beste.

Pfarrer Rolf Theobold von der Evangelischen Kirchengemeinde Porz.

Es sei deutlich, dass Kirchengemeinden den aktuellen Bestand alleine nicht mehr betreiben können werden. „Die schnelle Lösung, Gebäude und Standorte aufzugeben und zu vermarkten, ist dabei allerdings sowohl für Kirche als auch für das Quartier in den allermeisten Fällen langfristig die falsche“, betont der Theologe und Stadtentwickler. „Hierdurch werden Gemeinden – und damit Kirche insgesamt – zukünftig immer weniger wahrnehmbar, was die Probleme des Mitgliederschwundes weiter verstärken wird.“

Aber auch für die Quartiere, Stadtteile, Siedlungen und Dörfer bedeute die Aufgabe dieser – neben der sakralen Funktion – sozial und kulturell genutzten Treffpunkte auf Dauer einen schweren Verlust, der den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt nicht befördern werde, warnt Jörg Beste. „Somit ist für die Kirchengemeinden sowie für ihre jeweiligen Quartiere alles eine gute Lösung, was in irgendeiner Weise weiterhin eine Verbindung und einen Nutzen dieser wichtigen sozialen Orte darstellt. Kirchenstandorte, die angepasst werden müssen, sind also auch Potenzialräume für die Sozialraumentwicklung.“ Nicht untersuchte Potenziale und schnell aufgegebene Standorte seien verpasste Chancen für Gemeinde und Quartier. „Das ist in Porz zum Glück nicht geschehen!“, freut sich Beste.

Wann mit dem Bau begonnen werden kann, ist noch offen. Aktuell laufen noch die Anträge auf Finanzmittel. Die Preissteigerungen und Lieferprobleme bei Baumaterialien und im Handwerk allgemein waren vorher nicht absehbar. Pfarrer Theobold ist aber hoffnungsvoll: „Wir erwarten Zuschüsse von der Stiftung Wohlfahrtspflege und von der Aktion Mensch, die die Barrierefreiheit bezuschussen.“ Mittel kommen auch von der Evangelischen Kirche im Rheinland. Des Weiteren sucht die Gemeinde noch weitere Investoren.

In einem Video erzählt Pfarrer Rolf Theobold mehr über die Vision des Lukasquartiers in und für Porz.

Text: Hildegard Mathies
Foto(s): Hildegard Mathies